Zunächst war nur von einem Böller die Rede, der mit lautem Knall in einer Nacht im Februar im Flur eines Asylbewerberheims im sächsischen Freiberg explodierte. Erst vor wenigen Wochen gab die Polizei bekannt: Es war ein selbstgebauter Sprengsatz, den unbekannte Eindringlinge damals zur Detonation brachten. Zuvor hatten sie die Tür zur Wohnung einer syrischen Flüchtlingsfamilie aufgetreten. Sieben Bewohner des Heims erlitten Knalltraumen.
Freiberg und Tröglitz in Sachsen, Reichertshofen in Bayern, Remchingen in Baden - Anschläge auf Gebäude, in denen Flüchtlinge einziehen sollen oder bereits wohnen, häufen sich dramatisch. Allein im ersten Halbjahr 2015 hat das Bundeskriminalamt (BKA) 202 politisch motivierte Straftaten gezählt, bei denen eine Flüchtlingsunterkunft selbst Tatort oder direktes Angriffsziel war. Das sind jetzt schon so viele wie im gesamten Jahr 2014 - und dreimal so viele wie im ganzen Jahr 2013. Das gab das Bundesinnenministerium am Donnerstag in Berlin bekannt.
Die allermeisten der diesjährigen Taten, nämlich 173, rechnet das BKA dem rechtsextremen Spektrum zu. Bei 22 dieser Delikte handelte es sich um Gewaltdelikte wie Körperverletzungen und Brandstiftungen.
Bayerns Innenminister Herrmann weist Vorwürfe zurück
Als "besorgniserregend" bezeichnete Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die in den Angriffen zutage tretende Fremdenfeindlichkeit, "insbesondere in dieser Aggressivität, wie wir sie nun erleben". Schuster kritisierte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der von "Asylmissbrauch" gesprochen hatte: Zwar hätten die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte bereits vor dessen Aussagen stattgefunden. Seehofers Worte würden jedoch die Gefahr bergen, "eine Stimmung im Land zu fördern, die genau solche Auswüchse provozieren kann", sagte Schuster der Süddeutschen Zeitung.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wies den Vorwurf zurück, die Flüchtlingspolitik des Freistaats schüre Ressentiments: "Das beste Mittel gegen Rechtsextremismus ist, dass der Staat konsequent handelt", sagte er im ZDF.