Donald Trump:Trumps 59 Raketen sind eine Botschaft an Moskau

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Instinktgesteuert: US-Präsident Donald Trump (Foto: AFP)

Der neue US-Präsident mag keinen Plan haben, er mag emotionsgeleitet sein, er mag unfähig sein. Aber dennoch hat der Militärschlag in Syrien gezeigt: Sein Instinkt stimmt.

Kommentar von Stefan Kornelius

Wer mit 59 Raketen einen Flugplatz zerstört, der schafft Tatsachen und sich selbst ein paar Feinde. Wer 59 Raketen abfeuert, will nicht Aufmerksamkeit erzielen, sondern Politik machen. Welche Außenpolitik aber steckt bitte in 59 Raketen?

Die Regierung Trump hat bisher keine große Doktrin erlassen, wie sie mit der Welt und ganz besonders dem Nahen Osten umzugehen gedenkt. Sie hat den Angriff moralisch begründet, als eine Art Strafaktion für den Einsatz chemischer Waffen. Sie hat Völkerrecht ignoriert, vielleicht auch, weil in Syrien so jedes Recht längst gebrochen wurde und jeder Versuch gescheitert ist, eine neue Ordnung zu etablieren. 59 Raketen sind also erst einmal eine Haudraufpolitik. Mal sehen, was dann passiert.

An der Misere in Syrien trägt nicht zuletzt Russland Schuld, das als Schutzmacht von Machthaber Baschar al-Assad nicht bereit ist, das größte Hindernis auf dem Weg zu einem Frieden aus den Weg zu räumen: Assad selbst. Russland war nicht mal in der Lage, einen Chemiewaffenangriff zu unterbinden, obwohl der vor der Nase der eigenen Soldaten auf einem gemeinsam genutzten Flugfeld vorbereitet wurde.

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Trumps Instinkt stimmt: Der Syrien-Angriff gilt Moskau

In dieser Woche wird der US-Außenminister nach Moskau reisen, um die Grundlage für die Beziehungen zu Präsident Wladimir Putin zu legen. Der Raketenangriff hat die Welt daran erinnert, dass es sich dabei nicht einfach um einen Antrittsbesuch handelt. Das russisch-amerikanische Verhältnis entscheidet trotz allen Isolationsgeredes noch immer über Ordnung und Unordnung in Europa und im Nahen Osten. Diese Erkenntnis hat Barack Obama zu lange ignoriert. Sein Nachfolger hat bisher nicht zu erkennen gegeben, ob er es besser weiß.

Trumps Verhältnis zu Russland wurde bis zum Raketenangriff nur durch ein innenpolitisches Prisma betrachtet. Das liegt an der Aktenlage: Zwei parlamentarische Untersuchungen und diverse strafrechtliche Ermittlungen der Behörden beschweren weniger das Verhältnis der USA zu Russland als das Verhältnis des Präsidenten zu seiner Nation.

Vorwürfe mit enormer Wucht belasten diese Präsidentschaft: Abhängigkeit, Erpressbarkeit, gar Hochverrat. Alle Fantasien über ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump spielen in Moskau. Sie haben zu tun mit den nicht veröffentlichten Steuererklärungen des Präsidenten, mit seinen vermeintlichen Schulden, mit faulen Krediten und angeblicher sexueller Erpressbarkeit. Die irritierende Nähe von Trump-Mitarbeitern zu Putins Russland ist dokumentiert, die Einmischung russischer Geheimdienste in den amerikanischen Wahlkampf ist noch lange nicht aufgeklärt.

Wenn Trump nun also mit dem Raketenangriff die russische Vormacht in Syrien herausfordert, dann belegt er einerseits seine Unerschrockenheit oder gar Wurstigkeit all diesen Verwicklungen gegenüber. Entweder sie erweisen sich als unwahr oder verlieren an Bedeutung gemessen an den viel größeren Problemen, die Trump gerade schafft. Andererseits muss man Trump zumindest zugestehen, dass sein Instinkt stimmt. Der Mann mag keinen Plan haben, er mag emotionsgeleitet sein, er mag unfähig sein, über den Tag hinaus zu denken; dennoch führt der Weg zu einer Lösung des Syrien-Krieges zunächst über Moskau.

Putin braucht den äußeren Feind

Trumps Vorgänger Obama war geradezu abgestoßen von Putin. Sein Widerwille im Umgang mit dem Mann kroch aus jeder Pore. Derweil verharren große Teile der politischen Klasse in den USA in einem Russland-Bild, das irgendwo zwischen Lenin-Mausoleum und "Jagd auf Roter Oktober" entstanden ist. Der Kalte Krieg ist mythologisiert, viel Platz für ein neues Russland jenseits des roten Telefons gibt es da nicht. Der Stillstand der Beziehungspflege hat am Ende nur einem genutzt: Wladimir Putin, der den äußeren Feind braucht, um die Herrschaft im Inneren zu erhalten.

Die 59 Raketen sind also eine Botschaft der USA an Russland: Es ist Zeit zum Kennenlernen - und der Moment mag günstig sein. Sankt Petersburg und Stockholm haben daran erinnert, dass es im islamistischen Terror einen gemeinsamen Feind gibt. Putin selbst mag sich in einem ehrlichen Moment eingestehen, dass er sich mit immer neuen Gegnern umstellt. Und Trump braucht - wenn er die Manipulations-Untersuchungen überstehen will - eine erfolgreiche Russland-Politik.

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Von Hubert Wetzel

Der Traum von einem großen Deal mit Russland würde Trump gefallen. Syrien gegen Ukraine, Aufhebung der Sanktionen gegen ein bisschen Berechenbarkeit. Die Erfahrung lehrt: Das wird am Ende nicht funktionieren, aber ein bisschen wechselseitige Aufmerksamkeit und Härte in Verhandlungen würde schon genügen.

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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