DDR:Der Mann, der Erich Honecker bei sich zu Hause aufnahm, ist tot

Lesezeit: 2 Min.

Uwe Holmer, der ehemalige Leiter der Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal bei Berlin, vor seinem Wohnhaus, in dem zehn Wochen lang auch die Honeckers nächtigten. (Foto: Imago)

Im Januar 1990 stand Uwe Holmer schlagartig im internationalen Rampenlicht: Der Pastor ließ den gestürzten Machthaber und seine Ehefrau Margot bei sich einziehen. Bereut hat er es nie.

Ein Pastor, der einem gestürzten Machthaber Asyl gewährt, bei sich daheim im Pfarrhaus. Der Erich Honecker und seine Frau zehn Wochen lang bei sich wohnen lässt. Damit ist Uwe Holmer bekannt geworden, die Aktion brachte ihm Zuspruch wie Anfeindungen ein, sie wurde sogar verfilmt. Nun ist Holmer tot, er starb am Montag im Alter von 94 Jahren. Das teilte das Diakoniewerk im mecklenburgischen Serrahn mit.

Der evangelische Pastor hatte den gestürzten DDR-Staatschef und dessen Frau Margot Anfang 1990 bei sich aufgenommen. Er leitete damals die Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal bei Berlin, in denen etwa 650 Beschäftigte mehr als 1000 Menschen mit Behinderung, Senioren und Suchtkranke betreuten. Als die Funktionärssiedlung Wandlitz, wo diverse Größen des sozialistischen DDR-Regimes lebten, aufgelöst wurde, wussten Honecker und seine Frau nicht mehr, wo sie bleiben sollten.

Erich Honecker hatte im Oktober 1989 alle Ämter als Staats- und Parteichef verloren und gerade eine Krebsoperation hinter sich. Seine Frau war jahrzehntelang Volksbildungsministerin gewesen und war ihren Posten ebenfalls los. "Damals ließ der DDR-Rechtsanwalt Wolfgang Vogel bei der Kirche anfragen, ob sie ,Erich und Margot' aufnehmen würde", erzählte Holmer 2020 der Deutschen Presse-Agentur. Auf die Kritik, dass er einem Despoten half, entgegnete er: "Wir haben dann gesagt, der neue Weg kann nur gelingen, wenn der Wandel in Frieden geschieht."

Rückblickend habe sich das bewahrheitet, sagte Holmer und fügte hinzu: "Ich würde es wieder tun und habe das auch nie bereut."

Margot und Erich Honecker vor der Charité im Januar 1990. (Foto: ---/DPA)

Seine Erlebnisse hat er in dem Buch "Der Mann, bei dem Honecker wohnte" (2009) beschrieben. Die Aufnahme der Honeckers resultierte auch aus Holmers Glaubensüberzeugungen. So schrieb er: "Wir bedachten, dass wir an jedem Sonntag in unserer voll besetzten Kirche im Vaterunser beten: ,Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.' Könnten wir das ehrlich weiterbeten, wenn wir das nicht auch praktizieren?"

"Tatort"-Star Jan Josef Liefers verfilmte die Geschichte; das ZDF strahlte den Film "Honecker und der Pastor" im März 2022 aus. Die Rolle von Holmer übernahm der Schauspieler Hans-Uwe Bauer. Kurz vor der Ausstrahlung des Films mahnte Holmer: "Man sollte seine politischen Gegner nie so verachten, dass man später nicht mehr mit ihnen zusammenarbeiten kann." Für Liefers' Werk hatte er lobende Worte: "Das Anliegen von damals ist im Film gut getroffen."

Margot Honecker schickte Briefe aus Chile

Uwe Holmer war nach seinem Theologie-Studium bis 1967 Landpfarrer im mecklenburgischen Leussow, anschließend Direktor der Bibelschule Falkenberg in Berlin. 1983 wurde er dann Leiter der Hoffnungstaler Anstalten. Nach der deutschen Wiedervereinigung gehörte er zum Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, einem Netzwerk konservativer Protestanten. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er erneut, eine Witwe mit fünf Kindern.

Uwe Holmer im Jahr 2020. (Foto: Bernd Wüstneck/DPA)

Der Pastor stammte gebürtig aus Wismar, im Jahr 1994 zog er wieder nach Mecklenburg-Vorpommern, nach Serrahn. Zum Ehepaar Honecker hatte er nach dessen Ausreise nach Chile noch mehrere Jahre Kontakt. Erich Honecker starb bereits 1994. Lange seien aber noch Briefe von Margot Honecker aus Chile zu Weihnachten gekommen, die immer dankbar für die Hilfe damals gewesen sei, so Holmer. Nach ihrem Tod 2016 hätten sich aber weder ein Enkel noch die Tochter der Familie noch einmal gemeldet.

"Uwe Holmer ist bis zum Schluss ein Mensch gewesen, der aus einer tiefen Frömmigkeit heraus gelebt hat", sagte der Bischof im Nordkirchen-Sprengel Mecklenburg und Pommern, Tilman Jeremias. "Aus dieser Haltung heraus konnte er auch gegenüber einem Sozialisten und Atheisten wie Erich Honecker Nächstenliebe leben." Holmer habe die Landeskirche um seinen konservativ-evangelikal geprägten Glauben bereichert.

© SZ/dpa/KNA/kast - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDoku "Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen"
:Ost in Translation

Die aus Güstrow stammende Jessy Wellmer zeigt erneut, dass es lohnt, sich dokumentarisch mit dem Osten zu befassen. Wie macht sie das? Mit Zuhören - und mit Widerspruch.

Von Cornelius Pollmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: