USA:Biden führt, aber wer siegt?

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Kurz vor der Wahl liegt der Demokrat in den Umfragen vorn - doch am Ende werden einige wenige Bundesstaaten entscheiden, ob er Trump als US-Präsident ablösen wird.

Von Christian Zaschke, New York

255 Millionen Amerikaner sind an diesem Dienstag dazu berechtigt, den nächsten Präsidenten der USA zu wählen - und mehr als 95 Millionen Bürger haben ihre Stimme bereits abgegeben, darunter der amtierende, republikanische Präsident Donald Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden. In manchen Bundesstaaten dürfen diese Voten unmittelbar nach der Abgabe ausgewertet werden, in anderen darf mit der Auszählung erst nach Schließung der Wahllokale am Dienstagabend begonnen werden. Es gilt daher als gut möglich, dass in der Wahlnacht zunächst unklar bleibt, wer die Abstimmung gewonnen hat.

Als entscheidend könnte sich der Bundesstaat Pennsylvania erweisen. Joe Biden führt dort den jüngsten Umfragen zufolge mit fünf bis sieben Prozentpunkten Vorsprung. Dennoch bietet dieser Staat noch die beste Chance für Trump, im Amt zu bleiben. Es sei denn, die Umfragen liegen so falsch wie 2016, als Trump Hillary Clinton entgegen aller Prognosen besiegte. Selbst wenn die Erhebungen im Mittel drei Prozentpunkte zu Trumps Ungunsten danebenliegen, würde es für Joe Biden zur Mehrheit von 270 Stimmen im Gremium der Wahlmänner und -frauen reichen.

Das bedeutet keineswegs, dass Bidens Wahl sicher ist. Trump kann es sich erlauben, von den Staaten, die er 2016 gewonnen hat, zum Beispiel Michigan und Wisconsin zu verlieren. Dort führt Biden mit bis zu zehn Prozentpunkten Vorsprung. Solange Trump Pennsylvania hält, wo er 2016 mit weniger als einem Prozentpunkt Vorsprung gewann, bleibt er im Weißen Haus - vorausgesetzt, er verliert keine weiteren Staaten.

Allerdings führt Biden auch in Florida und in Arizona. In Georgia und in Iowa liegt er ungefähr gleichauf. Selbst in Texas, das sonst zuverlässig republikanisch wählt, ist Biden nicht vollkommen chancenlos. So gut sahen die Umfragen für die Demokraten zuletzt 2008 aus, als Barack Obama mit großem Vorsprung gewann - bekanntlich mit Joe Biden an seiner Seite, der acht Jahre lang als Vizepräsident fungierte.

Sollte Trump in Florida verlieren, wäre es ihm nur noch sehr theoretisch möglich, die Wahl zu gewinnen. Jedoch: Möglich wäre es, und wenn es eine Lehre aus der Abstimmung von 2016 gibt, dann die, dass man sich davor hüten sollte, voreilige Schlüsse über den Ausgang der Präsidentschaftswahl zu ziehen.

Unter Trumps Anhängern kursiert die These, dass die schlechten Umfragewerte des Präsidenten damit zu tun haben, dass viele seiner Wähler an den Erhebungen nicht teilnehmen oder nicht die Wahrheit sagen. Wer in den vergangenen Wochen mit Republikanern sprach, bekam wieder und wieder zu hören, dass es ein stilles Reservoir an Trump-Wählern gebe, das unter dem Radar bleibe. Manche Fans des Präsidenten gehen davon aus, dass es sich um bis zu zehn Prozent der Wähler handele und Trump daher vor einem Erdrutschsieg stehe. Auf Daten basiert diese These nicht, aber sie ist weit verbreitet.

Die größte Sorge der Demokraten ist, dass Trump sich frühzeitig zum Sieger ausruft

Mehrmals hat Trump in den vergangenen Tagen verkündet, der Sieger müsse in der Wahlnacht feststehen. Hintergrund dürfte sein, dass traditionell die Mehrzahl der Briefwahlstimmen auf die Demokraten entfällt, während das Gros der Republikaner persönlich am Wahltag abstimmt. Vielerorts werden diese persönlich abgegebenen Stimmen zuerst ausgezählt. Es könnte also passieren, dass es zunächst so aussieht, als liege Trump in Führung, dass sich das Bild aber ändert, je mehr Briefwahlstimmen gezählt werden.

Die größte Sorge der Demokraten ist daher, dass Donald Trump sich frühzeitig zum Sieger ausruft, obwohl es noch kein Ergebnis gibt. In Pennsylvania zum Beispiel werden auch Briefwahlstimmen gezählt, die bis zu drei Tage nach der Abstimmung eintreffen, sofern sie einen Poststempel vom 3. November oder früher aufweisen. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass ein erbitterter Kampf entbrennen wird, falls das Ergebnis nicht so klar ist, dass sich alle weiteren Fragen erübrigen. Die pessimistischsten Beobachter fürchten, dass es zu Gewalt auf den Straßen kommen könnte.

Eines ist gewiss: Wer auch immer aus dieser Wahl als Sieger hervorgeht - knapp die Hälfte des Landes wird ihm in tiefer Ablehnung gegenüberstehen.

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