Die USA und Ägypten:Freiheit unter Vorbehalt

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Hosni Mubarak ist Barack Obamas wichtigster Verbündeter im Nahen Osten. Deshalb fordern die USA nur halbherzig Reformen - sie brauchen Mubarak als Bastion gegen die Islamisten. Aus US-Sicht droht sonst ein Albtraum.

R. Klüver, Washington

Als hätten die USA nicht schon genug Scherereien im Nahen Osten. Zwischen Israelis und Palästinensern geht so erschreckend wenig, dass Barack Obama den einst mit Macht geforderten Friedensschluss in seiner Rede am Dienstagabend im Kongress nicht mit einem Wort erwähnte. In Tunesien waren die Amerikaner so vom Sturz des Diktators überrascht, dass es ihnen erst einmal die Sprache verschlug. Und im Libanon wurde ein Freund Washingtons an der Regierungsspitze von einem pro-syrischen Premier abgelöst. Jetzt also auch noch Ägypten.

Hosni Mubarak und Barack Obama: Die Proteste stellen Washington vor ein Dilemma. (Foto: REUTERS)

Aus US-Sicht könnte sich die Lage zum Albtraum entwickeln, wenn sich die in Ägypten - im Gegensatz etwa zu Tunesien - so starken Islamisten die Unruhe zunutze machen und an die Regierung kommen. "Das würde eine fundamentale Verschiebung der Machtstruktur in der Region zur Folge haben, die eine weit größere Bedrohung für US-Interessen darstellen würde als die iranische Revolution", heißt es in einer Studie des renommierten Council on Foreign Relations.

Tatsächlich stellen die Massenproteste auf Kairos Straßen die US-Regierung vor ein Dilemma. Auf der einen Seite ist es erklärte Politik Obamas, Meinungsfreiheit und Menschenrechte weltweit zu stützen. Auf der anderen Seite ist Hosni Mubaraks Regierung Amerikas wichtigster Verbündeter in der Region. Seit Jahrzehnten hat Kairo verlässlich die US-Interessen vertreten. Nur nach Afghanistan, Israel und in den Irak fließen mehr US-Hilfsgelder. Allein Ägyptens Armee wird jährlich mit 1,3 Milliarden Dollar gepäppelt, eine Armee, die offenkundig nicht nur der Landesverteidigung dient, sondern auch dem Schutz des Regimes im Inneren. Am Mittwoch tauchten erste Gerüchte auf, dass in der Hafenstadt Suez Soldaten eingesetzt wurden, um die Demonstranten in Schach zu halten - mutmaßlich mit Waffen und Geräten, die von den USA finanziert wurden.

Die Unentschlossenheit in Washington war zur Wochenmitte deutlich zu spüren. "Wir beobachten die Situation", gab Präsidentensprecher Robert Gibbs etwas naiv zu Protokoll und ergänzte das mit einem Allgemeinplatz: "Wir unterstützen überall das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit." Gibbs verwies auf die Rede seines Bosses vor nun bald zwei Jahren in Kairo, in der Obama die Autokratenregime im Nahen Osten daran erinnert hatte, dass auch die Menschen in der arabischen Welt sich nach ein bisschen mehr Freiheit sehnen. Setzte dann aber hinzu: "Ägypten ist ein wichtiger Verbündeter."

Auch Außenministerin Hillary Clinton sprach in sorgsam gewählten Worten. "Wir rufen alle beteiligten Parteien zur Zurückhaltung und zum Verzicht auf Gewaltanwendung auf", sagte sie und mahnte das Regime in Kairo, den Protesten ihren Lauf zu lassen und die Kommunikationsmittel des Protests, Twitter und Facebook, nicht zu stören - ein Appell, der offenkundig von Mubaraks Sicherheitsapparat nicht so richtig verstanden wurde.

Allerdings dürfte dem Regime in Kairo eine weitere Formulierung Clintons nicht entgangen sein. Sie forderte die Regierung auf, endlich mit lange (auch von den USA) geforderten Reformen Ernst zu machen, und fügte hinzu: "Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, mit Ägypten und mit dem ägyptischen Volk zusammenzuarbeiten, um diese Ziele voranzutreiben." Das dürfte ein Hinweis darauf sein, dass Washington die Kontakte zur Opposition ausbaut, so es denn geht. Denn die bei weitem größte und einflussreichste Oppositionsgruppe ist die nicht gerade Amerika-freundliche Muslimbruderschaft.

US-Diplomaten bemühen sich um Gespräche mit allen Oppositionsgruppen, nicht nur mit linken und liberalen Regimegegnern. "Allein das wird das Verhalten von Mubaraks Regime nur wenig ändern", heißt es indes in einem Papier der Brookings Institution, einer der angesehensten Washingtoner politischen Forschungseinrichtungen. "Aber das ist vielleicht auch gar nicht nötig. Viel wichtiger ist es, den Ägyptern die klare Botschaft zu vermitteln, dass wir ihr Streben nach Demokratie fördern und das Regime nicht mehr ohne Wenn und Aber unterstützen."

Dass das genau so in Ägypten verstanden - und geschätzt - wird, dürfte die Hoffnung der US-Regierung sein. Die Alternativen wären in der Tat für Washington nicht erfreulich. Selbst wenn sich nicht die Islamisten durchsetzen würden: Jedem anderen Regime würde es nach einem Sturz Mubaraks wegen der starken antiamerikanischen Stimmung im Land wohl schwerfallen, weiterhin so eng mit den USA zusammenzuarbeiten.

© SZ vom 28.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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