Militär:Raketen-Schach zwischen China und den USA

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Chinesische Raketen vom Typ "DF-26" können US-Schiffe im Pazifik bedrohen. (Foto: Ge Jinfh/Imaginechina)
  • China baut seinen Einfluss im Pazifik aus: Die Volksrepublik ist mittlerweile in der Lage, die Bewegungsfreiheit der USA in einem großen Gebiet einzuschränken.
  • Die Raketenarsenale hat Peking modernisiert und erweitert.
  • Nun droht ein neues Wettrüsten: Auch die USA könnten auf Inseln im Pazifik neue Mittelstreckenraketen stationieren.

Von Stefan Kornelius

Selten in der Militärgeschichte hat es ein Land geschafft, seine Strategie auf ein Wort zu reduzieren. China ist das, wenn man so will, gelungen. Dong-Feng ist der Sammelname für die chinesischen Raketentypen, die in unterschiedlicher Bauweise für unterschiedliche Reichweiten und Bewaffnungen zur Verfügung stehen. So gibt es die DF 31 für die interkontinentale Reichweite, die DF 26 oder die DF 21 für die Mittelstrecke und die DF 15 für die Kurzstrecke. Die Strategie für alle Raketen steckt im Namen. Dong-Feng lässt sich mit "Ostwind" übersetzen.

Chinas Raketen haben ein vorrangiges Ziel, und das liegt im Osten des riesigen Reiches, im Pazifik. Die Gefahr, der aus Pekings Sicht zu begegnen ist, kommt aus dieser Richtung, mit dem Ostwind, von den USA und ihren Stützpunkten. Denn China, so viel lässt sich aus dem Dong-Feng-Programm ablesen, möchte nicht nur seine Grenzen verteidigen, sondern beansprucht auch einen Sicherheitsgürtel vor seiner Küste. Und diesen Cordon sanitaire garantieren nun die Raketen unterschiedlichster Bauart. Dort ist, neben dem Streit über Handel und Technologieführerschaft, ein weiterer wichtiger Schauplatz der amerikanisch-chinesischen Rivalität.

In den USA ist es Pflicht, dass die Regierung regelmäßig Kongress und Öffentlichkeit über die Bedrohung des Landes und die sicherheitspolitische Lage in aller Welt informiert. Der jüngste Bericht des Pentagons zu China hat es dabei in sich. Kühl stellen die Analysten anhand von Satellitenaufklärung und Testbeobachtungen fest, dass die Volksrepublik ein gewaltiges Raketenarsenal aufgebaut hat. Vor allem in der Langstrecke bis 5000 Kilometer, aber auch in der Mittelstrecke bis 1500 Kilometer haben die Chinesen ihre Arsenale zum Teil verdoppelt. Viel wichtiger aber ist, dass die Zielsteuerung der Waffen deutlich verbessert wurde und auch Mittelstreckenraketen mit nuklearen Gefechtsköpfen bestückt werden können.

Auf U-Booten hat China nukleare Langstreckenraketen stationiert

Übersetzt aus der Sprache der US-Marine-Strategen heißt das: Amerikas Pazifik-Flotte, die Verbündeten in Chinas unmittelbarer Nähe wie Japan und selbst der US-Pazifikstützpunkt Guam sind jederzeit im Fadenkreuz chinesischer Waffen. Wirklich gefährlich wird die Lage, weil China inzwischen auch eine veritable Zweitschlagskapazität aufgebaut hat. Auf U-Booten, die sich im Südchinesischen Meer versteckt halten, sind nukleare Langstreckenraketen stationiert. Die Logik der amerikanischen Dominanz funktioniert also nicht mehr zwingend. China begegnet den USA auf Augenhöhe.

Für eine Nation, die sich die Kontrolle des Pazifiks, der Handelswege und den Schutz der Verbündeten auf die Fahne geschrieben hat und deren Einflusssphäre sich bis in die Straße von Taiwan erstreckt, ist das eine wichtige Nachricht. Strategen benutzen das Akronym A2/AD, um das neue Kräfteverhältnis zu beschreiben: Anti Access/Areal Denial. Das bedeutet, dass China nun in der Lage ist, Amerikas Bewegungsfreiheit im Pazifik deutlich einzuschränken. Sollte etwa China eines Tages Taiwan militärisch angreifen oder die Schifffahrtsrouten im Südchinesischen Meer schließen, wird kein amerikanischer Flugzeugträgerverband so ohne Weiteres ins Krisengebiet steuern können.

Wie dynamisch sich die Gewichte im Pazifik verschieben, zeigt die wachsende Zahl der Zwischenfälle im Südchinesischen Meer, das China trotz anderslautender völkerrechtlicher Urteile zu fast 90 Prozent als sein Hoheitsgewässer beansprucht. Auf künstlichen Inseln hat es dort Militärstützpunkte geschaffen. Nachdem unlängst ein Schiff einer chinesischen Fischer-Miliz einen philippinischen Fischkutter gerammt und versenkt hatte, resignierte der ansonsten großmäulige Präsident des Landes, Rodrigo Duterte, vor der Allmacht aus Peking. Momentan liegt der US-Flugzeugträger USS Ronald Reagan mit seinem Verband in der Bucht von Manila und sendet so die Botschaft aus: Es gibt uns auch noch.

Stationieren die USA neue Mittelstreckenraketen im Pazifikraum?

Mit Horror werden US-Strategen die Nachricht aufgenommen haben, dass die Regierung von Papua-Neuguinea China um die Übernahme seiner Schulden gebeten hat. Im Gegenzug wird sich Peking wohl Einfluss zusichern lassen. In amerikanischen Militärkreisen hatte man vor Kurzem noch darüber spekuliert, die zu Papua-Neuguinea gehörenden Manus-Inseln als Ausweichstützpunkt ausbauen zu können, sollte der Aufmarschplatz Guam in Reichweite chinesischer Raketen zu unsicher werden.

Washingtons neuer Verteidigungsminister Mark Esper unternahm also nicht zufällig seine erste große Auslandsreise zu den Pazifik-Verbündeten der USA, auch um nach dem Ende des INF-Vertrags Optionen zur Stationierung von Mittelstreckenraketen auszuloten. Fabrikation und Tests dieser Raketen waren den USA laut dem Vertrag verboten, das ändert sich nun. Washingtons Unlust an einer Vertragsverlängerung hatte - so machte die Esper-Reise deutlich - mit der neuen Raketenbedrohung im Pazifik und dem strategischen Ungleichgewicht mit China zu tun.

Zum Schluss seiner Reise besuchte der Verteidigungsminister die Mongolei, wo ihm in alter Tradition zur Begrüßung ein Pferd geschenkt wurde. Esper nannte es symbolischerweise "Marshall", offenbar nach dem General und späteren Außenminister George C. Marshall, der als Stabschef maßgeblich den Sieg der US-Streitkräfte auch im Pazifik verantwortete. Nach Marshall ist übrigens auch ein Raketentestgelände der USA in Alabama benannt.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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