An guten Nachrichten hat es zuletzt nicht gemangelt bei der Klimakonferenz in Glasgow. Mit Indien verpflichtete sich auch das letzte wichtige Land auf die Klimaneutralität, und mal verabredeten Staaten den gemeinsamen Kampf gegen die Entwaldung, mal den Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Projekte. Doch nun haben Experten die neuen Klimaziele der Staaten noch einmal durchgerechnet. Ergebnis: Von einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius ist die Weltgemeinschaft weit entfernt. Eher steuere sie auf 2,4 Grad Celsius zu.
Zwar gebe es eine Reihe guter Beispiele, wie etwa Südafrika und Marokko. Das neue indische Klimaziel dagegen werde die Emissionen nach einer ersten Einschätzung bis 2030 kaum zusätzlich vermindern. In Brasilien müsse man sogar befürchten, dass der neue Klimaplan höhere und nicht niedrigere Emissionen zulasse. Hinter den Berechnungen stehen zwei Institute, die den sogenannten "Climate Action Tracker" geschaffen haben, eine Plattform, die alle nationalen Klimaziele abschätzt. Auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen bedient sich der Daten.
Die Zahlen belegten, dass die Konferenz in Glasgow mit einer "massiven Glaubwürdigkeitslücke" zu kämpfen habe, sagte Bill Hare, dessen Institut Climate Analytics - zusammen mit dem deutschen New Climate Institute - hinter dem Tracker steht. "Das ist weit von guten Nachrichten entfernt." Allein die Ankündigungen bis 2030 seien so lückenhaft, "dass wir nicht sehen können, wie wir die 1,5 Grad schaffen können". Legten die Staaten hier nicht nach, blieben die Klimaneutralitätsversprechen der Staaten "reine Lippenbekenntnisse", warnte Hare.

COP 26:"I want you to stay angry"
Beim Klimagipfel in Glasgow liest Ex-Präsident Barack Obama den Staaten die Leviten - und schöpft Hoffnung aus den vielen "Gretas" weltweit. Eine davon kommt aus Deutschland.
Die Verpflichtung, für die laufende Dekade noch nachzulegen, zählt derzeit auch zu den Streitpunkten in den Verhandlungen: Es gibt Vorschläge, dies in die Abschlusserklärung des Gipfels aufzunehmen, wie auch das Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Zeiten zu stabilisieren. Das Paris-Abkommen lässt derzeit auch zwei Grad Celsius noch zu. Ob sich die Staaten auf die Verschärfung einigen können, ist unklar, ja selbst die Frage, ob sie überhaupt so eine Abschlusserklärung abgeben.
Deutschland tritt Initiative gegen fossile Projekte bei
Was den Effekt der bisherigen Zusagen angeht, war die Internationale Energieagentur zuletzt deutlich optimistischer gewesen, sie errechnete eine Stabilisierung der Erderwärmung bei 1,8 Grad Celsius. Allerdings hatte sie da alle freiwilligen Verpflichtungen der vorigen Woche mit einkalkuliert - unter der Annahme, dass sie auch wirklich eingehalten werden.
Eine dieser Initiativen ist seit diesem Dienstag um ein Mitglied größer geworden: Deutschland. Am Nachmittag unterzeichnete Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth den deutschen Beitritt zu einer Initiative, die internationale Finanzströme für fossile Vorhaben versiegen lassen soll. Schon vorige Woche hatten sich zwei Dutzend Staaten darin verpflichtet, für Kohle-, Gas- oder Ölprojekte im Ausland keine öffentliche Finanzierung mehr bereitzustellen. Doch Deutschland fehlte - auch, weil unklar war, was das für ausländische Gasprojekte der staatseigenen Förderbank KfW bedeutet. Allerdings sieht die Vereinbarung "in begrenzten und klar definierten Fällen" Ausnahmen vor: Welche das sind, diese Diskussion rollt nun für die KfW an.
Grundsätzlich aber sollen deutsche Stellen von 2023 an keine Hilfen mehr für fossile Projekte im Ausland ausreichen, sei es als Kredit oder als Exportgarantie. "Das sind gute Nachrichten", sagte Regine Richter von der Umweltorganisation Urgewald. Doch es gilt dasselbe wie bei allen Zusagen: "Entscheidend ist nun, wie schnell Deutschland seine Hilfe für fossile Energie tatsächlich einstellt", sagte Richter.