Diplomatie:Deutschland weist zwei iranische Diplomaten aus

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Geiseldiplomatie im Gottesstaat: Irans Präsident Ebrahim Raisi im Februar bei einem Auftritt in Teheran. (Foto: Iranian Presidency/Imago)

Die Bundesregierung reagiert damit auf das Todesurteil gegen den Deutschiraner Jamshid Sharmahd. Ein Revolutionsgericht hatte den 67-Jährigen in einem Schauprozess der Planung von 23 Terrorangriffen für schuldig befunden.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin, und Dunja Ramadan, Berlin/München

Stille, das hatte Gazelle Sharmahd zuletzt aus Iran vernommen. Sie wusste, dass ein Revolutionsgericht in Teheran am 10. Januar den letzten Verhandlungstag eines Schauprozesses gegen ihren Vater Jamshid Sharmahd geführt hatte. Den Vorsitz hatte Abolqasem Salavati inne, bekannt als "Richter des Todes" und von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt. Doch welches Urteil er über den 67-jährigen Deutschiraner gesprochen hat, das war bislang offen geblieben.

Das Szenario eines möglichen Todesurteils hatte sie immer im Kopf. Erst Mitte Januar schickte sie per Videobotschaft einen Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz. "Ich möchte wenigstens mit meinem Vater reden, bevor er hingerichtet und ermordet wird." Am Dienstag kam nun die grausame Gewissheit: Laut der zur iranischen Justiz gehörenden Nachrichtenagentur Mizan verhängten die Richter die Todesstrafe gegen Sharmahd.

Er sei schuldig befunden worden der "Korruption auf Erden", zitieren iranische Staatsmedien das Urteil, ein mit der Todesstrafe bedrohter Sammeltatbestand, den das Regime oft zum Vorgehen gegen politische Dissidenten nutzt. Konkret legten ihm die Richter die Planung und Anleitung von 23 terroristischen Attacken zur Last, von denen fünf zur Ausführung gelangt seien. Der schwerwiegendste darunter ist ein Bombenanschlag auf eine Moschee in der Stadt Schiras im April 2008, bei dem 14 Menschen getötet wurden. Zudem habe er als Anführer der monarchistischen Oppositionsgruppe "Tondar", was so viel wie Donner heißt, mit den Geheimdiensten der USA und Israels in Kontakt gestanden.

Seit 1995 ist Sharmahd deutscher Staatsbürger

Sharmahds Familie hat die Anschuldigungen immer bestritten. Er habe lediglich die Internetseite von Tondar erstellt und die Radio- und Videoübertragungen der Gruppe moderiert, die auch unter dem Namen "Kingdom Assembly of Iran" bekannt ist. Sie strebt an, das Persische Reich von vor 1400 Jahren wiederaufleben zu lassen. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International versucht die Gruppe aber auch, mit Gewalt ein Ende der Islamischen Republik herbeizuführen.

Sharmahd war im Alter von sieben Jahren nach Deutschland gekommen, seine Kinder wuchsen in Hannover auf. Seit 1995 ist der Software-Ingenieur, der zeitweise für Siemens gearbeitet hat, auch deutscher Staatsbürger. Im Jahr 2003 zog er mit seiner Familie in die USA und hatte dort eine ständige Aufenthaltserlaubnis. Er lebte in Los Angeles, wo er sich der Exil-Opposition anschloss.

Jamshid Sharmahd, aufgenommen am 6. Februar. (Foto: Koosha Mahshid Falahi/Mizan News Agency/AFP)

Berlin weist iranische Diplomaten aus

Sein Fall hat das Potenzial, das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Iran und den westlichen Staaten drastisch weiter zu verschlechtern, vor allem die Beziehungen zwischen Teheran und Berlin. Die Bundesregierung weist als Reaktion auf das Todesurteil am Mittwoch zwei Angehörige der iranischen Botschaft aus. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte, sie habe angesichts des Todesurteils den Geschäftsträger der iranischen Botschaft einbestellen lassen. Eine solche Einbestellung gilt als scharfes diplomatisches Mittel. Ihm sei mitgeteilt worden, "dass wir die massive Verletzung der Rechte eines deutschen Staatsangehörigen nicht akzeptieren", teilte die Außenministerin weiter mit. Baerbock betonte: "Wir fordern Iran auf, das Todesurteil für Jamshid Sharmahd zu widerrufen und ihm ein faires und rechtsstaatliches Berufungsverfahren zu ermöglichen."

Baerbock hatte bereits am Dienstag erklärt: "Das Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd ist absolut inakzeptabel. Wir fordern Iran dazu auf, diese Mängel im Berufungsverfahren abzustellen, das Urteil entsprechend zu korrigieren und von der Todesstrafe abzusehen." Laut der iranischen Justiz kann das Urteil vor dem Obersten Gericht angefochten werden.

Baerbock sagte weiter, nicht nur sei die Todesstrafe grausam, unmenschlich und erniedrigend. Sharmahd habe auch zu keinem Zeitpunkt einen fairen Prozess gehabt. So sei ihm ein frei gewählter Rechtsbeistand verwehrt worden. Zudem sei die öffentliche Zurschaustellung des Angeklagten einer Vorverurteilung gleichgekommen. Sharmahd war im blauen Sträflingsanzug im Fernsehen vorgeführt worden; zuvor hatten Staatsmedien Videoaufnahmen eines angeblichen Geständnisses veröffentlicht, das vermutlich mit Folter erzwungen worden war, sowie Aufnahmen, nachdem er, mutmaßlich von Agenten der Revolutionsgarden, nach Teheran gebracht worden war.

Westliche Diplomaten werfen Teheran "Geiseldiplomatie" vor

Das Auswärtige Amt habe sich seit der "unter höchst fragwürdigen Umständen zustande gekommenen Festnahme" immer wieder und hochrangig für Sharmahd eingesetzt. Diese intensiven Bemühungen habe Iran missachtet. Sharmahd war Ende Juli 2020 während einer Reise von Frankfurt nach Mumbai bei einem Zwischenstopp in Dubai nach Angaben seiner Familie aus einem Hotelzimmer vom iranischen Geheimdienst zunächst nach Oman verschleppt und dann nach Iran gebracht worden.

Gazelle Sharmahd hatte über soziale Medien an Scholz und Baerbock appelliert, mit "allen möglichen Hebeln" ein Todesurteil gegen ihren Vater zu verhindern. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz übernahm kurz vor dem letzten Verhandlungstag eine "politische Patenschaft" für Sharmahd und forderte von den iranischen Behörden und Gerichten "Aufklärung über den Gesundheitszustand, die Haftbedingungen und die Umstände, die zur Verhaftung" geführt hatten. Das Urteil gegen Sharmahd bezeichnete Merz am Dienstag auf Twitter als "Affront". Er forderte, die diplomatischen Beziehungen zu Iran auf die Geschäftsträger-Ebene zurückzustufen.

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Allerdings hatte sich das Auswärtige Amt schon zuvor vergebens für Sharmahd eingesetzt, der mehr als 900 Tage in Einzel- und Isolationshaft verbracht hat. Iran verweigerte den deutschen Diplomaten eine konsularische Betreuung und den Zugang zu den Prozessterminen. Iran erkennt doppelte Staatsangehörigkeiten nicht an und behandelt Menschen, die in Iran geboren wurden, und oft auch ihre Nachkommen als Bürger der Islamischen Republik. Das Auswärtige Amt warnt deshalb Doppelstaatler ausdrücklich vor Reisen nach Iran.

Westliche Diplomaten werfen dem Hardliner-Regime in Iran "Geiseldiplomatie" vor. Iran versuche mit der Verhaftung von Ausländern und harschen Urteilen gegen sie Verhandlungsmasse aufzubauen. Sie würden allgemein als politisches Druckmittel genutzt. Ebenfalls am Dienstag wurde ein Österreicher in Iran zu lebenslanger Haft wegen angeblicher Spionage verurteilt. Teheran versuche aber auch, im Ausland verurteilte Handlanger des Regimes per Gefangenenaustausch freizupressen.

Möglicherweise fasse das Regime ins Auge, dem Westen einen Deal mit mehreren Elementen abzunötigen, lautet eine Mutmaßung mit Blick auf das Atomprogramm. Inspektoren der IAEA hatten jüngst Uranpartikel mit einem Anreicherungsgrad von 84 Prozent festgestellt, also fast das für Waffen nötige Niveau. Amnesty International forderte, die Bundesregierung müsse nun öffentlich Druck auf Iran machen, statt stille Diplomatie zu betreiben. Dem würde wohl auch Gazelle Sharmahd zustimmen - geäußert hatte sie sich bis zum frühen Dienstagabend zu dem Urteil gegen ihren Vater nicht.

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