Bundestagswahl:Wolfgang Schäubles ungewisse Zukunft

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2017 wurde Wolfgang Schäuble (CDU) auch mit vielen Stimmen der Opposition zum Bundestagspräsidenten gewählt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Seit fast 50 Jahren ist der CDU-Politiker Abgeordneter. Seine Wiederwahl gilt als sicher. Doch ob er Bundestagspräsident bleiben kann, ist fraglich. Das liegt an der SPD - aber auch an Markus Söder.

Von Robert Roßmann, Berlin

Wolfgang Schäuble ist bereits bei 13 Bundestagswahlen angetreten. Seit 1972 sitzt er nun schon im Parlament - in der Geschichte der Bundesrepublik war niemand länger Abgeordneter als er. Jetzt stellt sich Schäuble zum 14. Mal zur Wahl. Und es kann gut sein, dass es dereinst heißen wird, dass das eine Kandidatur zu viel war.

Schäuble muss zwar nicht um seine Wiederwahl als Abgeordneter fürchten. Seinen Wahlkreis Offenburg hat er das letzte Mal mit mehr als 30 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. So stark kann die Union gar nicht abstürzen, dass Offenburg verloren geht. Aber Schäuble tritt ja nicht an, um Hinterbänkler zu werden. Er möchte auch als Bundestagspräsident wiedergewählt werden. Mit seinen Erfahrungen wolle er "in diesen Zeiten vielfältigen Umbruchs einen stabilisierenden Beitrag leisten", hat Schäuble erklärt.

Angela Merkel politisch zu überleben - das wäre eine Genugtuung

Für ihn wäre das aber auch eine persönliche Genugtuung. Im Jahr 2000 musste Schäuble wegen der Spendenaffäre den CDU-Vorsitz abgeben, seine Nachfolgerin wurde Angela Merkel. Wenn er Bundestagspräsident bleibt, wäre er noch in der ersten politischen Reihe - Merkel aber Pensionärin. Schäubles Freund Friedrich Merz, den Merkel vor zwei Jahrzehnten aus dem Fraktionsvorsitz gedrängt hat, versucht ja auch gerade, die Kanzlerin politisch zu überleben.

Doch jetzt steht Schäubles Plan kurz vor dem Scheitern. Nach den Usancen im Bundestag darf die größte Fraktion den Parlamentspräsidenten stellen. Als Schäuble vor einem Jahr seine erneute Kandidatur für den Bundestag erklärt hat, lagen die Unionsparteien noch zwanzig Prozentpunkte vor den Sozialdemokraten. Der Vorsprung schien unverspielbar zu sein. Doch jetzt sehen die Umfragen die SPD auf Platz eins. Bei so einem Wahlergebnis wäre Schäuble sein Amt in jedem Fall los.

Doch selbst wenn die Unionsparteien am 26. September vor der SPD bleiben, ist Schäubles Wiederwahl in Gefahr. Wenn die Union in die Opposition muss, haben CDU und CSU nur noch zwei Spitzenämter zu besetzen: den Vorsitz der Unionsfraktion und das Amt des Bundestagspräsidenten. Warum sollten sie dann für eines dieser beiden Ämter einen Mann vorschlagen, der seine politische Zukunft hinter sich hat? Schäuble wird in wenigen Tagen 79 Jahre alt. Außerdem würde Schäuble für den Gang in die Opposition mitverantwortlich gemacht werden. Seine harte Intervention gegen CSU-Chef Markus Söder war ein wesentlicher Grund dafür, dass der in weiten Teilen der Union unbeliebtere Armin Laschet Kanzlerkandidat wurde.

Schäuble hat Söder verhindert. Das nimmt die CSU ihm übel

Aber auch, wenn die Union am Wahltag nicht nur stärkste Fraktion wird, sondern auch die realistische Chance bekommt, eine Regierung anzuführen, ist Schäubles Wiederwahl nicht garantiert. Auch dann dürfte es Forderungen nach einem Generationswechsel geben. Und das Amt könnte für jemand gebraucht werden, der anderweitig nicht mehr unterkommt, aber nicht verprellt werden soll.

Außerdem gibt es inzwischen Vorbehalte in der Unionsfraktion gegen Schäuble - vor allem im CSU-Teil. Die Christsozialen nehmen dem Bundestagspräsidenten sein Verhalten im Ringen um die Kanzlerkandidatur außerordentlich übel. Söder macht daraus gar keinen Hehl. Das zeigt auch eine Äußerung des CSU-Chefs im ARD-Sommerinterview.

Horst Seehofer hat jahrelang versucht, den Aufstieg Söders zu verhindern. Laschet hat Söder einen harten Kampf um die Kanzlerkandidatur geliefert. Aber auf die Frage des Fernsehmoderators, wer der härtere Rivale gewesen sei, Seehofer oder Laschet, antwortete Söder nur mit einem Wort: "Schäuble".

Maaßen sei "unbestreitbar Demokrat", sagt Schäuble. Das missfällt einigen

Bei seiner Wahl zum Parlamentspräsidenten vor vier Jahren hatte Schäuble 501 der 705 abgegebenen Stimmen erhalten - und damit auch viel Zuspruch aus den Reihen der Oppositionsfraktionen. Doch auch die hat Schäuble jetzt schwer verprellt. Im SWR verteidigte der Bundestagspräsident die Aufstellung des ehemaligen Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen zum Direkt-Kandidaten der CDU in einem Thüringer Wahlkreis. "Herr Maaßen ist unbestreitbar Demokrat", sagte Schäuble.

In der CDU sehen das nicht alle so. Maaßen ist durch eine Vielzahl an Äußerungen aufgefallen, die auch von AfD-Politikern hätten stammen können. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, sie ist auch Mitglied in Laschets "Zukunftsteam", hat deshalb indirekt dafür geworben, Maaßen nicht zu wählen. Die nordrhein-westfälische Staatssekretärin und Laschet-Vertraute Serap Güler hatte die Nominierung Maaßens sogar mit dem Satz kommentiert: "Wie kann man so irre sein und die christdemokratischen Werte mal eben über Bord schmeißen?"

Am Wochenende kritisierten SPD und Grüne Schäubles Äußerung heftig. Schäuble mache deutlich, dass das Gedankengut von Maaßen in der CDU "explizit erwünscht und anerkannt" sei, schrieb SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Die CDU habe "echt komplett ihren Kompass verloren, die Brandmauer nach rechts gibt es nicht mehr". Und Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, schimpfte, Schäuble werde mit der Aussage zu Maaßen "seiner Verantwortung als Bundestagspräsident in keiner Weise gerecht".

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