Merkel-Nachfolge:Wer hat das Zeug, die AfD auszubremsen?

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Wer die CDU anführen möchte, so wie Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer, muss Begriffe wie konservativ und sozial politisch füllen. (Foto: dpa)

Wer auch immer Merkel an der Spitze der CDU nachfolgt, muss mit echten Strategien auf die Anliegen der Bürger antworten. Bislang hat die Union diese vermissen lassen - und so den Resonanzboden der AfD genährt.

Kommentar von Jens Schneider

Friedrich Merz stand lange Zeit am Rand des politischen Geschehens, bevor er wieder ein Kandidat für die erste Reihe wurde. Der Blick von außen hat ihm zu einer wichtigen Erkenntnis verholfen: Der Aufstieg der AfD war keine Zwangsläufigkeit. Sie konnte so viel Erfolg haben, weil die anderen Parteien ihr den Raum ließen. Wenn die CDU an diesem Freitag über die Nachfolge von Angela Merkel entscheidet, sollte ein entscheidendes Kriterium sein, wer das Zeug hat, die AfD auszubremsen. Auch Merz muss noch aufzeigen, wie das gehen soll. Denn gesucht wird kein begabter Populist. Gesucht wird eine Führung mit politischer Souveränität, die Antworten für die wichtigen zentralen Anliegen der Bürger bietet.

Alle drei Bewerber - neben Merz sind das Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn - sollten erkennen, dass die Antwort auf die AfD nicht in der permanenten Fixierung auf die AfD liegt. Denn die führt bereits in eine fatale Schieflage: Derzeit bestimmt die AfD in einem Ausmaß die politische Debatte, das weit über ihre faktische Stärke in den Parlamenten hinaus geht. Die anderen Parteien lassen sich zu oft auf Schaukämpfe ein, wie zuletzt beim Migrationspakt. Ihre Gegenstrategien verdienen den Namen nicht, sie offenbaren in den Parlamenten beklemmende Hilflosigkeit.

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Von Stefan Braun, Berlin

Die CDU hat wie auch die SPD bisher im Umgang mit der AfD versagt. Als hätten sie sich selbst verloren, changieren ihre Politiker zwischen Beschimpfen, Ignorieren und manchmal auch Kopieren. Zu oft lassen sie sich von Emotionen leiten. So war es ein Fehler, dass die anderen Parteien jetzt die AfD-Kandidatin für das Amt als Bundestagsvizepräsidentin Mariana Harder-Kühnel scheitern ließen - eine Bewerberin, gegen die sie keine Einwände vorbrachten. Mit der Ablehnung demonstrierten sie fehlenden Respekt für demokratische Regeln, die auch für die AfD und ihre Wähler gelten müssen. Wieder konnte sich die AfD als Opfer gebärden.

Wenn die CDU ihr Profil schärft, verliert die AfD ihren Resonanzboden

Was nur versprechen sich Politiker wie der Sozialdemokrat Johannes Kahrs davon, wenn sie, wie geschehen, die rechte Konkurrenz als "hässlich" beschimpfen? Niemand kann glauben, damit Wähler zurück zu gewinnen oder Unentschlossene von der AfD fern zu halten. Plump wirkt auch eine Aussage wie die des Kandidaten Merz, der bei der AfD "offen nationalsozialistische" Untertöne ausmachte. Der Vergleich geht an der Realität vorbei. Es hat von dieser Art mehr als genug gegeben. Keiner hat geholfen.

Die AfD bietet Parolen, Ressentiments und krude Inhalte, aber das wissen auch ihre Wähler. So wird diese Feststellung allein niemanden zurück zu Union und SPD führen. Entscheidend ist, dass es ihnen gelingt, durch Kontroversen wieder die Debatten zu bestimmen. Viele Bürger sehnen sich nach einem ernsthaften Ringen um Lösungen für den Pflegenotstand, den Kollaps der Infrastruktur oder die Wohnungsknappheit - und, aber nicht an erster Stelle, die Migrationspolitik.

Wenn die CDU, im Wettstreit mit den anderen, ihr Profil schärft, verliert die AfD ihren Resonanzboden. Das verlangt klare Konturen, wie sie die scheidende Chefin Merkel zu oft vermissen ließ. Wer ihr nachfolgen will, muss Begriffe wie konservativ und sozial politisch füllen. Die Bewerber haben bei den CDU-Regionalkonferenzen gezeigt, dass sie die Lücke erkannt haben. Verblüfft stellten Zuhörer fest, dass sie echt konkurrieren und Alternativen anbieten. Damit ist der Anfang gemacht.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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