Frankreich:Macron will Lehren aus Christchurch-Attentat ziehen

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Mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg traf sich Macron schon in der vergangenen Woche. (Foto: dpa)
  • Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lädt die weltweit führenden Tech-Konzerne zu einem Gipfel ein, um Konsequenzen aus dem Attentat in Christchurch zu ziehen.
  • 17 Minuten lang konnte ein Rechtsextremer vor knapp zwei Monaten seinen Anschlag auf zwei Moscheen in Neuseeland live auf Facebook übertragen.
  • Der "Appell von Christchurch" soll die Tech-Konzerne nun dazu bewegen, den Zugang zu Livestreams zu beschränken.

Von Leo Klimm, Paris

17 lange Minuten übertrug der rechtsextreme Terrorist seine Bluttat live über Facebook. Zwölf weitere Minuten dauerte es, bis der Internetkonzern das Video vom Massenmord in zwei Moscheen sperrte. Zu spät, um die weitere Verbreitung des Mitschnitts im Netz zu verhindern. Beim Attentat gegen Muslime im neuseeländischen Christchurch vor zwei Monaten versagten Facebooks Kontrollmechanismen.

Emmanuel Macron, der französische Präsident, fühlt sich berufen, diese hässliche Internetwelt zu verbessern. An diesem Mittwoch lädt er zu einem Gipfel mit dem programmatischen Namen "Tech for Good" nach Paris. Immer deutlicher werden die Digitalunternehmen dafür kritisiert, dass sie Falschmeldungen und sogar Bilder von Massakern verbreiten, Nutzerdaten plündern oder sich vor der Steuer drücken. Macron wolle die Konzernlenker "mit ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft konfrontieren", heißt es in seinem Umfeld. In Arbeitsgruppen sollen etwa 80 Topmanager wie Jack Ma vom chinesischen Internetriesen Alibaba und IBM-Chefin Ginni Rometty Vorschläge für mehr Geschlechtergerechtigkeit oder mehr Gesundheitsschutz in ihrer Branche machen.

Facebook und Co. sollen Zugänge zu Livestreams beschränken. Doch Mark Zuckerberg fehlt

Symbolträchtiger Höhepunkt des Gipfels soll die Verabschiedung des "Appells von Christchurch" sein, den Macron mit der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern vorbereitet hat. Darin werden Facebook und die anderen sogenannten sozialen Netzwerke dazu gedrängt, mehr gegen die Verbreitung terroristischer Inhalte zu unternehmen. Wobei Macron und Ardern sie nicht an den Pranger stellen, sondern ihre Manager zum Treffen im Élysée-Palast hinzugeladen haben. Parallel arbeiten am Mittwoch in Paris die Digitalminister der G-7-Staaten an einer Charta zum Umgang mit Online-Hass.

In Frankreichs Regierung verhehlt man nicht, dass unverbindliche Appelle und Chartas auch Ausdruck eines Problems sind: "Die globale Regulierung von Internetkonzernen ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit", sagt Macrons Digital-Staatssekretär Cédric O. "Die Online-Plattformen haben durch ihre Größe eine Art eigene Souveränität erreicht, mit der sie die der Staaten beeinträchtigen."

Zentrales Anliegen im "Appell von Christchurch" ist, Facebook und andere Plattformen dazu zu bewegen, den Zugang zu Livestreams zu beschränken. Für Nutzer, die als politische Extremisten auffällig geworden sind, könnte etwa die Funktion gesperrt werden, lautet ein Vorschlag. Staatssekretär O glaubt, die Konzerne hätten ein Eigeninteresse an solchen Einschränkungen, weil sich sonst Nutzer abwendeten. Für die feierliche Erklärung werden neben Jack Dorsey, Chef des Kurznachrichtendiensts Twitter, oder Jimmy Wales, Gründer des Onlinelexikons Wikipedia, unter anderem die britische Premierministerin Theresa May, ihr kanadischer Amtskollege Justin Trudeau und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet. Auffällig ist, dass Deutschland und vor allem die USA wohl nicht unter den Unterzeichnern sein werden. Die US-Amerikaner legten das Recht auf Meinungsfreiheit eben weit aus, heißt es knapp aus dem Élysée. Dafür drängten Internetbosse ja geradezu zum "Tech for Good"-Gipfel.

Einer aber ist nicht dabei: ausgerechnet Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Der Lenker des größten sozialen Netzwerks überhaupt, das seit dem Attentat von Christchurch besonders unter Druck steht, habe "Terminprobleme", heißt es. Er lässt sich vertreten. Dafür war Zuckerberg vergangene Woche schon zum Einzelgespräch bei Macron. "Wir werden in manchen Dingen Meinungsverschiedenheiten haben", sagte Zuckerberg im Anschluss.

Das Ergebnis des Treffens gab Facebook am Mittwochmorgen bekannt. Das soziale Netzwerk kündigte Einschränkungen für Livestreams an: Nutzer sollen schon nach einer schwerwiegenden Regelverletzung für eine "bestimmte Zeit lang" keine Live-Videos mehr übertragen dürfen. Als Beispiel für einen schwerwiegenden Regelverstoß nannte Facebook die Weiterleitung eines Links zu einer Mitteilung einer Terrorgruppe ohne Einordnung. Als ein Beispiel-Zeitraum für eine Sperrung wurden 30 Tage angegeben. Als weitere Einschränkung sei geplant, dass von der Live-Plattform ausgeschlossene Nutzer unter anderem auch keine Anzeigen bei Facebook schalten können.

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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