Deutschland:Das sind die wichtigsten Freiwilligendienste

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Werbung für den Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit Peter Tauber, der den Dienst in seiner Zeit als Staatssekretär mitentwickelt hat, und Generalleutnant Markus Laubenthal, dem stellvertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Mit einem neuen Wehrdienst im Heimatschutz will die Bundeswehr mehr Freiwillige für sich gewinnen. Kritiker befürchten eine Konkurrenz zu zivilen Programmen. Eine Übersicht.

Von Philipp Saul und Lilith Volkert

"Dein Jahr für Deutschland" - unter dieses Motto stellt das Verteidigungsministerium den neuen Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz. Die Bundeswehr will damit zusätzliche Kräfte für Krisen- und Katastropheneinsätze im Inland gewinnen. In dieser Woche beginnen 325 Rekruten und Rekrutinnen mit dem Programm; darunter 52 Frauen (16 Prozent). Insgesamt sollen im ersten Jahr 1000 Männer und Frauen ausgebildet werden. Bislang haben sich etwa 9000 Menschen beworben.

Sozialverbände kritisieren den neuen Freiwilligen Wehrdienst. Sie sehen in ihm eine Konkurrenz zu anderen Freiwilligendiensten. Peter Neher, Präsident des katholischen Wohlfahrtsverbands Caritas, sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Freiwilligendienste sind das Vorrecht der Zivilgesellschaft, nicht des Staates." Er forderte, bestehende Dienste zu stärken. Stattdessen einen - deutlich besser bezahlten - neuen Dienst zu schaffen, sei "blinder Aktionismus".

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Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wies die Kritik zurück. Die Bewerber interessierten sich gezielt für die Bundeswehr, sagte sie zum Start des Programms. "Wir nehmen mit diesem Freiwilligendienst niemandem etwas weg." Sie begrüße es aber, wenn eine Debatte über Freiwilligendienste angestoßen werde.

Neben den beiden freiwilligen militärischen Wehrdiensten gibt es in Deutschland mehrere zivile Freiwilligendienste, in denen sich Bürger engagieren können. Hier ein Überblick zu den wichtigsten Programmen:

Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz

Der neue Dienst im Heimatschutz soll zwölf Monaten dauern und in verschiedene Teile gegliedert sein. Er wird in den Dienstleistungseinrichtungen der Streitkräftebasis geleistet. Zunächst absolvieren die Rekrutinnen und Rekruten eine dreimonatige soldatische Grundausbildung, gefolgt von vier Monaten Spezialausbildung für den Heimatschutz. Dabei geht es unter anderem um Objekt- und Brandschutz, Sanitätsdienst und die Abwehr von atomaren, biologischen und chemischen Kampfmitteln.

Nach der Ausbildung sollen die Absolventen innerhalb von sechs Jahren fünf Monate Reservedienst ableisten und beispielsweise bei Katastrophen, schweren Unglücken oder in der Pandemiebekämpfung helfen. Wenn möglich, soll dies in ihrem regionalen Umfeld geschehen, Auslandseinsätze sind nicht vorgesehen.

Die Bezahlung richtet sich laut Verteidigungsministerium nach dem Soldatengesetz. Die monatlichen Nettodienstbezüge der Freiwilligen betragen etwa 1400 Euro. Die Tage im Reservedienst werden mit mindestens 87 Euro pro Tag vergütet. Bewerben können sich alle deutschen Staatsbürger, die mindestens 17 Jahre alt sind und die Vollzeitschulpflicht erfüllt haben.

Normaler Freiwilliger Wehrdienst

Schon seit 1996 gibt es den normalen Freiwilligen Wehrdienst (FWD). Weitläufig bekannt und bedeutend wurde er aber erst mit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht zum 1. Juli 2011. Im Februar 2021 dienten in der Bundeswehr 8909 freiwillig Wehrdienst Leistende.

Die Dauer liegt zwischen sieben und 23 Monaten. Rekrutinnen und Rekruten können selbst wählen, wo sie eingesetzt werden wollen, ob "beim Cyber- und Informationsraum, dem Heer, der Luftwaffe, der Marine, dem Sanitätsdienst oder der Streitkräftebasis", gibt die Bundeswehr an. Die Aufgaben im FWD richten sich auch nach bisherigen Erfahrungen und Qualifikationen. Wie im Heimatschutz liegen die monatlichen Nettodienstbezüge bei etwa 1400 Euro.

Anders als im Heimatschutz setzt der Dienst im FWD die Bereitschaft zu Auslandseinsätzen voraus, sobald die Dienstzeit zwölf Monate übersteigt. Das halte einige Menschen davon ab, zur Bundeswehr zu gehen, sagte Kramp-Karrenbauer.

Bundesfreiwilligendienst

Der "Bufdi" ist der Nachfolger des "Zivi" und erhält monatlich maximal 426 Euro. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Kein militärisches, sondern ein ziviles Programm ist der Bundesfreiwilligendienst (BFD). Er wurde vor zehn Jahren eingeführt, um den sogenannten Zivildienst zu ersetzen. Dieser Wehrersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer fiel weg, als die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde.

Wer die Schulpflicht absolviert hat, kann am BFD teilnehmen. Alter, Geschlecht, Nationalität oder die Art des Schulabschlusses spielen keine Rolle. Auch Senioren werden explizit zur Teilnahme ermuntert. Der Einsatz dauert in der Regel ein Jahr und findet vor allem in sozialen Einrichtungen oder für Umweltschutz, Sport und Kultur statt.

Der Freiwillige, in Anlehnung an den "Zivi" auch "Bufdi" genannt, erhält ein monatliches Taschengeld von maximal 426 Euro und je nach Einsatzstelle auch Unterkunft und Verpflegung. Neben professioneller Anleitung sind 25 verpflichtende Seminartage vorgesehen. Nach Angaben des zuständigen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben bisher mehr als 400 000 Freiwillige an dem Programm teilgenommen. Pro Jahr gab es damit knapp halb so viele "Bufdis" wie "Zivis" in den letzten Jahren des Wehrersatzdienstes.

Freiwilliges Soziales und Ökologisches Jahr

Älter und beliebter ist das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Schon seit 1964 können Männer und Frauen diesen Freiwilligendienst in einer sozialen Einrichtung leisten. Sie dürfen aber nicht älter als 27 Jahre sein. Jährlich absolvieren rund 50 000 junge Menschen das FSJ, Tendenz steigend. Im Gegensatz zum BFD kann der Dienst auch im Ausland geleistet werden.

1993 wurde zudem das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) eingeführt. Es dient Einrichtungen des Natur- und Umweltschutzes, etwa 3000 Stellen gibt es dort zurzeit. Für die Dauer, die Anleitung und das Taschengeld gelten beim FSJ und FÖJ dieselben Bedingungen wie beim BFD.

Internationaler Jugendfreiwilligendienst

Auch der 2011 eingerichtete Internationale Jugendfreiwilligendienst (IJFD) richtet sich an Menschen unter 27 Jahren. Er findet in Einrichtungen von etwa 130 deutschen Trägern im Ausland statt. Rund 2700 Stellen existieren dafür, Schwerpunkte sind unter anderem Versöhnungsarbeit und Demokratieförderung. Die Freiwilligen erhalten maximal 350 Euro im Monat und sollen einen "privaten Spenderkreis" für das entsprechende Projekt aufbauen.

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