Endspurt zur Bundestagswahl:"Bei dieser Wahl geht es um alles"

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Wahlplakate in Berlin: Kampf bis zum Schluss. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Zwischen Warnungen vor linken Jusos und Angstmacherei: Mit gegenseitigen Attacken taumelt der Wahlkampf dem Ende entgegen.

Es ist der Tag vor der Bundestagswahl. Ein spannender Wahlabend deutet sich an und noch auf den letzten Metern werben die Parteien um unentschlossene Wähler. So sind Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und Kanzlerin Angela Merkel am Samstag zu ihrer letzten Kundgebung in Laschets Heimatstadt Aachen aufgetreten. "Es ist nicht egal, wer regiert", sagte Merkel . "Es geht morgen darum, dass Deutschland stabil bleibt", fügte sie hinzu und rief zur Wahl der Union auf. Merkel kritisiert, dass andere Parteien nur an das Verteilen von Geld denken würden. "Erarbeiten und Verteilen sind aber zwei Seiten einer Medaille", sagt sie. Steuererhöhungen drohten den Aufschwung zu strangulieren. Auch außenpolitisch könne man nur mit Hilfe der Partner rechnen, wenn Deutschland selbst mehr in die Bundeswehr und die Sicherheit investiere, sagt sie mit Verweis etwa auf die Anschaffung bewaffneter Drohnen.

Laschet warnte erneut vor einer Beteiligung der Linken an einer Regierung im Bund . "Wir brauchen eine stabile Regierung", sagte er in Aachen. Er wolle nicht, dass die Linke an der nächsten Bundesregierung beteiligt werde. Er prophezeie, "wenn es morgen eine Mehrheit gäbe für Rot-Rot-Grün, werden sie es machen". Die letzten Stunden vor der Wahl müssten genutzt werden. "Wenn Ihr Stabilität in Deutschland wollt, muss morgen die CDU/CSU auf Platz eins liegen", sagte Laschet an die Zuhörer gewandt.

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In bayerischer Kulisse führen Ministerpräsident Markus Söder und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Nockherberg ihre Solidarität mit Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet vor. Auch Grüne und SPD haben München als Bühne ausgiebig genutzt.

Von Roman Deininger, Andreas Glas, Anna Hoben und Joachim Mölter

Zudem forderte Laschet mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Dafür müssten auch Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. "Wir sind in Deutschland da zu langsam", sagte er. "Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen, brauchen wir mehr Tempo, schnellere Plan- und Genehmigungsverfahren." Er werde sich das "persönlich als Bundeskanzler vornehmen, hier mehr Tempo zu machen", versprach er. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 sei ambitioniert, sagte der CDU-Chef unter Zwischenrufen von Gegnern. Allerdings mahnte er einen sozialverträglichen Umbau zu einer klimaneutralen Industrie. "Wir müssen das sozialverträglich hinkriegen. Sonst bricht dieses Land zusammen."

Der SPD warf er vor, in Nordrhein-Westfalen 50 Jahre die "Kohle-Partei schlechthin" gewesen zu sein und jetzt so zu tun, als stehe sie "an der Spitze der Umweltbewegung". Er warnte auch vor "ideologischen Experimenten" in der Wirtschaftspolitik im Falle eines Wahlsiegs der SPD. Damit werde "alles verspielt, was wir in den letzten 16 Jahren aufgebaut haben". Seine etwa 25-minütige Rede beendete Laschet mit den Worten: "Ich will Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden und bitte um Eure Unterstützung." SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist am Samstag vor allem in seinem Wahlkreis in Potsdam unterwegs.

Auch zuvor gingen sich Union und SPD im Endspurt noch einmal scharf an. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warnte er in der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten erneut davor, dass in der SPD nach der Wahl der linke Flügel um den Parteivize und ehemaligen Juso-Chef Kevin Kühnert den Ton angeben werde. "Mehr als 50 Jungsozialisten werden voraussichtlich der künftigen SPD-Bundestagsfraktion angehören", sagte Ziemiak. Das bedeute eine "massive Linksverschiebung" der SPD. "Nach der Wahl werden die Genossen von Kevin Kühnert die Macht übernehmen."

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil entgegnete bei denselben Zeitungen: "Die Union ist nach 16 Jahren Merkel kaputt und ideenleer." Sie müsse auf die Oppositionsbank. Die Union habe keine Idee für die Zukunft des Landes und dazu noch einen Kanzlerkandidaten, "den Partei und die Wählerinnen und Wähler nicht wollen", so der SPD-Politiker. "Deshalb basiert der komplette Wahlkampf von CDU und CSU auf Angstmacherei und Attacken gegen die SPD."

Scholz: "Das Momentum für die SPD ist ungebrochen"

Angesprochen darauf, dass die Union in Umfragen zuletzt ein wenig Boden gut gemacht hatte, sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Freitagabend der Bild: "Es gibt viele, viele Umfragen gegenwärtig und alle zeigen, dass die SPD (...) vorne liegt und dass das Momentum für die SPD ungebrochen ist." Er habe das große Vertrauen, dass die Bürgerinnen und Bürger "mir einen Auftrag geben, die nächste Regierung zu bilden".

Bei der Abschlusskundgebung der Sozialdemokraten in Köln hatte Scholz zuvor gesagt, er spüre bei vielen Menschen den Wunsch nach Aufbruch und Veränderung. Dafür brauche es dringend einen Regierungswechsel.

Beim Wahlkampfabschluss der Union in München betonte CSU-Chef Markus Söder, es werde so knapp wie nie. "Aber ja, liebe Freunde, wir werden am Sonntagabend das Spiel noch drehen, die SPD abfangen und die Nummer 1 in Deutschland werden." Kanzlerkandidat Laschet warnte erneut vor einer rot-rot-grünen Bundesregierung. Die Union müsse jetzt das Erbe von 16 Jahren Angela Merkel weitertragen. "Wenn wir das jetzt falsch machen, kann all das verspielt werden, was in 16 Jahren geleistet worden ist", so Laschet.

Am Samstag beendet außerdem die FDP mit Bundesparteichef Christian Lindner ihren bundesweiten Wahlkampf mit Kundgebungen in Köln und Düsseldorf. Grüne, AfD und Linke hatten ihre offiziellen Schlussveranstaltungen bereits am Freitag absolviert. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock warb dabei in Düsseldorf für einen ökologischen Aufbruch. "Diese Wahl ist eine Klimawahl", sagte Baerbock in Düsseldorf vor Hunderten Zuhörern. "Bei dieser Wahl geht es um alles."

Tatsächlich könnte es spannend werden am Sonntag. In den Umfragen konnte die SPD ihre Führung zuletzt halten, teilweise aber nur sehr knapp. Sie lag je nach Meinungsforschungsinstitut bei 25 bis 26 Prozent - und damit ein bis vier Prozentpunkte vor der Union. Im neuen ZDF-"Politbarometer" kämen CDU/CSU laut der am Donnerstagabend veröffentlichten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen auf 23 Prozent. Die SPD liegt unverändert bei 25 Prozent. Die Grünen liegen in den Umfragen auf dem dritten Platz.

Aber ist das alles valide? Der Ausgang der Wahl gilt angesichts der zahlreichen noch unentschlossenen Wählerinnen und Wähler als offen. Grundsätzlich spiegeln Wahlumfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang. Große Unsicherheiten also bleiben.

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