Umstrittenes Gesetz:Weil sieht noch kein Ende von Cannabis-Debatte

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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil spricht im Interview. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archivbild)

Mit einem Gesetz werden der Konsum sowie der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenzter Menge für Erwachsene erlaubt. Die Meinungen dazu gehen in Niedersachsen weiter deutlich auseinander.

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Berlin/Hannover (dpa/lni) - Trotz der Zustimmung des Bundesrats zum umstrittenen Cannabis-Gesetz ist das Thema für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) noch nicht vorbei. „Ich bin ziemlich sicher, das Thema Cannabis, das wird uns eine ganze Weile beschäftigen“, sagte Weil am Freitag nach der Abstimmung im Bundesrat. Die Bundesregierung sei sehr gut beraten, die vorangegangene Diskussion in der Öffentlichkeit sehr ernst zu nehmen und sich selbst zu fragen, an welchen Stellen ein solches Gesetz womöglich nachträglich korrigiert werden müsse.

Cannabis-Konsum soll bald legal sein

Trotz vieler Kritikpunkte gab es im Bundesrat keine Mehrheit dafür, das Gesetz der Ampel-Koalition in den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament zu schicken und so vorerst auszubremsen. Niedersachsen hatte sich nach Angaben einer Regierungssprecherin enthalten bei der Abstimmung über eine Anrufung des Vermittlungsausschusses.

Mit dem Gesetz werden der Konsum sowie der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenzter Menge für Erwachsene ab 1. April erlaubt. Legal sein soll ab 18 Jahren grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen erlaubt sein und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Kiffen im öffentlichen Raum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden.

Weiterhin deutliche Kritik am Cannabis-Gesetz aus Niedersachsen

Auch in Niedersachsen kam in der jüngsten Vergangenheit aus verschiedenen Richtungen deutliche Kritik am Cannabis-Gesetz - etwa aus den Justiz- und Innenministerien. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, sagte kürzlich, dass das Gesetz ein Fehler sei: „Die Legalisierung des Cannabiskonsums wird in Deutschland zu mehr Suchterkrankungen führen.“

CDU-Politikerin Carina Hermann zeigte sich enttäuscht nach der Abstimmung im Bundesrat. „Es ist bedauerlich, dass Ministerpräsident Stephan Weil sich gegenüber seinem grünen Koalitionspartner nicht durchsetzen konnte und das obwohl sowohl das Innen-, Justiz- und Gesundheitsministerium davor gewarnt hatten.“ Die Freigabe berge erhebliche Risiken für die Gesundheit. „Wir sind fest davon überzeugt, dass eine solche Politik die Zahl der Suchtkranken erhöhen und die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen wird, zudem wird dadurch die Justiz über Gebühr belastet“, sagte die Oppositionspolitikerin. Bremens Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) sieht den Schritt ebenfalls kritisch: „Der ohnehin stark belasteten Justiz entsteht ein hoher Prüfaufwand und damit Arbeit, die vermeidbar gewesen wäre.“

Grünen-Ministerin sieht wichtigen Schritt zur Entkriminalisierung

Niedersachsen Verbraucherschutzministerin Miriam Staudte (Grüne) zeigte sich hingegen erleichtert. „Das Cannabis-Gesetz ist ein wichtiger Schritt zur überfälligen Entkriminalisierung. Klar ist doch: Der bisherige Präventionsansatz, Cannabis-Konsumenten zu Straftätern zu machen, ist gescheitert.“

Neben Cannabis wurden weitere Themen im Bundesrat beraten. Trotz heftiger Proteste von Landwirten hat der Bundesrat den Abbau von Agrardiesel-Subventionen beschlossen und ein milliardenschweres Wachstumspaket für die Wirtschaft. Die Länderkammer gab am Freitag nach langem Ringen grünes Licht für beide Vorhaben der Ampel-Koalition. Die Bundesregierung kündigte zugleich Unterstützung für die Landwirtschaft an.

Paket für Unternehmen fällt kleiner aus als geplant

Ursprünglich sollte das sogenannte Wachstumschancengesetz ein Rundumschlag für alle Branchen sein, der Firmen in der Konjunkturflaute entlastet und Investitionen in den Klimaschutz anregt. Im Bundestag war das Gesetz beschlossen worden, doch die Länder stoppten es im Bundesrat, weil sie hohe Einnahmeausfälle befürchteten. Im Vermittlungsverfahren, in dem Vertreter von Bundestag und Bundesrat Kompromisse suchen, wurde das Volumen des Gesamtpakets von einst geplanten sieben Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden pro Jahr zusammengestrichen. Eine staatliche Prämie für Klimaschutz-Investitionen soll es nun doch nicht geben.

Agrardiesel-Subvention wird trotzdem abgebaut

Bisher können sich Betriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Um eine Milliardenlücke im Bundeshaushalt zu stopfen, hatte die Ampel-Koalition eine schrittweise Streichung beschlossen. Für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen soll es keine Subventionen mehr geben.

Die Bauern sollen nun auf anderem Weg entlastet werden. Dazu gehört etwa die Erleichterungen bei Düngeregeln und weniger Dokumentationspflichten für Tierhalter. Außerdem soll die sogenannte Tarifglättung für sechs Jahre wieder eingeführt werden. Bei der Berechnung der Einkommensteuer wird dann nicht nur ein Steuerjahr herangezogen, sondern mehrere. Dadurch können Ertragsausfälle zum Beispiel durch extremes Wetter ausgeglichen werden.

Ministerpräsident Weil sagte, die Maßnahmen im Streit um die Landwirtschaft würden in die richtige Richtung weisen. „Am Ziel ist man allerdings noch nicht angekommen. Zu viele Themen bleiben noch ohne konkretes Ergebnis und eine Gesamtbewertung ist auf dieser Grundlage nicht möglich.“

Krankenhausgesellschaft sieht weiterhin große Probleme

Im Bundesrat ging es auch um die finanzielle Situation der Krankenhäuser. Ein Gesetz sieht mehrere Regelungen vor, um die Liquidität der Kliniken zu stärken. Unter anderem sollen Lohnsteigerungen frühzeitig von den Kassen refinanziert werden. Das Gesetz soll eine grundlegende Reform zur Neuaufstellung der Kliniken mit Änderungen bei der Finanzierung ergänzen, an der Bund und Länder derzeit arbeiten.

Die niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) sieht weiterhin große Probleme bei der finanziellen Situation der Krankenhäuser: „In der entscheidenden Frage zur wirtschaftlichen Absicherung der Kliniken gibt es keine konkrete inhaltliche Festlegung, weiterhin nur die in ihrer Wirkung maßlos überschätzten Liquiditätshilfen“, sagte Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG.

© dpa-infocom, dpa:240322-99-430988/3

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