ZDF-Fernsehfilm:Wohin mit den gestürzten Diktatoren?

ZDF-Fernsehfilm: Pastor Holmer (Hans-Uwe Bauer, links) ist bereit, die Worte Nächstenliebe, Vergebung, Barmherzigkeit und Feindesliebe durchzubuchstabieren - und Honecker (Edgar Selge) aufzunehmen.

Pastor Holmer (Hans-Uwe Bauer, links) ist bereit, die Worte Nächstenliebe, Vergebung, Barmherzigkeit und Feindesliebe durchzubuchstabieren - und Honecker (Edgar Selge) aufzunehmen.

(Foto: Conny Klein/ZDF)

Als das Ehepaar Honecker 1990 bei einem Pastor Unterschlupf fand: Jan Josef Liefers blickt als Regisseur im ZDF-Film zurück auf das Ende der DDR.

Von Renate Meinhof

Sendetermine werden lange im Voraus festgelegt, weshalb es Zufall ist, dass Jan Josef Liefers' sehr gelungene Regiearbeit Honecker und der Pastor in einer Zeit ins Fernsehen kommt, in der das Paradoxon der Feindesliebe so anstößig und herausfordernd ist wie lange nicht. Eine Zeit, in der zwei Brüder- oder Schwesternvölker in den Krieg gezwungen werden, und man einen Machthaber dabei beobachtet, wie er sich über kurz oder lang aus dem Kreml bombt, von der weltpolitischen Bühne ohnehin.

An dieser Stelle bitte mal 32 Jahre zurückblenden, in den Januar 1990. Die DDR-Bürger haben gerade die Mauer zu Fall gebracht. Stasileute verwandeln sich in Regimegegner, und das Machthaber-Ehepaar Honecker steht vor der Tür eines evangelischen Pfarrhauses. Gejagte sind sie, obdachlos. Ausgerechnet ein Pfarrhaus.

Jan Josef Liefers wagt sich mit diesem Film, der zu großen Teilen Kammerspiel ist, heran an ein Stück deutsche Geschichte, das damals wie heute unglaublich erscheint. Erich Honecker ist krank, der gestürzte Machthaber hat gerade eine Operation hinter sich. Zurück in die Waldsiedlung Wandlitz, wo die DDR-Führung abgeschottet hinter Zäunen gelebt hat, kann das Paar nicht mehr. So erbarmt sich, dem Kern des Evangeliums gemäß, die Kirche der beiden, gegen Widerstand, auch von innen. Die Gier nach Rache ist groß, aber dem einstigen Staatsratsvorsitzenden muss ein ordentlicher Prozess gemacht werden - kein kurzer, wie dem Machthaberehepaar Ceauşescu in Rumänien, das ein paar Wochen zuvor schon an die Wand gestellt worden war.

Margot Honecker hatte so viele junge Menschen mit gekappten Seelen auf dem Gewissen

Mit dieser Aussicht und vor den Scherben ihrer Diktatur des Proletariats landen Margot und Erich Honecker schließlich bei Familie Holmer in Lobetal, nördlich von Berlin. Holmers sind bereit, in den eigenen vier Wänden die Worte Nächstenliebe, Vergebung, Barmherzigkeit und Feindesliebe durchzubuchstabieren. Bekennende Christen hatten es schwer im atheistischen Staat, Pfarrerskinder sowieso, und Margot Honecker, Ministerin für Volksbildung, war fast noch verhasster als ihr Mann. Ungezählte junge Menschen mit gekappten Bildungswegen und beschädigten Seelen hat sie auf dem Gewissen, Traumatisierte aus den "Jugendwerkhöfen", Umerziehungsanstalten für sogenannte Schwererziehbare. Auch Holmers ältere Kinder - zehn haben sie - hatten kein Abitur machen dürfen, waren Schikanen ausgesetzt. Nun muss Cornelius, der Jüngste, für Honeckers im Konsum einkaufen, und Traugott, der auch noch zu Hause ist, räumt sein Zimmer für das Paar. "Du musst der Traugott sein", fragt Margot Honecker ihn fordernd und spitz. "Also müssen muss ich gar nichts mehr", antwortet Traugott, als hätte er die ganze verwirrende Erleichterung der Monate nach dem 9. November 1989 in diesem einen Satz filtriert.

ZDF-Fernsehfilm: Barbara Schnitzler, Tochter des DDR-Schauspielstars Inge Keller und TV-Moderator Karl-Eduard von Schnitzler, spielt Margot Honecker (rechts Edgar Selge).

Barbara Schnitzler, Tochter des DDR-Schauspielstars Inge Keller und TV-Moderator Karl-Eduard von Schnitzler, spielt Margot Honecker (rechts Edgar Selge).

(Foto: Conny Klein/ZDF)

Barbara Schnitzler spielt Margot Honecker so, dass man im ersten Moment aufschreit: Hilfe, lebt sie etwa doch noch? Schnitzlers Margot tritt mit stählerner Selbstsicherheit in die fremde Welt der Gläubigen ein, wird aber weicher, fragender, berührbarer.

Und Erich? Edgar Selge versucht nicht, den historischen Honecker zu imitieren, die quäkende Obertonigkeit seiner Stimme, die Steifheit, das Gestanzte. Er gibt diesem Mann, der von sich glaubt, immer "bestens informiert" gewesen zu sein, ein ganz eigenes, eher leises Gepräge, gerade in den Gesprächen mit dem Pastor (Hans-Uwe Bauer), der nicht aufhören kann, seinen Gast zu missionieren, nach Reue zu fragen oder ihn mit der Wahrheit über diesen gerade untergegangen Staat zu konfrontieren. Wo Uwe Holmer von Barmherzigkeit spricht, meint Honecker Solidarität. Wo der Pastor über die Stasiopfer redet, sagt Honecker: "Wer nichts zu verbergen hatte, hatte auch nichts zu befürchten".

Sie reden aneinander vorbei und kommen sich doch näher. Und draußen, am Zaun des Pfarrhofes, stehen wütende, brüllende Menschen mit Fackeln und wollen Honecker hängen sehen oder an die Wand gestellt. Drinnen, im Dunkel des Dachzimmers, sagt der zu seiner Frau: "Sollen sie mich doch erschießen wie Ceauşescu. Mir ist das egal. Es wird ihnen nichts nützen."

Wenn es an der Zeit ist, wünscht man dem Machthaber in Moskau aus Gründen der Feindesliebe und Barmherzigkeit Menschen wie die Holmers. Die gibt es auch in Nordkorea, Belarus und Eritrea.

Honecker und der Pastor, ZDF, 20.15 Uhr und in der ZDF-Mediathek.

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