Außenminister Sigmar Gabriel:Große Ziele - wenig Zeit

German Foreign Minister Sigmar Gabriel speaks to the media outside of German House in New York

Freundlich-selbstbewusster Auftritt: Sigmar Gabriel in New York.

(Foto: REUTERS)

Der neue Außenminister Gabriel mahnt die Europäer, ihr Schicksal endlich selbst in die Hand zu nehmen. Ihm selbst dürfte allerdings nur wenig Zeit bleiben, um das als Minister voranzutreiben.

Kommentar von Stefan Braun

Gemessen daran, wie undiplomatisch deutlich, gar ruppig Sigmar Gabriel sein kann, hat der neue deutsche Außenminister sein Amt außerordentlich diplomatisch begonnen. Einem freundschaftlich-zugewandten Besuch in Paris folgte eine freundlich-selbstbewusste Visite in den Vereinigten Staaten.

Der Noch-SPD-Vorsitzende streckte dort sprichwörtlich die Hand aus und warnte zugleich davor, sich dem neuen Ton und radikalen Machtanspruch des Weißen Hauses zu unterwerfen. Deutschland müsse sich nicht verstecken, könne selbstbewusst sein, habe was zu bieten - es war eine kluge Replik Gabriels auf die garstigen Töne des neuen US-Präsidenten.

Außerdem sprach er etwas aus, das derzeit viele europäische Politiker lieber verschweigen. Ärgern, so Gabriel, sollte man sich nicht über die Zweifel anderer an Europa. Mit anderen Worten: Europa solle nicht Donald Trump zürnen, auch wenn der den Kontinent noch so sehr attackiere.

Nein, der Augenblick sei gekommen, in dem die EU selbst endlich ihr Schicksal in die Hand nehmen müsse. Klug war das, weil es auf den billigen Zorn verzichtet, der schnell von den eigenen Aufgaben ablenkt. Und ambitioniert war es, weil ein intelligenter Satz alleine in Europa nichts ändert.

Hier nun stößt Gabriel auf sein größtes Problem, das er bis zur Bundestagswahl nicht mehr loswerden dürfte. Der Sozialdemokrat muss mit einem Widerspruch leben, den er selbst geschaffen hat. Rund um seinen Rücktritt als Parteichef erklärte er ausführlich, warum die SPD aus der großen Koalition rausmüsse. Nicht gut sei das, nicht für die SPD und nicht für das demokratische Gleichgewicht im Lande.

Im Regierungsamt von null auf hundert

Damit hat sich Gabriel, ob er es wollte oder nicht, in Widerspruch gebracht mit der eigenen neuen Aufgabe. Sollte der neue SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz tatsächlich schaffen, was auch Gabriel offiziell mit erkämpfen möchte, dann wird das Auswärtige Amt nur in einem absoluten Ausnahmefall bei der SPD, also in Gabriels Händen, bleiben.

Nun kann das im Normalfall als Petitesse beschrieben werden. Wahlen beenden Amtszeiten, das ist nun mal so in demokratischen Ländern. Selten freilich muss ein Minister in einem zentralen Regierungsamt von null auf hundert starten, obwohl sein Handeln parteipolitisch darauf abzielt, es wieder loszuwerden.

Das wäre schon in ganz gewöhnlichen Zeiten merkwürdig. In Zeiten wie diesen aber, in denen es um die Zukunft und den Fortbestand einer liberalen, weltoffenen, kooperierenden westlichen Welt geht, kann es besonders abstrus wirken - und gravierende Folgen haben.

Gabriel müsste die EU zur Herzensangelegenheit machen

Wenn Gabriel versucht, das umzusetzen, was er in Washington anmahnte - einen kollektiven Großeinsatz zur Rettung Europas - dann muss er viel mehr tun als schöne Worte finden. Nimmt man seine alarmierende Tonlage, dann müsste er sich wie keiner seiner Vorgänger um die Freunde und Zweifler in Europa kümmern.

Dann müsste er den Zusammenhalt der EU zu seiner Herzensangelegenheit machen, müsste unentwegt unterwegs sein zwischen Lissabon und Warschau, zwischen Stockholm und Athen. Müsste sich lösen vom Lissabonvertrag, der Europa in die Hände der Regierungschefs gelegt hat. Und er müsste es schaffen, wenigstens in einem Punkt bei den Deutschen für mehr Solidarität für Europa zu werben.

Beim Stand jetzt kann das nur heißen, den EU-Partnern in der Flüchtlings- oder der Schuldenpolitik deutlich entgegenzukommen. Dem freilich steht nicht nur eine Union aus CDU und CSU entgegen, die das ablehnt. Auch in der SPD bräuchte es einen Gabriel, der mit Leidenschaft, Klugheit und großem Einfluss für mehr Großzügigkeit werben könnte. Das dürfte schwer werden für den neuen Außenminister.

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