Brandenburg: Nach der Landtagswahl:Tendenz zur großen Koalition

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Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck würde gern weiter mit der CDU regieren - doch nun umwirbt ihn auch die Linke.

C. von Bullion

Er hat jetzt also freie Wahl und zwei Bewerberinnen, die sich alle Mühe geben werden, ihm entgegenzukommen. Nach einer Wahlnacht, die für Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) mit einem Schrecken begann und mit einem sicheren Sieg zu Ende ging, hat er am Montag gleichberechtigte Sondierungsgespräche sowohl mit der CDU als auch mit der Linkspartei angekündigt.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will mit Linke-Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser (r.) und Johanna Wanka von der CDU Sondierungsgespräche führen. (Foto: Foto: dpa)

Möglichst schnell soll in Potsdam eine Koalition gebildet werden und bis November das Regierungsbett gemacht sein. Wer da rein darf, wird Platzeck wohl von der Mitgift abhängig machen, die ihm die jeweilige Braut verspricht. Und selbstverständlich von seinen Neigungen, die eher bürgerlicher Natur sind, jedenfalls bisher.

Mit 33 Prozent haben die Brandenburger ihren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck bestätigt und zurück an seinen Schreibtisch in der Staatskanzlei geschickt. Ein ansehnlicher Erfolg ist das, vor allem verglichen mit den Ergebnissen im Bund, die Platzeck, als sie ihn am Wahlabend erreichten, erst mal erschüttert und verunsichert wirken ließen.

Auch war zunächst nicht klar, ob die Linkspartei die SPD in Brandenburg einholen würde. Als spät in der Nacht alle Stimmen ausgezählt waren, standen die großen Parteien dann fast wieder so da wie vor der Wahl. Die Linke kam auf 27,2 und die CDU auf 19,8 Prozent. Neu im Landtag ist mit 7,2 Prozent die FDP, und als Überraschungssieger gingen die Grünen mit 5,6 Prozent ins Ziel. Rechtsextremisten sitzen nicht mehr im Parlament.

Ein gestärkter Platzeck trat dann am Montag vor die Presse - und legte erstmal die Spielregeln beim gegenseitigen Beschnuppern fest. Er wird zuerst mit der Linkspartei Sondierungsgespräche führen. Das dürfte die Nervosität bei der CDU wachsen lassen und mit ihr, so Platzecks Kalkül, auch die Bereitschaft zu Kompromissen.

"Positives rot-rotes Projekt"

Bei der Linken wiederum hofft man, nun endlich erhört zu werden. Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser hat am Montag erneut um die Gunst der SPD gebuhlt. "Ein positives rot-rotes Projekt ist möglich", sagte sie. Mit den Linken könne die SPD ihre sozialen Ziele umsetzen, man verstehe sich doch bestens beim Thema Mindestlohn oder wenn es um mehr Personal in Schulen und Kitas gehe. Mit der CDU dagegen habe die SPD nichts zu lachen.

Matthias Platzeck ließ nicht erkennen, ob er gedenkt, das Werben der Linken zu erhören. Er wird sich so spät wie möglich auf einen Koalitionspartner festlegen, schließlich ist die Drohung mit dem jeweils anderen Bündnis sein wirkungsvollstes Druckmittel. "Ich möchte mich bemühen, dass Brandenburg eine stabile Regierung bekommt, die fünf Jahre hält", sagte er nur, und dass ihm "mit Sicherheit nicht unkomplizierte Sondierungsgespräche" bevorstünden. Genaue inhaltliche Absprachen seien ihm jetzt wichtiger als ein hohes Tempo.

Nun ist es aber kein Geheimnis, dass Platzeck die CDU grundsätzlich für die bessere Partnerin hält. Denn erstens ist sie schwächer als die Linke, also leichter steuerbar. Zweitens kennt er die Union besser, die SPD regiert in Brandenburg seit zehn Jahren mit ihr. Und drittens kann Platzeck bei den Konservativen auf Unterstützung beim wichtigsten Thema der nächsten Jahre zählen: der Bewältigung der Wirtschaftskrise, die die Landesregierung zu einem noch strengeren Sparkurs zwingen wird als bisher. Auch bei der Energiepolitik zieht die CDU mit der SPD an einem Strang. Sie hat - anders als die Linkspartei - nichts dagegen, dass Platzeck neben Windparks und Solarfabriken auch die Löcher des Braunkohletagebaus wachsen lässt und in der Klimafrage auf die unterirdische Verpressung von Kohlendioxid setzt.

Handfeste Konflikte

Es gibt aber auch handfeste Konflikte zwischen Rot und Schwarz, bei der Arbeitsmarktpolitik etwa. Die SPD will Niedriglöhnen entgegenwirken, hierzu sollen öffentliche Aufträge nur noch an solche Firmen vergeben werden, die Tariflöhne zahlen. Das ließe sich über das Vergabegesetz regeln, die CDU aber lehnt dies ab.

Auch in der Schulpolitik gehen die Vorstellungen auseinander. Die SPD will Kinder möglichst lange gemeinsam lernen lassen und ein Schüler-Bafög für Abiturienten aus armen Familien einführen. Die CDU will lieber leistungsstarke Kinder fördern und Begabtenklassen an Gymnasien ausweiten. Ein Kompromiss, wie er in Berlin angestrebt wird, ist hier noch nicht in Sicht: ein gestaffeltes System, in dem sowohl Gemeinschaftsschulen als auch leistungsstarke Gymnasien nebeneinander existieren.

Bleibt die Personalfrage, die vor der Wahl Spekulationen ausgelöst hat. Mit Sven Petke, dem affärenaffinen Innenexperten der CDU, will Platzeck nicht am Kabinettstisch sitzen, hieß es. Und was passiert, fragten Beobachter, wenn die Brandenburger CDU unter 20 Prozent rutscht und die alte Petke-Truppe gegen die neue Parteichefin Johanna Wanka putscht? Nichts dergleichen aber zeichnet sich ab. CDU-Chefin Wanka hat ihr Wahlziel zwar nicht erreicht, die CDU ist unter 20 Prozent.

Ein Putsch aber ist nicht in Sicht. In der Führungsmannschaft der CDU weiß man sehr genau, dass diese Parteichefin ein Glücksfall ist, und es wünscht sich wohl auch keiner eine Rückkehr zu den Kleinkriegen der vergangenen Jahre. Petke hat man anderweitig versorgt, statt Minister soll er CDU-Fraktionschef werden. "Es ist ja nicht möglich, dass alle guten Leute Minister werden", sagte CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski beschwichtigend. Er selbst hätte übrigens gern den Posten des Umweltministers.

Wer in welcher Parteienkombination was machen soll, ist die letzte der vielen offenen Fragen. "Alles, was Personen angeht, kommt ans Ende des Liedes", sagte Ministerpräsident Platzeck. Herumgesprochen hat sich bisher nur, dass der Ministerpräsident der Linkspartei nicht das Finanzministerium überlassen will. Wer dieses wichtige Schlüsselressort leiten soll, ist die wohl kniffligste Personalfrage. Platzecks bisheriger Finanzminister und Kronprinz Rainer Speer (SPD) wird vermutlich Innenminister. Bekäme die Linkspartei aber weder Innen noch Finanzen, hätte sie keines der beiden wichtigsten Querschnittsressorts - was in Verhandlungen zum Stolperstein werden könnte. Nicht viel klarer wäre die Lage bei Rot-Schwarz. Hier könnte die CDU-Chefin und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka Finanzministerin werden. Rechnen kann die Mathematikprofessorin schließlich, aber sie zögert. Schon möglich, dass die schwarze Braut noch ein bisschen überredet werden will.

© SZ vom 29.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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