Agrarprotest:"Schulterschluss" mit den Bauern

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"Vollkommen berechtigte" Proteste: CSU-Landesgruppenchef Dobrindt (vorn li.) und Bauernverbandspräsident Rukwied (re.) in Seeon. (Foto: Peter Kneffel/DPA)

Bei ihrer Winterklausur im Kloster Seeon umschmeichelt die CSU Verbandspräsident Rukwied. Das Verhältnis war mal weniger herzlich.

Von Robert Roßmann, Kloster Seeon

Es war ein gewaltiger Auflauf, auf den die CSU gerne verzichtet hätte. Im Kloster Seeon kamen die Bundestagsabgeordneten der Partei zu ihrer Winterklausur zusammen, um in Ruhe über das neue Jahr zu reden. Doch mit der Ruhe war es nicht weit her. Denn draußen protestierten mehr als 2000 Bauern. Sie waren mit ihren Traktoren gekommen, um gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung aufzubegehren - und damit auch gegen die CSU. Das war im Januar 2020, damals saßen die Christsozialen in Berlin noch am Kabinettstisch.

Vier Jahre ist das inzwischen her. Diese Vorgeschichte sollte man kennen, um ermessen zu können, wie erleichtert die CSU-Abgeordneten jetzt sind. Auch in diesem Januar sind sie zu ihrer Klausur ins Kloster Seeon gekommen. Doch diesmal demonstrieren die Bauern nicht gegen sie - sondern mit ihnen.

Der Bauernverband hat in ganz Deutschland zu Protestveranstaltungen gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung aufgerufen. Und ausgerechnet an diesem Tag ist der Präsident des Bauernverbands ins Kloster Seeon gekommen. "Ich freue mich, dass ich heute hier bei der CSU-Klausurtagung sein kann", sagt Joachim Rukwied. Er betont die Überparteilichkeit seines Verbandes, lobt aber CSU und bayerische Staatsregierung. Selbst auf Nachfrage lässt er sich nicht zu Kritik an den Christsozialen hinreißen. Derlei bespreche man intern, sagt der Bauernverbandspräsident.

Hand in Hand

Was für ein Unterschied zu 2020. Damals mussten sich Markus Söder, Alexander Dobrindt und andere CSU-Politiker dem Unmut der aufmarschierten Bauern stellen. Söder versuchte sich mit dem Hinweis zu retten, es wäre schön, wenn das Bundeslandwirtschaftsministerium wieder in bayerischen Händen wäre. Was man durchaus als Unfreundlichkeit gegenüber der CDU verstehen durfte, denn Ministerin war damals die Christdemokratin Julia Klöckner.

Jetzt erhofft sich der Bauernverband Unterstützung von der CSU. Und wie froh die Christsozialen über die neue Nähe sind, zeigt sich beim Pressestatement des Bauernverbandspräsidenten mit CSU-Landesgruppenchef Dobrindt. Mit allen anderen Gästen der Klausur ist Gastgeber Dobrindt allein aufgetreten. Dabei waren unter ihnen Menschen weit größerer Prominenz - zum Beispiel EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Doch beim Auftritt Dobrindts mit Rukwied kommt auf einmal ein gutes Dutzend CSU-Abgeordneter aus dem Kloster, um sich demonstrativ hinter die beiden zu stellen. Es ist das Bild, das von dieser Klausur bleiben soll: CSU und Bauern arbeiten wieder Hand in Hand.

Bei der Landtagswahl hatte die CSU schmerzlich erleben müssen, dass immer mehr Landwirte ihr Kreuz nicht mehr bei der CSU machen, sondern bei den Freien Wählern. Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler und bayerischer Wirtschaftsminister, versucht schon lange, so etwas wie der neue deutsche Bauernführer zu werden. Wie genervt die CSU davon ist, konnte man auch im Kloster Seeon erleben. Söder empfahl den anwesenden Journalisten, statt Wirtschaftsminister Aiwanger doch besser Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) zu Agrarthemen zu interviewen.

Sorge vor "Polarisierung"

Und Rukwied? Der wird von der CSU umschmeichelt. Er freue sich, dass der Präsident just an dem Tag, an dem man die größten Bauernproteste seit Jahrzehnten erlebe, mit den CSU-Abgeordneten "den Schulterschluss" suche, sagt Dobrindt. Die Proteste seien "vollkommen berechtigt". Denn die Steuererhöhungen für die Bauern seien "unverschämt", die Ampel habe "sich verrannt".

In der CSU gibt es aber auch eine grundsätzliche Sorge. Die Ampelkoalition gefährde nicht nur "die Überlebensfähigkeit der Landwirtschaft", sie habe auch "eine Polarisierung in dieses Land gebracht, die wir seit Jahrzehnten nicht erlebt haben", sagt Dobrindt. Die CSU wirft der Ampel vor, nicht nur im Fall der Bauern über die Köpfe der Betroffenen hinweg Entscheidungen zu treffen. Derlei Ohnmachtserfahrungen könnten Menschen in die Arme der AfD treiben, findet Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Auch er ist an diesem Tag Gast im Kloster.

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"Der Frust in der Bevölkerung, der sich jetzt in diesen Bauernprotesten ausdrückt, muss geklärt werden", sagt Kretschmer. "Politik darf nicht spalten, Politik muss verbinden." Man könne der Bundesregierung deshalb nur zurufen: "Setzen Sie sich mit den Betroffenen zusammen - und reden Sie nicht über, sondern reden Sie mit diesen Leuten."

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