Geheimdienste:Verfassungsgericht stärkt Kontrollrecht des Bundestags

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Wie viele Mitarbeiter beschäftigt das Bundesamt für Verfassungsschutz im Ausland, wollte ein FDP-Abgeordneter wissen. (Foto: Oliver Berg/DPA)

Die Regierung darf dem Parlament nicht pauschal Auskünfte über Geheimdienste vorenthalten, entscheidet Karlsruhe. Ein Abgeordneter hatte nach der Anzahl von Agenten gefragt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Frage klang nicht so, als sei Konstantin Kuhle auf spektakuläre Enthüllungen aus. Als Abgeordneter der FDP, der auch über die Struktur von Nachrichtendiensten mitentscheidet, wollte er einfach nur wissen, wie viele Mitarbeiter das Bundesamt für Verfassungsschutz in den Jahren 2015 bis 2020 im Ausland eingesetzt hat. Nicht wo, nicht wer, nicht warum - Kuhle wollte nur eine Zahl. Vor anderthalb Jahren hatte er angefragt, er wollte sich sogar mit einer als geheim eingestuften Antwort zufrieden geben. Vergebens: Das seien Informationen, "die in besonderem Maße das Staatswohl berühren", beschied ihn die Bundesregierung.

Nun wird Kuhle doch noch seine Antwort bekommen. Das Schweigen der Regierung verletzt das parlamentarische Fragerecht des Abgeordneten, entschied das Bundesverfassungsgericht. Dass die Auskunft die Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes beeinträchtigen könnte, sei nicht ersichtlich, sagte Vizepräsidentin Doris König bei der Urteilsverkündung.

Nicht jedes Fitzelchen an Information ist sicherheitsrelevant

Mit seinen Erkundigungen hatte Kuhle Licht in die Arbeitsteilung der Nachrichtendienste bringen wollen. Im Ausland ist normalerweise der Bundesnachrichtendienst (BND) unterwegs. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) firmiert hingegen als Inlandsgemeindienst, soll aber im Ausland Kontaktbeamte für dortige Dienste haben. Offiziell bestätigt wurde zudem, dass das Amt Agenten beispielsweise nach Italien und Malta entsandt hat, um an Sicherheitsbefragungen Asylsuchender teilzunehmen. Zu hören ist auch, dass BND-Beamte sich wenig erbaut über das Auftauchen des Inlandsdienstes in ihren Gefilden gezeigt haben sollen.

Anlass genug also für die Frage, ob die Konkurrenz der Dienste noch vom Auftrag des BfV gedeckt ist. Das Bundesverfassungsgericht hält zwar fest, dass der Informationsanspruch der Abgeordneten nicht grenzenlos sei. Aber der Verweis auf das angebliche "Staatswohl" zieht laut Gericht schon deshalb nicht, weil Kuhles Ansinnen vergleichsweise bescheiden war. Er wollte eine Zahl sowie eine Bewertung, was diese Zahl für die Aufgabenverteilung zwischen BfV und BND bedeute - mehr nicht.

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Die Regierung hatte zwar versucht, die Zahl der Auslandsmitarbeiter für sicherheitsrelevant zu erklären, weil sich ausländische Dienste dann auf BfV-Kapazitäten einstellen könnten. Zudem könne die Zahl zusammen mit anderen Mosaiksteinen ein aussagekräftiges Gesamtbild ergeben, selbst wenn sie, für sich genommen, harmlos wäre. Das Verfassungsgericht indes verwarf diese Mosaiktheorie. Denn damit wäre letztlich jedes Informationsfitzelchen sicherheitsrelevant - und das parlamentarische Fragerecht liefe ins Leere. Dabei sei dieses Fragerecht zentral für die parlamentarische Kontrolle der Dienste. Es habe neben dem Parlamentarischen Kontrollgremium seine eigene Berechtigung.

Und dann noch ein Wort zum "Staatswohl". Im parlamentarischen Regierungssystem, so das Gericht, sei es keineswegs nur der Regierung anvertraut, sondern auch dem Bundestag. Also könne sich die Regierung - jedenfalls, solange dort Geheimschutzregeln gelten - nicht gegen Bundestagsabgeordnete auf das Staatswohl berufen.

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