Auslandseinsätze:Soll die Bundeswehr in Mali bleiben?

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Wer würde in das Vakuum vorstoßen, das ein Abzug aus Mali mit sich brächte? Bundeswehrsoldaten in Gao. (Foto: Alexander Koerner/Getty Images)

Die Ampel-Koalition steht vor der Frage, ob sie die größte und gefährlichste Mission verlängern soll - obwohl der Kampf gegen den Terror nicht vorankommt und sich russische Söldner ausbreiten.

Von Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin

Für die neue Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) stehen nach nur wenigen Wochen im Amt Richtungsentscheidungen bei den verbliebenen großen Auslandseinsätzen der Bundeswehr an. Im Zentrum steht Mali. Nach dem überhasteten Abzug aus Afghanistan im Sommer, in dessen Folge das Land zurück an die Taliban fiel, ist der Einsatz in dem westafrikanischen Krisenland die mit Abstand größte und gefährlichste Mission der Bundeswehr.

In Mali geht es der Bundesregierung im Kern darum, an der Seite Frankreichs den Vormarsch von Islamisten zu stoppen. Dazu soll unter anderem die malische Armee in die Lage versetzt werden, das Land zu verteidigen. Mit bis zu 600 Soldaten beteiligt sich die Bundeswehr an der EU-Ausbildungsmission EUTM und mit bis zu 1100 Soldaten an der UN-Mission Minusma.

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Das militärische Engagement begann 2013. Im Kampf gegen den Terror allerdings kommen die internationalen Partner nicht voran. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums räumte am Freitag ein: "Die Sicherheitslage hat sich im vergangenen Jahr in Mali weiter verschlechtert." Vor allem in Zentralmali hätten terroristische Gruppen ihre Einflussbereiche ausdehnen können.

Wer der Feind ist, scheint klar zu sein. Die Frage lautet: Wer ist noch der Partner?

Die Bundestags-Mandate für die beiden Missionen laufen Ende Mai aus. Bis dahin muss die Politik entscheiden, wie es weitergeht. Die Ampel-Koalition hat sich als Lehre aus Afghanistan vorgenommen, regelmäßig die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu evaluieren. Die Rahmenbedingungen in Mali haben sich in den vergangenen Monaten derart gravierend geändert, dass eine Fortsetzung bereits jetzt hitzig diskutiert wird.

Wer der Feind im Land ist, scheint klar zu sein. Die Frage allerdings lautet: Wer ist eigentlich noch der Partner? Im Mai 2021 hatte das durch internationale Hilfe unterstütze Militär die Übergangsregierung entmachtet. Es war bereits der zweite Militärputsch in kurzer Zeit. Der Anführer der Junta, Assimi Goïta, der maßgeblich von Deutschland ausgebildet wurde und sich zum Übergangspräsidenten ausrufen ließ, verschleppt nun die eigentlich für Februar geplanten Wahlen weiter: Bis zu fünf Jahre können die Rückkehr zur Demokratie dauern, sagte Außenminister Abdoulaye Diop in Bamako.

Außerdem stehen die neuen Machthaber unter Verdacht, russische Söldner der eng mit dem Kreml verbundenen Gruppe Wagner ins Land zu holen. Russische Kräfte, so heißt es in politischen Kreisen in Berlin, seien bereits an drei Orten im Land gesichtet worden, Vorbereitungen für weitere Verlegungen liefen. Am Donnerstag gab der Sprecher der malischen Armee bekannt, russische Truppen hätten nahe Timbuktu im Zentrum des Landes einen Stützpunkt zur Ausbildung malischer Soldaten übernommen, den Frankreich erst vor wenigen Wochen geräumt hatte.

Die EU-Staaten hatten dem Land für den Fall eines Auftrages für Wagner offen mit einem Ende des militärischen und zivilen Engagements gedroht. Mali hat ein solches Engagement bislang bestritten. Allerdings halten sich auch reguläre russische Militärausbilder in Mali auf, Moskau hat jüngst Hubschrauber geliefert. Die Trennlinien, das räumen auch westliche Geheimdienste ein, sind nicht scharf. Frankreich sieht inzwischen Belege für eine Wagner-Präsenz in Mali, die Bundesregierung ist noch zurückhaltender.

Malische Soldaten, die mit Deutschlands Hilfe ausgebildet werden, sollten womöglich noch fünf Jahre lang militärischen Machthabern dienen? Daneben operieren russische Söldner? Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hat angesichts dieser Vorstellung auch ein mögliches Ende der Mission ins Gespräch gebracht. Die Bundesregierung steuert jedenfalls auf ein Dilemma zu: Nimmt sie ihre Ansprüche an die Führung des Landes ernst, lässt sich der Einsatz kaum mehr rechtfertigen. Ein Ende - schlimmstenfalls im Alleingang - würde Deutschlands Ansehen als verlässlicher Partner in der Außen- und Sicherheitspolitik beschädigen.

Den blutigen Teil des Anti-Terror-Kampfes stemmt derzeit noch vor allem Frankreich. In Paris, wo sich Emmanuel Macron im April Präsidentschaftswahlen stellen muss, würde man sich im Stich gelassen fühlen. Und zurück bliebe zudem ein Land, das sich nicht allein gegen die islamistischen Terrorgruppe wehren kann. "Die dortigen Sicherheitskräfte sind in Quantität und Qualität noch nicht in der Lage, den Gruppen leichtbewaffneter und auf Motorrädern hoch mobiler Dschihadisten wirkungsvoll zu begegnen und die Bevölkerung vor Übergriffen zu schützen", erklärte das Verteidigungsministerium. Auch hat man in Berlin Sorge, dass Terrorgruppen von Mali aus Anschläge in Europa orchestrieren könnten.

Die Opposition baut Druck auf. "Ein Abzug, auch ein teilweiser, ist keine Option. Ein solches Vorgehen würde zu ähnlichen Verhältnissen führen wie in Afghanistan", sagt CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte der Süddeutschen Zeitung. Ginge es nach ihm, dann müsste sich Deutschland sogar stärker einbringen, in Kauf nehmen, die Soldaten in einen Kampfeinsatz zu schicken: "Ich bin dafür, das Mandat robuster durchzuführen. Der eigentliche Anti-Terrorkampf kann nicht allein bei den Franzosen liegen. Er muss in eine europäische Mission überführt werden." Die Mission würde noch einmal gefährlicher. Im vergangenen Sommer waren zwölf Soldaten bei einem Anschlag teils schwer verwundet worden. So sieht die Realität heute schon aus. "In jedem Fall müssen wir das Schutzniveau für unsere Soldaten erhöhen. Die neue Regierung muss endlich den Einsatz bewaffneter Drohnen möglich machen", sagte Otte.

Die Regierungsfraktionen der Ampel spüren, dass folgenreiche Entscheidungen auf sie zukommen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, sagte der SZ: "Es stünde der neuen Regierung gut zu Gesicht, die Fragen zu beantworten: Was wollen wir in Mali erreichen und was braucht die Bundeswehr dafür?" Auch sie sieht, dass sich die Lage verschlechtert hat.

Das Mandat beenden - aus Mangel an Erfolgen? "Wir sollten auch immer bedenken: Was passiert, wenn die internationalen Truppen abziehen. Wer füllt dann das Vakuum?" Die Russen sind längst dabei, sich als Schutzmacht zu empfehlen. Strack-Zimmermann will daher keine überhasteten Entscheidungen. Die Fragen, die zu klären sind, seien komplex. "Sie werden nicht in ein paar Wochen zu beantworten sein. Wir sollten uns dieses Jahr die Zeit dafür nehmen." Was das für die Soldaten bedeuten könnte? In Habachtstellung die nächsten Monate in Mali auszuharren - vorerst ohne klares Ziel und Perspektive.

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