China, Taiwan und Lateinamerika:Paraguay trotzt Peking

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Seltene Freundschaft: Paraguays gewählter Staatschef Santiago Peña bei Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in Taipeh. (Foto: AP)

Das südamerikanische Land versucht zum Missfallen Chinas ein treuer Freund von Taiwan zu sein. Doch der Preis dafür ist hoch.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Auf den ersten Blick ist es nur eine Randnotiz: Santiago Peña, der zukünftige Präsident von Paraguay, ist noch vor seinem Amtsantritt zu Besuch in Taiwan. Fünf Tage Gespräche, Veranstaltungen und Treffen. Händeschütteln, freundliche Worte und schnell noch ein Foto. So weit, so unspektakulär. Es wäre jedoch ein großer Fehler, den Besuch als unwichtig abzutun. Er hat Konsequenzen für Paraguay und Taiwan, für ganz Süd- und Lateinamerika, ebenso wie für China, Asien, vielleicht sogar für die ganze Welt.

Paraguay ist einer der kleinsten Staaten Südamerikas: flächenmäßig zwar größer als Deutschland, aber es leben dort kaum mehr Menschen als in Hessen. Lange war Paraguay eines der Armenhäuser der Region, seit ein paar Jahren aber gibt es einen kleinen Wirtschaftsboom, befeuert vor allem durch die Agrarindustrie: Auf Weiden in Paraguay grasen heute riesige Kuhherden, längst gibt es doppelt so viele Rinder im Land als Menschen. Auf riesigen Feldern wachsen dazu Mais, Reis, Weizen und vor allem Soja. Paraguay ist heute der sechstgrößte Produzent weltweit.

Viel von dem, was das Land produziert, geht ins Ausland, in die Nachbarländer Brasilien und Argentinien, nach Peru, Chile, aber auch nach Russland, Indien, Israel und in die USA. Ein Land aber steht ganz unten auf der Liste: China.

Verlierer sind die USA und die EU-Staaten

Das ist erstaunlich, ist der asiatische Riese doch in vielen anderen Staaten der Region längst der mit Abstand wichtigste Handelspartner. In Brasilien zum Beispiel machen die Exporte nach China mehr 30 Prozent aus. In Peru und Chile ist der Anteil sogar noch höher, Tendenz steigend.

Die Volksrepublik kauft dabei Kupfer und Eisen, Fleisch und Sojabohnen, Früchte und Fisch. Lateinamerika stillt Chinas Rohstoff-Hunger, und je größer der wird, desto wichtiger wird für Peking auch der Einfluss in der Region. Chinesische Konzerne investieren darum massiv in Lateinamerika. In Brasilien ist der Telekommunikationskonzern Huawei der Hauptlieferant für 4G- und 5G-Netzwerke. Anderswo ist China an Containerhäfen beteiligt oder im Energiesektor. Dazu kommen Infrastrukturprojekte: Von Patagonien bis Zentralamerika entstehen mit der Hilfe Chinas und mit Krediten aus Peking neue Überlandstraßen und Zugstrecken, Häfen werden gebaut und Wasserkraftwerke. Kurz: Es ist eine fruchtbare und für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit.

Auf der anderen Seite gibt es auch viele Verlierer: Die USA etwa, die um ihren einst unangefochtenen Einfluss in der Region bangen. Die Länder der Europäischen Union, die ihre Zusammenarbeit mit Lateinamerika gerne ausbauen würden, dabei aber immer öfter merken, dass sie nur zweite oder dritte Wahl sind. Und schließlich Taiwan.

Taipeh schickte Mund-Nase-Masken

Peking sieht in dem Inselstaat eine abtrünnige Provinz und versucht seit Jahrzehnten Taiwan und seine Regierung international zu isolieren. Staaten, die diplomatische Beziehungen zu China unterhalten möchten, müssen die zu Taipeh abbrechen. Viele Länder haben das getan, auch Deutschland und sogar die USA.

Je stärker der Einfluss Chinas wächst, desto geringer wird der Rückhalt für Taiwan. Die Folgen kann man in Afrika sehen, wo Burkina Faso und Gambia in den letzten Jahren ihre Beziehungen zu Taipeh abgebrochen haben. Besonders deutlich aber wird der Wandel in Lateinamerika: 2017 bekannte sich Panama zu Peking, kurz darauf folgten die Dominikanische Republik, El Salvador, Nicaragua und im März dieses Jahres auch Honduras. Nur noch knapp ein Dutzend Regierungen weltweit erkennt Taiwan weiterhin an, darunter einige Inselstaaten, Haiti, der Heilige Stuhl, Eswatini, früher bekannt unter Swasiland, und Paraguay.

Doch auch hier steigt der Druck. 2020, kurz nach Beginn der Corona-Pandemie, gab es im Senat von Paraguay eine virtuelle Abstimmung darüber, ob es nicht doch an der Zeit sei, die Zusammenarbeit mit Taipeh zu beenden und dafür Beziehungen mit Peking aufzunehmen. China, sagten die Befürworter der Vorschlags, sei in Zeiten eines globalen Gesundheitsnotstandes ein viel besserer Partner als Taiwan. Am Ende stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten in Paraguay gegen den Vorschlag, auch, weil die Regierung in Taipeh umgehend Hilfe versprach und eine große Ladung Mund-Nase-Masken schickte. Beendet war das Thema damit aber nicht.

Ein Präsidentenflugzeug zum Geschenk

Heute machen vor allem Paraguays Bauern Druck auf die Regierung. Sie wollen ihr Land für den lukrativen Handel mit der Volksrepublik öffnen. Gleichzeitig lockt Peking mit Krediten und großen Infrastrukturprojekten. Immer weniger Politiker in Paraguay wollen sich das entgehen lassen. Als Ende April Wahlen stattfanden, ging es nicht nur darum, wer Paraguay in den nächsten Jahren als Staatsoberhaupt regiert, sondern auch, wie das Land in Zukunft zu Taiwan steht. Am Ende gewann Santiago Peña, ein Konservativer, der zuvor als Finanzminister an der Regierung beteiligt war und anders als seine Herausforderer schon im Wahlkampf versprochen hatte, die Beziehungen zu Taipeh weiter aufrechtzuerhalten.

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Dass Peña nun, bevor er im August sein Amt antritt, nach Taiwan gereist ist, muss man darum als Signal verstehen: "Ich bin gekommen, um meine Verpflichtung zu bekräftigen, dass wir als Paraguayer in den nächsten fünf Jahren an der Seite des taiwanesischen Volkes stehen", sagte Peña in einer Rede am Amtssitz des taiwanesischen Präsidenten.

Gleichzeitig ist aber auch klar, dass das zukünftige Staatsoberhaupt nicht mit leeren Händen nach Hause zurückkehren kann. Um sich Paraguays Freundschaft zu sichern, hat Taiwan in den vergangenen Jahren schon ein neues Kongressgebäude in Asuncion bezahlt und auch das Präsidentenflugzeug gestiftet. Weitere Zuwendungen werden folgen, denn Paraguay ist der letzte Verbündete Taiwans in Südamerika. Diesen wird Taipeh nicht verlieren wollen, koste es was es wolle.

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