Macht und Mensch - das ist für Steinmeier ohnehin ein besonderes Kapitel. Über beides mag er selten reden, vor allem wenn es konkret wird. Das dürfte daran liegen, dass er die Kälte und die Wärme dieses Wortpaars auch selbst verkörpert. Hier der Kanzleramtsminister, der in Zeiten des Terrors hart blieb, auch gegenüber dem Deutsch-Türken Murat Kurnaz, der jahrelang unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo einsaß; dort der Ehemann, der seiner Frau im August 2010 mit einer Nierenspende das Leben gerettet hat. Bei einer zufälligen Begegnung Wochen nach der Operation hat er erzählt, wie viel wichtiger dieses Leben sei im Vergleich zu allem, was Politik einem biete. Es klang ehrlich, und es klang für einen Moment sogar so, als könnte er aufhören - obwohl er später wieder sehr gerne Außenminister wurde. Der Fall Kurnaz und die Nierenspende sind die Pole, die Steinmeier als Person und Politiker ausmachen.
Vielleicht ist er auch deshalb nicht von Anfang an ein begeisterter Kandidat gewesen. Er ahnte, dass sich der Blick wieder auf seine ganze Geschichte, nicht nur die der Diplomatie, richten würde. Als Sigmar Gabriel seinen Namen vor zwei Jahren erstmals ins Spiel brachte, reagierte Steinmeier deshalb angesäuert. Damals steckte er mittendrin in der Rolle des Außenministers, kämpfte um das Atomabkommen mit Iran, verhandelte in Minsk zur Rettung der Ukraine, warb in Teheran und Riad für internationale Syriengespräche. Es war Steinmeiers Blütezeit: Er war überall dabei und - noch - fragte niemand, ob er irgendwas erreichen würde.
Spätestens im Sommer 2016 drehte sich dann seine Stimmung. In Syrien blieb es schrecklich, in der Ukraine wurde es nicht besser. Der deutsche Wahlkampf kam in Sichtweite, und Steinmeier begann, auf tausend Hochzeiten gleichzeitig aufzutreten. Ganz so, als wolle er zeigen, dass die Experten auf dem Historikerkongress ihn genauso beklatschen wie die Honoratioren, die ihm den Toleranzpreis der Evangelischen Akademie in Tutzing verliehen haben. Je schlechter die Perspektiven auf dem diplomatischen Parkett, desto stärker nahm er Termine wahr, die darüber hinauszielten. Das wirkte wie eine Bewerbung, auch wenn es keine sein sollte.
Eines war damals nicht klar und zeigt sich jetzt umso mehr: dass Steinmeier auf keinen Fall alleine ins Schloss Bellevue umziehen wird. Längst steht fest, dass ein Staatssekretär, der Planungschef, der Redenschreiber, die Parlamentsexpertin und sehr wahrscheinlich der Leiter der Kulturabteilung mitgehen werden. Nicht nur der künftige Präsident, auch seine Leute müssen sich auf viel Neues einstellen.