Berlin:Demonstrationsverbot: Warten auf Gerichtsentscheid

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Menschen demonstrieren gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen. (Foto: Fabian Strauch/dpa/Archivbild)

Nach dem Verbot der geplanten Demonstration in Berlin gegen die Corona-Politik liegt eine erste Entscheidung dazu beim Berliner Verwaltungsgericht. Die...

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Berlin (dpa/bb) - Nach dem Verbot der geplanten Demonstration in Berlin gegen die Corona-Politik liegt eine erste Entscheidung dazu beim Berliner Verwaltungsgericht. Die Veranstalter-Initiative Querdenken 711 aus Stuttgart legte erwartungsgemäß Widerspruch gegen die Verbotsverfügung der Berliner Polizei ein. Ein entsprechender Eilantrag sei am Donnerstag per Fax eingegangen, sagte ein Gerichtssprecher. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts falle wahrscheinlich am Freitag.

Unterdessen bereitete sich die Polizei auf das Wochenende und besonders den Samstag vor. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte bereits angekündigt, sie werde mit mehreren Tausend Beamten präsent sein, um entweder das Demonstrationsverbot oder aber harte Bestimmungen für die Protestierer durchzusetzen.

Polizisten luden am Donnerstag zahlreiche Absperrgitter an den Straßen im Regierungsviertel nahe dem Reichstagsgebäude und dem Bundeskanzleramt ab. Damit können große Bereiche relativ unkompliziert abgeriegelt werden. Schon im Frühling und im Frühsommer hatten die Sicherheitskräfte mit weiträumigen Absperrungen versucht, verbotene Demonstrationen oder zu große Menschenansammlungen an einzelnen Plätzen zu verhindern. Nicht immer war ihr das auch gelungen. Anhänger von Querdenken bauten bereits in den vergangenen Tagen ein Dutzend Zelte auf einem Parkplatz im Tiergarten am Regierungsviertel auf.

Klar ist, dass die Kontroverse um die Demonstration am Freitag voraussichtlich auch die nächste Gerichtsinstanz beschäftigen wird. Sowohl Querdenken als auch Senator Geisel hatten angekündigt, wenn nötig auch vor das Oberverwaltungsgericht zu ziehen. Die Demonstrationsanmelder wollen bei einer Niederlage sogar die oberste Instanz, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, anrufen.

Zu der Kundgebung am Samstag hatte die Initiative 22 000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet. Die Versammlungsbehörde der Polizei hatte diese größere Demonstration und neun weitere kleinere Veranstaltungen am Mittwoch verboten.

In der neunseitigen Verfügung hatte sie das Verbot mit dem Gesundheitsschutz für die Bevölkerung begründet. Schon bei der letzten Demonstration am 1. August mit 30 000 Teilnehmern habe sich gezeigt, dass die meisten Menschen weder einen Sicherheitsabstand eingehalten noch Masken getragen hätten. Daher sei eine Versammlung von noch mehr erwarteten Menschen, die die Corona-Schutzmaßnahmen im Alltag wie auch bei Demonstrationen ablehnten und ignorierten und so das Virus verstärkt verbreiten würden, zu gefährlich. Das Infektionsrisiko werde so „exponentiell gesteigert“.

Dass die Polizei nun von 30 000 Menschen am 1. August schrieb, sorgte für einige Verwunderung. Bisher hatte sie immer auf der Zahl von 20 000 Demonstranten beharrt. Über die Angaben war heftig gestritten worden, weil die Demonstranten der Polizei vorwarfen, die Zahl aus politischen Gründen zu niedrig anzusetzen.

Innensenator Geisel betonte, das Verbot sei nicht aus politischen Gründen erfolgt. Am Mittwoch hatte er erklärt: „Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird.“ Im RBB-Inforadio sagte er nun, auch er habe das Recht, eine politische Meinung zu haben. Aber: „Vor Gericht zählt nur die Verbotsverfügung, nicht meine politische Haltung.“ Aber dass der Staat, die Demokratie wehrhaft sein müsse, und auch eine politische Haltung einnehme, sei seine Überzeugung.

Die Initiative Querdenken 711 und ihre Anwälte kritisierten hingegen besonders den Berliner Senat, der die Protestierer aus der Hauptstadt fernhalten wolle. Der Initiator der Demonstration, Michael Ballweg, teilte mit, es gehe „nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, (...) sondern ausschließlich um die Gesinnung der Teilnehmer“. Die Anwälte zeigten sich sicher, dass die Gerichte das Verbot nicht hinnehmen werden.

Aus Protest gegen das Verbot sind bei der Berliner Polizei mehr als 1000 neue Demonstrationen für das Wochenende angemeldet worden. Man erwarte, dass diese Zahl noch weiter steigen werde, weil entsprechende Aufrufe im Internet kursierten, sagte eine Polizeisprecherin. Eine Demonstration lässt sich einfach und schnell über ein Formular auf der Internetseite der Polizei anmelden. Im Internet waren bereits Aufrufe erschienen, trotz des Verbots in die Hauptstadt zu reisen und zu protestieren. Teilweise wurden dabei Gewalt und politischer Umsturz gefordert.

Innensenator Geisel zeigte sich laut einem „Tagesspiegel“-Bericht besorgt, dass es zu Gewalt kommen könnte. Es habe erhebliche Drohungen gegen seine Behörde und die Polizei gegeben. Im RBB-Inforadio sagte er, am 1. August seien 3000 bis 4000 Neonazis unter den 20 000 bis 30 000 Demonstranten gewesen. „Wir erwarten am Wochenende einige Tausend Neonazis mehr, auch einige Tausend Demonstranten mehr.“

Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz spielen Rechtsextremisten allerdings keine führende Rolle bei den Demonstrationen. Rechtsextremistische Parteien hätten immer wieder vergeblich versucht, Einfluss zu nehmen, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang dem ARD-Magazin „Kontraste“. Der Verfassungsschutz sehe bei den Demonstrationen „eine große Anzahl von Menschen, die den unterschiedlichsten Verschwörungstheorien anhängen“. Das sei aber alles im Bereich dessen, „was sich noch auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt“.

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