Betreuungsgeld:Wohnzimmer statt Wissenschaft

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Muss im kommenden Jahr 100 Millionen Euro zum umstrittenen Betreuungsgeld beitragen: das Bildungsministerium um Ministerin Johanna Wanka. (Foto: dpa)

Neun Milliarden Euro will die große Koalition bis 2018 zusätzlich in Bildung und Forschung investieren, verkündet Bildungsministerin Wanka. Heikel ist allerdings, wie viel Geld in das umstrittene Betreuungsgeld fließen soll.

Von Johann Osel, München

Ihre Rede im Bundestag strotzte vor Superlativen, und Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte auch allen Grund dazu. Neun Milliarden Euro will die große Koalition bis 2018 zusätzlich in Bildung und Forschung investieren - drei Milliarden durch ein eigenes Paket, sechs Milliarden über die Entlastung der Länder, indem der Bund unter anderem das Bafög allein finanziert.

Eine glückliche Ministerin konnte im Juni verkünden, man sei in "Forschung und Entwicklung eine Spitzennation geworden. Unsere Stellung als Spitzennation ist jetzt auch zukünftig gesichert". Flankiert mit dem Hinweis: "Es geht nicht immer darum, wie viel Geld man zur Verfügung hat, sondern es geht auch darum, was man mit dem Geld macht." Was genau man damit macht, löst nun aber Erstaunen aus.

100 Millionen Euro für das Betreuungsgeld

Der Einzelplan für den Haushalt - er liegt der Süddeutschen Zeitung vor - zeigt: Von knapp 135 Millionen Euro aus dem Drei-Milliarden-Paket, die der Bund schon 2015 ausgeben will, werden fast 100 Millionen für das Betreuungsgeld verbucht. Ausgerechnet für eines der umstrittensten Projekte der Regierung - und nicht für Wissenschaft. Andere Posten aus dem Einzelplan 2015 wirken da winzig: zum Beispiel zwei Millionen Euro für Forschung an den Fachhochschulen. Verbucht wird der Zuschuss für das Betreuungsgeld als Ressortumlage. Ein gängiges Etat-Instrument, das man durchaus auch so definieren kann: Es wird an allen Ecken Geld zusammengekratzt. Andere Ministerien zahlen ebenso mit.

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:100 Millionen Euro Betreuungsgeld aus dem Forschungsetat: eine Art Anti-Bildungsprojekt?

Die große Koalition möchte Bildung fördern und investiert bis 2018 zusätzlich neun Millionen in Bildung und Forschung. Eine nicht zu unterschätzende Summe fließt bis 2015 ins umstrittene Betreuungsgeld. Wie viel hat das noch mit Bildung zu tun?

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Doch im Bildungsetat bekommt die Causa eine heikle Note. Seit gut einem Jahr gibt es das Geld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen und nicht in eine Kita geben - mittlerweile 150 Euro im Monat. Vor allem auf Druck der CSU wurde das eingeführt.

Kritiker sagen, dass gerade weniger gebildete Eltern, deren Kinder von früher Förderung profitieren würden, Kitas nun meiden. Eine Art Anti-Bildungsprojekt. Abgeordnete, auch aus einer Regierungsfraktion, äußerten auf Anfrage Unmut. Der SPD-Bildungsexperte Swen Schulz sagte: "Statt Forschung wird das Betreuungsgeld finanziert - das ist haarsträubend. Diese Altlast der schwarz-gelben Koalition müsste aus dem Gesamthaushalt und nicht mit Forschungsmitteln finanziert werden."

Deligöz: "Hier werden jungen Menschen Chancen genommen"

Die grüne Haushaltsexpertin Ekin Deligöz sagte: "Die Einschnitte durch die Ressortumlage sind überall sehr schmerzhaft. Im Bildungsministerium sind sie ungewöhnlich hoch." Zu befürchten seien Kürzungen andernorts: "Hier werden jungen Menschen Chancen genommen - und zwar zugunsten eines Projekts, das jungen Menschen von vornherein die Chancen nimmt." Eine Stellungnahme des Ministeriums war am Montag zunächst nicht zu erhalten.

Zwar ist das Neun-Milliarden-Paket weiterhin beeindruckend. Das in den Ländern frei werdende Geld soll in Kitas, Schulen und Unis fließen. Direkt will der Bund zudem Studienplätze und den Krippenausbau fördern. Dass 2015 ein so großer Posten nicht für Bildung ausgegeben wird, sondern für eine familienpolitische Leistung, sei aber "bemerkenswert", hieß es in Koalitionskreisen.

Erst am Montag hat der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, in der Rheinischen Post die Abschaffung der Leistung gefordert: "Wir können nicht einerseits den Kita-Ausbau forcieren und andererseits Eltern dafür bezahlen, dass sie ihre Kinder nicht in die Kitas geben."

© SZ vom 14.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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