Bundeswehr:Kramp-Karrenbauer muss die Zügel straff führen

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Truppenbesuch der Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer in Celle (Foto: dpa)

Die Verteidigungs­ministerin hat das Zwei-Prozent-Ziel so offensiv zur Chefinnensache gemacht, dass sie fortan daran gemessen wird. Dabei sind die Aufgaben für die Neue ohnehin schon herkulisch.

Kommentar von Joachim Käppner

Zumindest in der Kunst, zugleich für etwas und gegen etwas zu sein, bleiben die Sozialdemokraten unübertroffen. Stolz lehnen es nun führende Genossen ab, sich einem Washingtoner Diktat zu beugen und die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. Mehr Frieden wagen? Wer wollte das nicht, Erinnerungen werden wach an den SPD-Kanzler Gerhard Schröder, der 2003 aus sehr guten Gründen die Gefolgschaft verweigerte, als US-Präsident George Bush jr. die Verbündeten für den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg zu den Fahnen rief. Leider fehlt der SPD heute dabei etwas, was sie damals besaß: Glaubwürdigkeit.

Sie selber hat doch, als Partner in der großen Koalition, 2014 dem unter dem Eindruck der Ukrainekrise beschlossenen Nato-Ziel von zwei Prozent zugestimmt. Nun tut sie aus innenpolitischen Gründen so, als blicke sie in einen Abgrund von Militarismus. Kurioserweise fordert sie dennoch eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr. Die soeben vereidigte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erbt jedenfalls ein massives Problem. US-Präsident Donald Trump muss gar keine irrwitzige Aufrüstung von diesen ungeliebten Deutschen verlangen. Er treibt sie, destruktiv wie stets, einfach damit vor sich her, dass sie nicht einmal die eigenen Versprechen einhalten. Kramp-Karrenbauer aber hat das Zwei-Prozent-Ziel trotz des Widerstandes des Koalitionspartners so offensiv zur Chefinnensache erklärt, dass man sie fortan daran messen wird, mehr noch als ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen.

Die Aufgaben, vor denen die Neue steht, sind ohnehin herkulisch. Die Bundeswehr ist unterfinanziert, sie hat als Freiwilligenarmee Nachwuchsprobleme, das Beschaffungswesen bleibt ein Moloch. Natürlich sind die "zwei Prozent" eine Symbolzahl, an der vieles zu kritisieren wäre. Sie ist zu hoch, für Deutschland liefe sie fast auf die Verdoppelung des Wehretats hinaus. Sie lässt außer Acht, ob Russlands Militärmacht wirklich so bedrohlich für die Nato ist. Sie verlangt Boomstaaten wie der Bundesrepublik überproportional viel ab, weil sie sich an der Wirtschaftsleistung bemisst; zu wenig dagegen berücksichtigt sie die Auslandseinsätze, fast gar nicht Friedenspolitik mit zivilen Mitteln.

Doch wer verlangt, dass die Bundeswehr glaubhafte Abschreckung gewährleistet und sich zugleich weiterhin an friedenssichernden Einsätzen wie in Mali beteiligt, muss sie entsprechend ausstatten. Dazu würden 1,5 Prozent wohl genügen; aber selbst die stehen in den Sternen. Der Schwachpunkt liegt bei der in der Ära der Auslandseinsätze skandalös vernachlässigten Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung. Derzeit gilt es schon als Herausforderung, für die schnelle Eingreiftruppe der Nato eine Brigade von 5000 Mann auszurüsten, ohne sich Material bei anderen Einheiten zusammenzuleihen.

Von der Leyen hat manches erreicht - bessere Bezahlung, mehr Familienfreundlichkeit, vor allem ein Ende des Kaputtsparens. Doch das zusätzliche Geld, das sie herausholte, reicht hinten und vorne nicht. Zuletzt scheiterte ihr Plan, bis 2023 noch einmal 11,5 Milliarden Euro mehr für die Truppe zu bekommen. Es bleibt rätselhaft, wie auf diese Weise altes Material erneuert und neues beschafft werden soll.

Mehrzweckschiffe sollen das Aufgebot der Deutschen Marine ersetzen, das auch ohne das marode Geisterschiff Gorch Fock teils reif für den Museumshafen ist. Frankreich und Deutschland planen Kampfjets und Panzer der Zukunft. Eine moderne Luftverteidigung und die Cyber-Abwehr stehen ebenfalls oben auf der Wunschliste. Wenn Kramp-Karrenbauer liefern würde, was sie verspricht, wäre sie die erfolgreichste Verteidigungsministerin seit Jahrzehnten - aber eben nur wenn.

Ein anderes Problem kommt hinzu. In Teilen des Militärs war Ursula von der Leyen nie beliebt. Das mag sie durch nassforsches Auftreten mitverschuldet haben wie durch ihre Neigung, bei bad news gewandt auf Distanz zu gehen. Andererseits hat sie sich, als Frau anfangs belächelt, robust Respekt verschafft. Nichts wurde ihr so nachgetragen wie ihr Satz nach einem Misshandlungsskandal, die Bundeswehr habe "ein Haltungsproblem" - wovon sich die Nachfolgerin nun demonstrativ distanzierte, obwohl von der Leyen sich längst entschuldigt hatte. Die kollektive Watsche war in der Tat unangebracht, die meisten Soldatinnen und Soldaten leisten einen fordernden, oft gefährlichen Dienst für die Gesellschaft, für geringes Geld und zu wenig Anerkennung. Richtig ist aber, dass es in der Bundeswehr ein Haltungsproblem gibt, auch wenn das Schuld einer Minderheit ist.

Das sind Vorgesetzte, die Schikanen herunterspielen, die überkommenen Ritualen und sogar den letzten Wehrmachtsdevotionalien hinterhertrauern, die von der Leyen aus gewissen Kasernen fegen ließ. Diese Kreise hoffen, dass der Zügel nun lockerer wird. Umso straffer sollte Annegret Kramp-Karrenbauer ihn führen, im eigenen Interesse und dem der Bundeswehr.

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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