Spionageprozess:"Den BND nicht verraten"

Lesezeit: 3 Min.

Mitte Dezember 2023 begann vor dem Berliner Kammergericht einer der größten Spionageprozesse in der jüngeren deutschen Geschichte. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Ein Mitarbeiter des Auslandsnachrichtendienstes soll Staatsgeheimnisse an Russland verkauft haben. Bisher hat Carsten L. zu den Vorwürfen geschwiegen. Jetzt präsentiert er seine Version.

Von Christoph Koopmann, Berlin

Carsten L. will etwas klarstellen. Bisher hat er immer still in einem Glaskasten gesessen, jetzt tritt er erstmals nach vorne, ans Mikrofon. Seit Dezember steht L. in Berlin vor Gericht. Der Vorwurf: Landessverrat. Der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) soll Staatsgeheimnisse an Russland verkauft haben - unter anderem Stellungen westlicher Waffensysteme in der Ukraine und Details darüber, wie der Westen eine Kommunikationsapp der Söldnermiliz Wagner überwacht. Kurz vor Weihnachten 2022 wurde er festgenommen. Seitdem hat Carsten L. zu den Vorwürfen geschwiegen. Aber an diesem Mittwoch will er dem Gericht nun seine Version der Ereignisse präsentieren.

Das Vorwort überlässt er allerdings erst einmal seinem Verteidiger Johannes Eisenberg. Dessen Erklärung könnte man kurz und knapp zusammenfassen: Der Angeklagte wollte der Bundesrepublik doch nur helfen.

Der Fall ist so brisant wie komplex. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 53-Jährigen vor, dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB die Geheimdokumente über einen Boten zugespielt zu haben, den Geschäftsmann Arthur E. Auch er ist hier in Berlin angeklagt. Dieser Arthur E., 33 Jahre alt und mit buntem Portfolio von Diamantenminen bis Kryptowährungen, ist auch der Hauptbelastungszeuge der Anklage.

Arthur E. hat im Januar schon vor Gericht ausgesagt. Er und L. kennen sich, soweit stimmen die Schilderungen der beiden überein, über einen gemeinsamen Bekannten aus Weilheim in Oberbayern. Über einen befreundeten Geschäftsmann aus Russland ist dann E. zufolge eher zufällig der Kontakt zu sinistren Kreisen in Moskau entstanden. Es sei BND-Mann Carsten L. gewesen, der gesagt haben soll, er habe da etwas "für Russland, für deinen Freund".

L. nennt den Zeugen Artur E. einen "Schwätzer"

E. sagte, er sei im Glauben, ja schließlich für den BND zu arbeiten, mit den Dokumenten nach Moskau geflogen und habe sie dort zwei Russen übergeben. Erst später habe er verstanden, dass es sich um FSB-Agenten handelte. Sie hätten ihn unter Druck gesetzt, mehr zu liefern. Was er dann auch getan habe. Das ist, grob umrissen, E.s Version.

L.s Version lautet, dass Arthur E. ein "Schwätzer" ist. In der Familie L. habe man ihn nur "Blabla" genannt, sagt Anwalt Eisenberg. Einer, der viel redet, aber nicht liefert. BND-Mann L. hoffte nach seiner Darstellung darauf, dass E. ihm mit seinen Kontakten bei einer seiner dienstlichen Aufgaben helfen könnte. Nicht beim Verrat des BND, sondern im Gegenteil: bei der Wahrung der Sicherheit des Nachrichtendienstes.

Carsten L. war zum fraglichen Zeitpunkt, im Sommer und Herbst 2022, beim BND in einer Doppelrolle unterwegs, ganz offiziell. Noch war er in der Abteilung "Technische Aufklärung" tätig, die zum Beispiel für die Überwachung von fremdem Armeefunk zuständig ist. Zugleich übernahm er schon Aufgaben von seinem neuen Posten, den er bald übernehmen sollte - als Referatsleiter für Fragen der personellen Sicherheit. Damals habe es den Verdacht gegeben, führt L.s Anwalt aus, dass ein BND-Mitarbeiter in Moskau möglicherweise von russischen Geheimdiensten unter Druck gesetzt werde und mit diesen zusammenarbeite. Arthur E. habe wiederum behauptet, er kenne jemanden in Moskauer Sicherheitskreisen, der wisse, wer dort in westlichen Botschaften auf der "Payroll" der Russen stehe.

L. sitzt im dunklen Anzug zwischen seinen Verteidigern, als er dem Vorsitzenden Richter Detlev Schmidt erklärt, wie das gelaufen sei. E. habe ihm von seinen illustren Kontakten in Afrika erzählt - die Diamantengeschäfte. "Hohe Militärs, Staatspräsidenten", erinnert sich L. Genau nach solchen Informanten suche der BND: "Leute, die rumkommen, die Kontakte haben. Leute, die 'n Arsch in der Hose haben." Deshalb hat er ihn auch offiziell als Zuträger angeworben. Man traf sich öfter, meist in Bars, auch mal im Bordell Artemis in Berlin.

"Da war ich nicht begeistert"

Am Abend des Bordellbesuchs habe E. fallen lassen, dass er über eben jenen Kontakt in Russland verfüge. Da habe er sich gedacht, sagt Carsten L., dass sein neuer Informant seine Quelle doch mal anzapfen solle. Zweimal sei Arthur E. im Herbst 2022 mit diesem angeblichen Auftrag nach Moskau geflogen. Mitgebracht habe er aber nichts, sagt L.: "Da war ich nicht begeistert."

Es geht an diesem Mittwoch ansonsten viel um zeitliche Abläufe, um Treffen, bei denen laut Anklage Verratsdokumente übergeben worden sein sollen - die laut L. aber entweder nicht oder ganz anders stattgefunden haben sollen, als die Bundesanwaltschaft und sein Mitangeklagter sagen. Der Vorsitzende beschränkt sich auch in seinen Fragen eher auf solche Details. Knapp dreieinhalb Stunden dauert die Befragung insgesamt, L. wird nur manchmal ungeduldig, wenn ihm Nachfragen überflüssig erscheinen. Arthur E. sitzt hinter ihm im Glaskasten und schüttelt fast durchgängig den Kopf.

Am Vormittag hatte Carsten L.s Verteidiger seine Erklärung mit einer Beteuerung geschlossen: "Der Angeklagte wollte und hat den BND nicht verraten." Auch am Donnerstag will L. aus dem Glaskasten treten und reden. Dann wollen die Staatsanwälte des Generalbundesanwalts ihm ebenfalls Fragen stellen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivAfD
:Mit Cash über die Grenze

Die US-Bundespolizei FBI hat den AfD-Politiker Maximilian Krah während einer USA-Reise zu möglichen Zahlungen aus dem Kreml-Umfeld befragt. Eine größere Summe Bargeld, die Krah bei seiner Einreise dabeihatte, wirft nun weitere Fragen auf.

Von Florian Flade, Roland Preuß, Katja Riedel und Jörg Schmitt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: