Das Wetter war in der Tat nicht gut am 10. November 2018 in Paris und Umgebung. Wolkenverhangener Himmel, Nieselregen, meldete die Nachrichtenagentur AP damals. US-Präsident Donald Trump sollte an jenem Tag den 100 Kilometer nordöstlich von Paris gelegenen Friedhof Aisne-Marne für Hunderte US-Soldaten besuchen, die im Ersten Weltkrieg in der Schlacht im Wald von Belleau gefallen waren. 100 Jahre zuvor war der erste Weltkrieg für beendet erklärt worden. Eigentlich ein Pflichttermin für einen US-Präsidenten. Kanzlerin Angel Merkel war da, der französische Präsident Emmanuel Macron und der kanadische Premier Justin Trudeau. Trump sagte den Termin aber überraschend ab.
Der Grund für die Absage klang wenig einleuchtend. Angeblich habe Trumps Dienst-Hubschrauber wetterbedingt nicht starten können. Nun, natürlich können die Hubschrauber des Präsidenten etwa vom Typ VH-3Ds und VH-60N auch fliegen, wenn es nieselt. Es machte danach schnell das Gerücht die Runde, Trump habe sich vor allem Sorge um seine Frisur gemacht.
Jetzt hat die Zeitschrift The Atlantic die Sache nochmal aufgerollt. In einem am Donnerstag veröffentlichten Artikel wird ein US-Präsident beschrieben, der zum einen wohl tatsächlich fürchtete, seine sorgsam geföhnten Haare würden dem Regen nicht standhalten. Vielmehr aber zeichnet Atlantic-Chefredakteur Jeffrey Goldberg das Bild eines Mannes, der im Grunde nicht versteht, warum überhaupt irgendwer für irgendetwas in den Kampf zieht. "Ich kapiere es nicht. Was springt dabei für sie raus?", wird Trump zitiert.
Das Magazin beruft sich im Wesentlichen auf vier anonyme Quellen, die die Diskussionen im Vorfeld der Absage des Besuches auf dem Soldatenfriedhof angeblich aus nächster Nähe mitbekommen haben wollen. Trump solle demnach Mitarbeiter gefragt haben: "Warum sollte ich zu diesem Friedhof gehen? Er ist gefüllt mit Verlierern." In einer weiteren Diskussion soll Trump die gefallenen US-Soldaten allesamt als "Suckers" bezeichnet haben, als Trottel, weil sie sich haben töten lassen.
Zu anderer Gelegenheit ging es um die Planung einer Militärparade in Washington und die Frage, ob auch invalide Ex-Soldaten mitmarschieren sollen, Beinamputierte etwa. Trump hat das abgelehnt mit der Bemerkung: "Niemand will das sehen."
In einem Land, das kaum etwas so hochhält, wie soldatisches Heldentum, grenzen solche Aussagen an politischen Selbstmord. Und für einen Präsidenten, dessen Wahlsieg nicht unwesentlich von der Unterstützung aktiver und ehemaliger Militärangehöriger abhängt, ist so eine Geschichte mehr als ungemütlich.
Nach einer Umfrage, die jüngst von der Zeitung The Military Times in Auftrag gegeben wurde, hat die Hälfte der Angehörigen der Streitkräfte ein schlechtes Bild von Trump, und nur 37 Prozent haben demnach vor, ihn im Herbst zu wählen.
Trump hat sich also große Mühe gegeben, seine angeblichen Aussagen zu dementieren. Noch am Donnerstagabend erklärt er während eines sieben Minuten langen Monologs am Rande einer Wahlkampfveranstaltung, er sei bereit "auf alles zu schwören, dass ich das niemals über unsere gefallenen Helden gesagt habe". Denn "niemand" respektiere das Militär so sehr wie er. Sein Presseteam war am Freitag unterwegs, um die Darstellungen im Atlantic als falsch, als Lüge und als Schmierenkampagne hinzustellen.
Am Freitag trat Trump selbst noch einmal im Weißen Haus vor die Presse. Es sei mal wieder eine "Hexenjagd" gegen ihn im Gange, erklärte er. Die ganze Sache sei ein "Hoax", eine erfundene Geschichte mit dem Ziel, ihm zu schaden.
First Lady Melania Trump verteidigte ihren Ehemann. Die Geschichte des Atlantic sei "nicht wahr". Bemerkenswert ist auch Trumps Aussage zu seinem Besuch in Frankreich, über die CNN berichtet. Demnach behauptet der Präsident, er habe damals seine Frau in Washington angerufen, um ihr zu sagen, wie enttäuscht er sei, dass er nicht mit zu dem Militärfriedhof fahren konnte. Dieses Aussage ist offensichtlich ausgedacht, da Melania während des Besuch bei ihm in Frankreich war und nicht in Washington.
Das Weiße Haus fährt zehn Mitarbeiter aus dem Umfeld des Präsidenten auf, die die Story zurückweisen. Auffallend ist aber, dass sich Trumps damaliger Stabschef John Kelly nicht darunter befindet. Er hatte Trump 2018 auf dem Friedhof vertreten müssen.
Die Geschichte ist von anderen Medien wie der Nachrichtenagentur AP, der Washington Post und auch dem Lieblingssender von Donald Trump, Fox News inzwischen bestätigt worden.
Der Verlierer und Trottel ist Trump, sagt ein Ex-General
Für Trumps Herausforderer Joe Biden kommen die Enthüllungen wie gerufen. Er dürfte am Freitag vielen US-Amerikanern aus der Seele gesprochen haben, die Söhne und Töchter haben, die im Einsatz sind oder im Einsatz gefallen sind.
Biden sagte, sein Sohn Beau Biden, der 2015 an Hirnkrebs gestorben ist, sei "kein Trottel", nur weil er im Irak gedient habe. Biden fragte seine Zuschauer: "Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie jetzt ein Kind in Afghanistan hätten? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie einen Sohn, eine Tochter, einen Ehemann oder eine Ehefrau verlieren würden? Wie würden Sie sich wirklich fühlen?"
In einem Video der progressiven Plattform VoteVets.org geben die Eltern von gefallenen Soldaten Antwort. "Mein Sohn ist kein Verlierer", sagt eine Mutter. "Mein Sohn ist kein Trottel", sagt ein Vater. "Da ist etwas, das Donald Trump nie verstehen wird", sagen sie.
Blog zur US-Wahl:Trump: USA haben noch keine Beweise für Vergiftung von Nawalny
Seine Regierung zweifle die Ergebnisse der deutschen Bundesregierung zwar nicht an, werde die Angelegenheit aber prüfen, sagt der US-Präsident. Mit Kritik an Russland hält sich Trump zurück - und betont die gute Beziehung zu Putin.
Auf Twitter hat der pensionierte General Paul Eaton eine klare Botschaft für Trump. Er habe gerade den Atlantic-Artikel gelesen, sagt er da. Jetzt wolle er Trump eines sagen: "Sie haben zu unzähligen Gelegenheiten ihre Respektlosigkeit gegenüber dem Militär gezeigt." Er wäre überrascht, wenn es im US-Militär noch irgendwen gebe, der "Sie für etwas anderes hält als einen Verlierer oder Trottel." - "Sie sind kein Patriot!" Über 3,3 Millionen Mal ist der gut zwei Minuten lange Film angesehen worden.
Trumps Sätze sind nicht auf Video oder in einer Audio-Datei festgehalten. Darum ist vieles jetzt eine Frage der Glaubwürdigkeit. Die im Atlantic zitierten Sätze jedenfalls passen in das Bild, das Trump in den vergangenen Jahren von sich gezeigt hat. Trump hatte sich etwa mehrfach - und selbst nach dessen Tod - über den 2018 verstorbenen republikanischen Senator John McCain verächtlich gemacht. McCain hatte mehrere Jahre in Kriegsgefangenschaft in Vietnam verbracht. Auf einer Konferenz 2015 sagte Trump, McCain sei "kein Kriegsheld." Er werde nur so angesehen, weil er gefangen genommen worden sei. "Ich mag Leute, die sich nicht in Gefangenschaft nehmen lassen."
In der Atlantic-Geschichte wird Trumps Beziehung zu McCain noch einmal untersucht. Als es 2018 um dessen Beerdigung ging, soll er seinen Leuten gesagt haben: "Wir werden die Beerdigung dieses Verlierers nicht unterstützen." Er sei dann außer sich gewesen, als er bemerkt habe, dass die Flaggen vor Bundesgebäuden zu Ehren von McCain auf Halbmast gesetzt wurden. "Wofür zum Teufel machen wir das? Der Typ war ein verdammter Verlierer", soll er gewütet haben.
Trump dementiert auch das. In einer Reihe von Tweets behauptet er, er habe McCain nie einen Verlierer genannt. Und die Flaggen seien auf seinen Wunsch auf Halbmast gesetzt worden.
Beides scheint nicht wahr zu sein: Trump hat 2015 einen Twitter-Beitrag retweetet, in dem er mit dem Satz zitiert wird, "John McCain Is 'A Loser". Miley Taylor, früherer Mitarbeiter des Heimatschutzministeriums, schreibt zu der Halbmast-Frage auf Twitter: "Mr. President, das ist nicht wahr." Trump sei sauer gewesen, dass Taylors Haus die Bundesbehörden angewiesen habe, die Flaggen vor ihren Gebäuden auf Halbmast zu setzen. Das wisse er, weil "Ihre Mitarbeiter mich angerufen haben und mir das gesagt haben", schreibt Taylor.
Trump hat sich dem Dienst im Vietnam-Krieg übrigens mit drei ärztlichen Attesten entzogen. Immer wegen eines angeblichen Fersensporns.