Suche nach CDU-Chef:Die Eins-plus-drei-Gespräche

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Bei der letzten Wahl des CDU-Vorsitzes war Armin Laschet noch Zuschauer. (Foto: Thomas Reisener/dpa)

Die Beziehungen von Annegret Kramp-Karrenbauer zu ihren Nachfolgekandidaten sind kompliziert, aber nicht so kompliziert wie die von Laschet, Spahn und Merz untereinander. Eine Familienaufstellung der CDU.

Von Stefan Braun und Robert Roßmann, Berlin

Das kann heiter werden, für alle Beteiligten. Von dieser Woche an will Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer in Einzelgesprächen mit ihren möglichen Nachfolgern versuchen, Kompromisse auszuloten. Was für sie einerseits schön ist, weil ihr die anstehenden Treffen mit Armin Laschet, Friedrich Merz und Jens Spahn eine gewisse Macht einräumen. Andererseits dürfte es ein mühsames Unterfangen werden, weil Kramp-Karrenbauers Beziehungen zu den dreien kompliziert, deren Beziehungen untereinander aber noch komplizierter sind. Es könnte also schwer werden, das Bedürfnis all jener in der CDU zu befriedigen, die sich eine einvernehmliche Lösung wünschen.

Laschet, Merz und Spahn haben sich bereits untereinander jeweils unter vier Augen gesprochen. Und es heißt, die Gespräche seien sehr freundlich verlaufen. An den Konfliktlinien aber konnte das bislang nichts ändern.

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Da ist das Verhältnis zwischen Merz und Spahn. Aus seiner Sicht hat Spahn schon lange für jene Änderungen gefochten, die sich Merz jetzt auf die Fahnen geschrieben hat. In all den Jahren, in denen der Ex-Unionsfraktionschef die Bundespolitik verlassen und viel Geld in der Privatwirtschaft verdient hat, bemühte sich Spahn immer wieder um Kurskorrekturen der CDU. Auf dem Parteitag 2012 in Hannover gehörte er zu den Vorkämpfern für eine steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartner. 2014 in Berlin attackierte er die teuren Rentenbeschlüsse der großen Koalition. Und 2016 in Essen verhalf er mit einer furiosen Rede einem Antrag für Verschärfungen beim Doppelpass zur Mehrheit - gegen den Widerstand der Kanzlerin.

Außerdem, das ist wohl am wichtigsten, war Spahn der erste relevante CDU-Politiker, der öffentlich Zweifel an Angela Merkels Flüchtlingspolitik äußerte. Er meldete sich bereits am 13. September 2015 zu Wort, also gerade acht Tage nach jener Nacht, in der Merkel entschieden hatte, die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge einreisen zu lassen. In der Süddeutschen Zeitung warnte Spahn damals, die Zustimmung zu Merkels Willkommenspolitik sinke "stündlich". Es sei "sehr gefährlich", dass sich wegen "der beinahe euphorischen Darstellung" in der öffentlichen Debatte große Teile der Bürger mit ihren Sorgen nicht mehr wiederfänden. Als er das sagte, stand die CDU in Umfragen bei mehr als 40 Prozent, die AfD lag unter fünf. Spahn glaubt, dass ihm die Entwicklung recht gegeben hat.

Mit seinen Vorstößen punktete Spahn nicht nur beim Wirtschaftsflügel der CDU und bei der Jungen Union. Er gewann auch die Gunst von Wolfgang Schäuble. Der damalige Bundesfinanzminister holte Spahn 2015 als Staatssekretär in sein Haus. Umso enttäuschter war Spahn, als sich Schäuble, der Wirtschaftsflügel und viele JUler nach der plötzlichen Rückkehr von Merz 2018 für diesen und nicht für ihn aussprachen.

Belastet ist auch das Verhältnis von Spahn zum dritten im Bunde, zu Armin Laschet. Der wollte 2014 verhindern, dass Spahn ins CDU-Präsidium - das höchste Parteigremium - aufsteigt. Laschet hielt Spahns unabgesprochene Kandidatur für ein egoistisches Vorpreschen und setzte als nordrhein-westfälischer CDU-Landesvorsitzender durch, dass sich die NRW-CDU für den damaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe aussprach. In einer Kampfabstimmung auf dem Bundesparteitag gewann Spahn trotzdem. Und Laschet war verärgert, weil Spahn seine Autorität untergraben hatte.

Noch größer war Laschets Ärger im Jahr 2017. Damals befürchtete Laschet, dass Spahn ihm mit seiner Forderung nach einem Islamgesetz zur besseren Kontrolle der Moscheen und der Imame den Landtagswahlkampf vermasseln könnte. Als früherer Integrationsminister hält Laschet sich auf diesem Gebiet für den CDU-Experten und vertritt im Umgang mit dem Islam, mit Migranten und mit Flüchtlingen deutlich moderatere Positionen als Spahn.

Im damaligen Landtagswahlkampf sah es lange nicht so aus, als ob Laschet es tatsächlich zum Ministerpräsidenten bringen würde. Und manche hatten den Eindruck, dass Spahn eine Niederlage gar nicht so schlimm fände, weil er dann selbst nach dem wichtigen Landesvorsitz hätte greifen können.

Das Verhältnis zwischen Laschet und Merz ist nicht ganz so verkrampft. Das liegt daran, dass Laschet schon vor Jahren erkannt hat, dass er sein Image als schwarz-grüner "Türken-Armin" korrigieren muss, um in der Partei breitere Anerkennung zu finden. Er hat deshalb nach der Wahl zum Ministerpräsidenten nicht nur einen besonderen Fokus auf die Wirtschaftspolitik und die Innere Sicherheit gelegt, sondern auch Merz eingebunden. Laschet berief ihn zum "Beauftragten für die Folgen des Brexit und die transatlantischen Beziehungen". Und er machte ihn zum Aufsichtsratschef des Flughafens Köln-Bonn.

Das geschah wohl auch in der Überzeugung, dass Merz keinen größeren Ehrgeiz mehr entwickeln würde. Dass sich das ändern könnte, erfuhr Laschet freilich als einer der ersten. So sprach Merz schon im Sommer 2018 mit ihm über Möglichkeiten, auf eine größere Bühne zurückzukehren. Als es dann konkret wurde an jenem Montag im Oktober 2018, an dem Merkel ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz erklärte, fühlte sich Laschet gleichwohl überrumpelt. Statt sich noch mal mit Laschet zu beratschlagen, lancierte Merz nur Minuten nach den ersten Meldungen über Merkels Verzicht sein Interesse. Von diesem Moment an steckte Laschet in einer Klemme.

Alle Welt fragte ihn damals, was er jetzt machen werde. Und das in einer Situation, in der sich Laschet gerade erst in Düsseldorf eingerichtet hatte. Der Chef des mächtigsten, weil mitgliederstärksten Landesverbandes war nicht vorbereitet und musste vom ersten Tag an gegen Spaltungen im eigenen Verband ankämpfen, denn nur Stunden nach Merz hatte auch Spahn seinen Hut in den Ring geworfen. Laschet steckte zwischen den Fronten und verzichtete auf eine Kandidatur. Damals ging es ja auch "nur" um den CDU-Vorsitz und noch nicht um die Kanzlerkandidatur. Und nun? Jetzt ist das Verhältnis noch angespannter. Und die Töne werden schärfer. Ein Teil des CDU-Establishments will Merz verhindern. Das aber dürfte nur gelingen, wenn Laschet antritt. Gleichzeitig hat Laschet als Ministerpräsident viel zu verlieren, sollte für ihn etwas schief gehen. Merz dagegen kann volles Risiko gehen. Er hat kein Amt zu verlieren. Wenn es nicht klappt, kann er einfach Adieu rufen.

© SZ vom 17.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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