Berlusconi in Bedrängnis:Italienische Regierung in "dramatischer Lage"

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Dauerstreit in der eigenen Regierung und Druck aus der EU setzen dem italienischen Premierminster Berlusconi stark zu. Beim EU-Gipfel am Mittwoch muss Italien ein neues Sparprogramm vorlegen. Berlusconi soll angeblich schon über einen möglichen Rücktritt gesprochen haben. Doch in allerletzter Minute hat sich die Regierungskoalition nun offenbar auf Reformvorschläge geeinigt, noch am späten Abend soll ein Brief an die EU-Partner verschickt worden sein.

Andrea Bachstein, Rom und Cerstin Gammelin, Brüssel

Die Regierung von Italiens Premier Silvio Berlusconi steht wegen eines Streits um weitere Sparbemühungen und Wirtschaftsreformen am Rande des Scheiterns. In Rom hieß es am Dienstagabend zwar, Berlusconi werde seinen EU-Partnern noch in der Nacht einen Brief mit den geplanten Maßnahmen schicken. Damit will er Forderungen der EU erfüllen, die ihm ein Ultimatum bis zum EU-Gipfel an diesem Mittwoch gesetzt hat.

Für Italiens Premierminister Berlusconi spitzt sich die Lage zu: Seine Regierung steht vor dem Zerbrechen, ein Ultimatum der EU erhöht den Druck. (Foto: AFP)

Innenpolitisch bleibt der Premier aber in großer Bedrängnis, weil sein Koalitionspartner Lega Nord einen Teil des von der EU verlangten Sparprogramms weiter nicht mittragen will - die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre. Als Ausweg aus der Krise soll Berlusconi in einer Unterredung mit Staatspräsident Giorgio Napolitano am Montag sogar erstmals selbst die Möglichkeit seines Rücktritts ins Spiel gebracht haben.

Die EU-Kommission forderte Italiens Premier am Dienstag nochmals eindringlich auf, beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs konkrete Spar- und Reformpläne vorzulegen. Berlusconi habe "eine detaillierte Aufstellung verschiedener Maßnahmen" zugesagt, erklärte eine Sprecherin. Die Behörde erwarte, dass er dieses Versprechen spätestens auf dem Gipfel einlöse.

Nach einer ergebnislosen Sondersitzung des Kabinetts am Montagabend beriet die Regierung in Rom am Dienstag erneut. Laut Vorlagen für die Sitzung ging es dabei um die Reform des Arbeitsmarktes, die Privatisierung von Staatsfirmen und die umstrittene Anhebung des Rentenalters. Berlusconis Koalitionspartner Lega Nord sperrte sich zunächst strikt gegen jede Änderung der Altersversorgung. Erst in letzter Minute zeichnete sich eine Annäherung ab. Lega-Chef Umberto Bossi wollte aber nicht von einer Einigung sprechen. Er sagte nur, ein Lösungsweg sei in Sicht. Man müsse jetzt sehen, was Europa dazu sage. Er bleibe pessimistisch, ob die Regierung überleben werde und er bestehe darauf, dass das Rentenalter nicht angetastet wird.

Ohne die Lega Nord wäre Berlusconi im Parlament ohne Mehrheit. Bossi war aber zumindest bis zum Abend offenbar eher bereit, die Regierung scheitern zu lassen als einzulenken. "Ich würde die Lage als dramatisch bezeichnen", hatte er gesagt. Es bestehe das Risiko einer Regierungskrise. Dies würde nach der Verfassung erfordern, dass entweder die Regierung umgebildet wird, sich eine neue Mehrheit formiert oder es zu Neuwahlen kommt.

Schlechtes Krisenmanagement

Berlusconis ohnehin angeschlagene Position ist durch die demütigende Behandlung beim Euro-Treffen am Wochenende in Brüssel weiter geschwächt worden. Er hatte am Montag zwar kämpferisch mitgeteilt, niemand in der EU habe das Recht, andere zu belehren. Doch Angela Merkel und Nicolas Sarkozy hatten mit ihren Mahnungen öffentlich klargemacht: Berlusconi selbst ist ein wesentlicher Grund für das mangelnde Vertrauen in Italiens Krisenmanagement.

Präsident Napolitano kritisierte zwar den Umgang mit Italien, verlangte aber vom Premier, es müsse Schluss sein mit Ankündigungen. Wirtschafts- und Strukturreformen müssten jetzt festgelegt werden: "Wir müssen alle nötigen Entscheidungen treffen, um das Risiko zu mindern, dem unsere Staatsanleihen auf den Finanzmärkten ausgesetzt sind, und unsere Anstrengungen glaubwürdiger zu machen."

© SZ vom 26.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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