Attacken auf Flüchtlinge:"Vor die Menschen stellen, die angegriffen werden"

Lesezeit: 1 Min.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. (Foto: dpa)
  • Thüringens Ministerpräsident Ramelow warnt davor, die Flüchtlingsdebatte noch weiter anzuheizen.
  • Der Linken-Politiker fordert klare Worte von Kanzlerin Merkel. "Wir Politiker müssen uns vor die Menschen stellen, die angegriffen werden", sagt er der SZ.
  • Für die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat die Gewalt mittlerweile "terroristische Züge" angenommen.

Von Oliver Das Gupta

"Aus Worten können Brandsätze werden"

Appell aus Erfurt: Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow fordert Angela Merkel auf, sich mäßigend in der Debatte um Flüchtlinge und Asylmissbrauch zu positionieren. "Bundeskanzlerin und Bundesregierung müssen endlich Farbe bekennen", sagt der Linken-Politiker am Mittwoch zur SZ. Es müsste endlich klare Worte geben, aus denen klare Handlungen erwachsen. Angesichts brennender Asylbewerberunterkünfte sei es höchste Zeit, aktiv zu werden: "Wir Politiker müssen uns vor die Menschen stellen, die angegriffen werden."

Ramelow kritisiert, dass Personen des öffentlichen Lebens die Flüchtlingsdebatte noch befeuern würden. "Wer jetzt von einer Welle vom Balkan schwadroniert, der weckt Urängste. Das ist unanständig", sagt der Linken-Politiker.

Fremdenfeindlichkeit
:Angriffe auf Flüchtlingsheime häufen sich dramatisch

Das Bundesinnenministerium zählte im ersten Halbjahr 202 Angriffe auf Flüchtlingsheime - so viele wie im gesamten Jahr 2014.

Wenn immer nur von unberechtigt in Deutschland lebenden Flüchtlingen geredet werde, schürt das Ramelow zufolge ein bestimmtes Klima. Solche Aussagen kritisiere er, egal ob sie von einem Bischof, einem Politiker oder Journalisten kämen, sagt Ramelow. "Aus Worten können Brandsätze werden."

"Ein gesamtdeutsches Problem"

Die wachsende Fremdenfeindlichkeit und die Gewalt gegen Ausländer hält Ramelow für "ein gesamtdeutsches Problem". Gewalt und Drohungen gegen Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer gebe es nicht nur in Ostdeutschland.

Auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl appelliert an die Kanzlerin. Sie und die zuständigen Minister dürften diese erschreckende Entwicklung nicht länger schweigend hinnehmen. Ziel der Täter sei es, Angst und Schrecken zu verbreiten und politische Gegner einzuschüchtern. "Die rassistische Gewalt hat damit längst terroristische Züge angenommen."

Die Zahl der - meist rechts motivierten - Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte ist in den vergangenen Monaten rasant gestiegen. Die Polizei registrierte allein im ersten Halbjahr 2015 gut 200 Delikte dieser Art - und damit etwa so viel wie im gesamten vergangenen Jahr.

© Süddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: