Kitas und Grundschulen:Alle wieder da?

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Hausschuhe an und ab in die Gruppe: In den Kitas Baden-Württembergs sollen die Garderoben bald wieder voll belegt sein. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Nach einer Studie von vier Universitäten in Baden-Württemberg kündigt Ministerpräsident Kretschmann die Öffnung von Kitas und Grundschulen an. Kinder sind demnach nicht die befürchtete Coronavirus-Schleuder.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Die Landesregierung von Baden-Württemberg ist überzeugt davon, dass Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter bei der Ausbreitung des Coronavirus nur eine untergeordnete Rolle spielen. Deshalb will sie Kitas und Grundschulen wieder vollständig öffnen - was allerdings nicht vor Ende Juni realistisch erscheint, weil sich Schulleitungen und Kita-Träger auf die neue Situation vorbereiten müssen.

Basis dieser Entscheidung ist eine vom Land finanzierte Studie der vier Universitätskliniken Baden-Württembergs, die noch nicht fertiggestellt ist. Nach Ansicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sind die Zwischenergebnisse, die ihm am Montag präsentiert wurden, aber aussagekräftig genug, um darauf eine so weitreichende politische Entscheidung zu stützen.

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Die wichtigsten Erkenntnisse sind laut Kretschmann: Der Anteil der Kinder, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, ist signifikant geringer als die Zahl der infizierten Eltern. Und das Ausbreitungsrisiko ist bei Kindern, die in der Notbetreuung mehr Kontakte mit anderen Personen hatten, nicht höher als bei denen, die zu Hause betreut wurden. "Wir können ausschließen, dass Kinder besondere Treiber des Infektionsgeschehens darstellen - bei diesem Virus", sagte Kretschmann am Dienstag bei einer Regierungspressekonferenz. Er betonte gleichzeitig, dass es kein Fehler gewesen sei, die Kindergärten und Schulen Mitte März zu schließen. "Es ist vernünftiges Handeln, im Nichtwissen vorsichtig zu sein", sagt er. Man habe zu beginn der Pandemie sehr wenig über das Virus gewusst, genau deshalb habe das Land eine eigene Studie in Auftrag gegeben. "Es geht eben nicht anders als durch Forschung."

Die vier Unikliniken haben erst ein Zwischenergebnis vorgelegt. Das reiche aus, sagt Kretschmann

Die Landesregierung hatte Ende April die Unikliniken in Heidelberg, Tübingen, Freiburg und Ulm mit der Studie beauftragt und dafür 1,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Eigentlich hatte Kretschmann mit Entscheidungen über weitere Öffnungsschritte warten wollen, bis die Wissenschaftler ihre Ergebnisse vorlegen. Wegen des großen Drucks von Eltern habe er sich nun entschlossen, nicht auf die Fertigstellung zu warten, sagte Kretschmann. Die bisherigen Ergebnisse seien ausreichend belastbar. "Der Trend, den wir haben, ist stabil."

Anfangs hatten die Wissenschaftler die Hoffnung geweckt, dass sie schon in zwei bis drei Wochen eine Aussage darüber treffen könnten, wie infektiös Kinder sind. Dies hat sich als zu optimistisch herausgestellt. Zu ihrem Zeitplan äußert sich die federführende Uniklinik Heidelberg nicht. Sie teilt lediglich mit, dass der Ministerpräsident "erste belastbare Zwischenergebnisse" im Einvernehmen mit ihr mitgeteilt habe und dass dies wissenschaftlich vertretbar sei. Man werde "die endgültigen Daten mit entsprechender Information zum methodischen Vorgehen vorstellen, sobald die Arbeiten abgeschlossen sind".

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) kündigte am Dienstag an, "zügig gemeinsam mit den Kommunen und den Trägerverbänden einen Rechtsrahmen erarbeiten" zu wollen, "um spätestens bis Ende Juni die Kitas wieder vollständig öffnen zu können". Das Ministerium werde außerdem ein Konzept für die weitere Öffnung der Grundschulen entwickeln. Dass es bis Ende Juni tatsächlich zu einem Regelbetrieb kommt, ist allerdings fraglich. Erstens beginnen am Wochenende in Baden-Württemberg die zweiwöchigen Pfingstferien, weshalb die Zeit für Vorbereitungen knapp ist. Vor allem aber zählen viele Lehrer und Erzieher zu Risikogruppen. Kretschmann stellt sich deshalb auf "eine schwierige Debatte" mit den Kommunen und kirchlichen Kita-Trägern ein. Eisenmann kündigte an, Lehrern und Erziehern regelmäßige Tests zu ermöglichen. Das Sozialministerium soll dazu eine Strategie entwickeln.

Schon in den vergangenen Wochen ist Baden-Württemberg erste Öffnungsschritte mitgegangen, die von den Kultusministern der Länder besprochen wurden. Momentan können dort bis zu 50 Prozent der Kinder in den Kitas betreut werden. In die Schulen dürfen bisher nur die ältesten Jahrgänge und die Viertklässler gehen. Der bisherige Plan sah vor, dass nach den Pfingstferien alle Schüler im wöchentlichen Wechsel zurückkehren.

Am Dienstag haben noch weitere Bundesländer Lockerungen beschlossen. In Hamburg etwa können von 4. Juni an auch Kinder im Alter von viereinhalb Jahren und Geschwisterkinder in die Kitas. In Hessen sollen von 2. Juni an die Kommunen entscheiden, wie viele Kinder kommen dürfen. Die Landesregierung gibt ihnen keine Betreuungsgrenze vor.

© SZ vom 27.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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