Brexit:Feilschen um den Fisch

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Die Fischer aus der EU befürchten große Einbußen, wenn ihre Fangquoten in britischen Gewässern drastisch gesenkt werden. (Foto: Pascal Rossignol/Reuters)

Am Sonntagabend ist eine weitere Frist verstrichen, um sich auf die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU zu einigen. Streitpunkt sind Fangquoten - und Europas Fischer schlagen bereits Alarm.

Von Björn Finke und Alexander Mühlauer, Brüssel/London

Die EU gerät in den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien von zwei Seiten unter Druck: Beim Streit um Fangquoten von EU-Fischern in britischen Gewässern bewegen sich Brüssel und London aufeinander zu, aber die britische Regierung fordert weitere Zugeständnisse, damit doch noch der Abschluss eines Handelsvertrags gelingt. Zugleich warfen am Wochenende bereits europäische Fischereiverbände dem EU-Verhandlungsführer Michel Barnier vor, ihre Interessen auszuverkaufen.

Außerdem droht Ärger mit dem Europaparlament: Die Abgeordneten verlangten, dass ein Abkommen in der Nacht zu diesem Montag fertig verhandelt wird. Allerdings wies am Sonntagabend nichts darauf hin, dass die Frist eingehalten würde. Vertreter der britischen Regierung hatten schon vorige Woche klargemacht, dass sich die Gespräche bis nach Weihnachten hinziehen könnten.

Angedacht war eine Sondersitzung des EU-Parlaments am 28. und 29. Dezember, bei der ein Abkommen gebilligt werden könnte. Die Abgeordneten beschlossen aber vorige Woche, dass sie dies nur machen werden, wenn sie den Vertrag von diesem Montag an in den Ausschüssen prüfen können. Und dafür hätte er rechtzeitig vorliegen müssen. Allerdings können die EU-Regierungen auch entscheiden, ein Abkommen am 1. Januar vorläufig in Kraft zu setzen, ohne vorherige Zustimmung des Europaparlaments. Ohne gültigen Vertrag würden dagegen zum Jahreswechsel Zölle und Zollkontrollen eingeführt, zum Schaden der Wirtschaft: Dann endet die Übergangsphase, in der Großbritannien Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion bleibt.

Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock sagte am Sonntag in einem Fernseh-Interview, er sei sich "sicher, dass ein Deal gelingen kann, aber offensichtlich braucht es Bewegung auf der EU-Seite" mit ihren bisher "unvernünftigen Forderungen". Knackpunkte seien weiterhin die Vorgaben für fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen in Großbritannien und denen in der EU sowie die Fangquoten.

Aus dem Umfeld der Verhandler hieß es jedoch, bei den Fangquoten für die fischreichen britischen Gewässer würden die Differenzen kleiner. So will London offenbar EU-Fischern einräumen, 40 Prozent ihrer bisherigen Mengen weiter zu fangen. Bislang wollten die Briten nur 20 Prozent erlauben. Barnier wiederum fordert 75 Prozent für die EU-Fischer - zuvor waren es mehr als 80 Prozent. Der Unterhändler hatte sich vor der neuen Offerte am Freitag mit den EU-Regierungen besprochen.

Insgesamt geht es um Fangmengen im Wert von 650 Millionen Euro jährlich. Der Abstand zwischen 40 und 75 Prozent ist weiter groß, und London ist mit Barniers Vorstoß unzufrieden. Zugleich klagte aber die European Fisheries Alliance, die Lobbygruppe der EU-Flotten, am Wochenende, dass das Angebot der EU mit seinen "brutalen Kürzungen" einen "Riesenschlag" darstelle. Gesamtwirtschaftlich betrachtet ist Fischerei jedoch sowohl in Großbritannien wie in der EU nahezu unbedeutend.

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