Chinesischer Spionageballon:Eine sensible Angelegenheit

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"Verzerrungen und Aufbauschungen": China weist die Spionage-Vorwürfe weiter zurück - hier ein Bild von der Bergung des Ballons vor der Küste von Myrtle Beach. (Foto: U.S. Navy /AP/dpa)

Der abgeschossene chinesische Spionageballon könnte über den USA doch mehr militärisch relevante Daten gesammelt haben als bisher angenommen.

Von Reymer Klüver

Es sind neue, wohl auch politisch brisante Details. Der angebliche chinesische Wetterballon, den die US Air Force Anfang Februar abgeschossen hat, könnte sehr viel mehr militärisch relevante Informationen zurück nach China gesendet haben als bisher bekannt. Die beiden US-Fernsehsender NBC und CNN berichteten übereinstimmend, dass der Ballon, auch nachdem er entdeckt worden war, offenbar weiterhin Informationen in Echtzeit an Empfangsstationen in China geschickt hat. Die Antennen an Bord des Ballons sollen in der Lage gewesen sein, elektronische Signale von amerikanischen Waffensystemen am Boden aufzufangen und die Kommunikation des Bodenpersonals abzuhören. Teilweise sei er so manövriert worden, dass er über militärisch sensible Bereiche in der Luft eine Acht geflogen habe, um möglichst viele Signale zu sammeln.

Experten des FBI werten die Teile des Ballons aus, die aus dem Meer geborgen wurden

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, wollte die Berichte nicht bestätigen. Er betonte aber, dass die US-Regierung, nachdem der Ballon entdeckt worden war, Vorkehrungen getroffen habe, um die Möglichkeiten der Geräte an Bord zum Sammeln von Daten einzuschränken. Nach NBC-Informationen hat das US-Militär offenbar Waffensysteme, die als mögliche Ausspäh-Ziele der Chinesen galten, kurzfristig verlegt oder abgeschaltet.

Die US-Luftraumüberwachung hatte den Ballon nach offiziellen amerikanischen Angaben am 28. Januar über dem US-Bundessstaat Alaska entdeckt. Er überflog kanadisches Territorium und dann den US-Bundesstaat Montana, wo er offenbar gezielt über dem Luftwaffenstützpunkt Malstrom kreiste. In der Region ist ein Teil der amerikanischen Interkontinental-Atomraketen stationiert. Zu diesem Zeitpunkt tauchten erste Berichte und Fotos des weißen Ballons in US-Medien auf. Die Regierung in Washington ließ das Gefährt allerdings weiterfliegen, aus Angst, dass herabfallende Trümmer bei einem Abschuss Schäden am Boden anrichten könnten, wie es damals hieß. Unmittelbar nachdem der Ballon am 4. Februar die Atlantikküste erreicht hatte, gab US-Präsident Joe Biden ihn zum Abschuss frei.

Marinetaucher haben seither Trümmer des mitsamt Nutzlast 60 Meter messenden Ballons aus dem Küstengebiet vor dem US-Staat South Carolina geborgen. Experten des FBI werten die Teile aus. Noch immer ungeklärt ist dabei offenbar, ob es den Chinesen gelungen ist, Daten von den Festplatten an Bord des Ballons zu löschen, ehe das Gerät zerstört wurde.

Chinesische Spionageballons sollen Ziele auf fünf Kontinenten ausgespäht haben

Dem ohnehin schwer belasteten Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik dürften die neuen Enthüllungen nicht gerade guttun. Außenminister Antony Blinken hatte einen eigentlich zur atmosphärischen Aufhellung gedachten Besuch in Peking im Februar nach der Entdeckung des Ballons abgesagt. Die chinesische Regierung bestritt seinerzeit jegliche Spionagevorwürfe. Auch jetzt bleibt das Außenministerium in Peking bei der Darstellung, dass es sich um einen zivilen Erkundungsballon gehandelt habe, der irgendwie vom Kurs abgekommen sei, "ein unerwartetes und isoliertes Ereignis", wie eine Sprecherin am Dienstag in Peking sagte. China weise amerikanische "Verzerrungen und Aufbauschungen" in der Angelegenheit zurück.

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Die nun immer konkreter werdenden Spionage-Vorwürfe in der Ballon-Geschichte dürften indes auch in europäischen Hauptstädten zu neuen Überlegungen führen. Ähnliche chinesische Ballons sind in den vergangenen Jahren nach US-Erkenntnissen über fünf Kontinenten unterwegs gewesen, unschwer zu erraten, dass auch Ziele in Europa überflogen wurden. Zusätzlich irritieren dürfte dabei, wie dreist sich die Spähtrupps an ihren Monitoren in der Volksrepublik über mögliche Bedenken, entdeckt zu werden, hinwegsetzten und den Ballon in den USA in aller Ruhe über offenkundig interessanten Zielen kreisen ließen.

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