US-Präsident Donald Trump hat sich bei einem Gespräch mit den Spitzen der Europäischen Union über Deutschland beschwert. Bei dem Treffen im EU-Ratsgebäude in Brüssel habe Trump am Donnerstag mehrfach den deutschen Handelsüberschuss beklagt und diesen als "schlecht, sehr schlecht" bezeichnet, berichteten Teilnehmer. Trump machte klar, dass die Verringerung des US-Handelsdefizits für ihn absolute Priorität genieße. In Wirtschafts- und Handelsfragen habe es keinerlei Annäherung gegeben, hieß es. Trump kam am Morgen zunächst mit den Präsidenten von Europäischem Rat und EU-Kommission, Donald Tusk und Jean-Claude Juncker, zusammen. Im Anschluss gab es ein Gespräch in größerer Runde.
Als kleiner Erfolg wurde gewertet, dass die US-Regierung und die EU nun versuchen wollen, mögliche Gemeinsamkeiten auszuloten. So soll Trump einem Vorschlag Junckers zugestimmt haben, einen Aktionsplan ausarbeiten zu lassen. Dieser soll mögliche Felder der Zusammenarbeit beinhalten. Man backe da erst einmal "kleine Brötchen", hieß es. An eine Wiederbelebung der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP sei derzeit jedoch nicht zu denken. Juncker sprach von "zu vielen Divergenzen".
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Die Bundeskanzlerin verschärft den Ton gegenüber der Türkei: Falls die türkische Regierung im Streit um das Besuchsverbot für Abgeordnete nicht einlenke, sagt sie, "müssen wir Incirlik verlassen".
Der Konflikt in Wirtschaftsfragen schwelt seit Trumps Amtsantritt. Die EU will der nationalistischen America-First-Politik des US-Präsidenten entgegentreten und sich als Verfechter offener Märkte positionieren. Die Europäer sind entschlossen, jene Lücke zu füllen, welche die USA nach Trumps Abkehr vom Welthandel hinterlassen werden. Zurzeit verhandelt die EU-Kommission etwa 20 Handelsverträge weltweit, darunter mit Ländern wie Japan, Singapur und Vietnam. Die Europäer wollen die neue Lage für sich nutzen.
Trump warf der EU bei seinem Besuch in Brüssel erneut vor, mit unfairen Mitteln Überschüsse im Handel mit den Vereinigten Staaten zu erzielen. Der US-Präsident hatte bereits mehrfach angekündigt, Produkte aus Europa mit hohen Strafzöllen zu belegen. Sollte Trump dies tatsächlich tun, könnte es auf europäischer Seite zu Vergeltungsmaßnahmen kommen. Die EU bereitet sich auf mögliche Schritte vor.
Auch in der Klimapolitik zeigten sich große Differenzen. Die Europäische Union kritisierte die unklare Haltung der US-Regierung zum Pariser Klimaschutzabkommen. Trump hat den Klimawandel öffentlich bezweifelt. Es blieben einige Fragen offen, sagte EU-Ratspräsident Tusk nach mehr als einstündigen Beratungen. "Und ich bin nicht zu 100 Prozent sicher, dass wir heute sagen können, wir hätten eine gemeinsame Position zu Russland", erklärte Tusk. Trumps mildere Töne gegenüber der Regierung in Moskau stoßen vor allem in Osteuropa auf Misstrauen. Zumindest in der Ukraine-Politik liege man mit der US-Regierung aber offenbar "auf der gleichen Linie", sagte Tusk.
Einigkeit sollte bei einem Treffen Trumps mit den Staats- und Regierungschefs aller Nato-Staaten demonstriert werden. "Viel steht auf dem Spiel. Es geht um unsere Sicherheit in einer immer weniger sicheren Welt", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Mit scharfen Vorwürfen gegen Verbündete konterkarierte Trump aber die eigentlich geplante Inszenierung bei der Übergabe des neuen Hauptquartiers an die Nato. "23 von 28 Staaten zahlen nicht, was sie zahlen sollten", klagte Trump. Dies sei unfair gegenüber "dem Volk und den Steuerzahlern der USA". Der Präsident wiederholte auch die Behauptung, dass einzelne Mitglieder der Allianz große Summen schuldeten.
Die Nato-Staaten bekräftigten das Ziel, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen und bekannten sich zu einer stärkeren Rolle der Nato im Kampf gegen den Terrorismus. So kamen sie Trump entgegen, der die Nato vor seinem Amtsantritt als "obsolet" bezeichnet hatte. Die Nato-Staaten wollen dem 2014 als "Richtwert" vereinbarten Ziel, bis 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, nun durch jährliche nationale Fortschrittsberichte mehr Gewicht verleihen. Den Wert von zwei Prozent nannte Trump das "absolute Minimum".
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD), der die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zusammen mit Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begleitete, betonte indes, es gebe kein "apodiktisches Zwei-Prozent-Ziel". Gegen ursprünglichen Widerstand Deutschlands und Frankreichs beschloss die Nato auch den Beitritt zur Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Merkel bezeichnete das als "starkes Zeichen". Deutschland übernehme aber keine neuen Aufgaben. Ausgeweitet werden soll der Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen der Nato. Die Teilnahme an Kampfeinsätzen schloss die Allianz aber aus.