Regierungssuche in Berlin:So starten CDU, SPD und Grüne in die Sondierung

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Bettina Jarasch von den Grünen, Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (Mitte) und der CDU-Wahlsieger Kai Wegner sondieren nun die Regierungsoptionen. (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Der Wahlsieger CDU führt an diesem Freitag erste Gespräche mit Sozialdemokraten und Grünen. Sie werden mit Spannung erwartet, doch manche Christdemokraten geben sich gelassen. Sie schauen schon auf die Berlin-Wahl 2026.

Von Miriam Dahlinger und Jan Heidtmann, Berlin

Wahlen sind eigentlich dazu gedacht, die politischen Verhältnisse zu klären. In Berlin ist dies am vergangenen Sonntag eher leidlich gelungen. So tauchten zwei Tage später auf einer Poststelle des Bezirks Lichtenberg noch 466 nicht gezählte Briefwahlstimmen auf; in Friedrichshain-Kreuzberg wiederum waren offenbar Ergebnisse falsch in die Datenbank eingegeben worden. Fehler, die auch bei anderen Wahlen passieren. Aber Berlin ist ja seit Herbst 2021 auf Bewährung.

Auch das Wahlergebnis selbst mutet den Parteien eine kniffelige Aufgabe zu. Die CDU hat die Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus mit gut 28 Prozent überragend gewonnen, SPD und Grüne kamen jeweils auf etwas mehr als achtzehn Prozent. Die Zahl der tatsächlich denkbaren Regierungskoalitionen liegt damit bei drei. Über zwei davon soll an diesem Freitag erstmals ernsthaft gesprochen werden: Schwarz-Rot und Schwarz-Grün.

Schon der Ort signalisiert: Klimaschutz ja, aber er soll nicht wehtun

Die CDU hat auf den Campus des Europäischen Energieforums eingeladen, die Delegation der Sozialdemokraten wird um zehn Uhr erwartet, die Unterhändler der Grünen kommen am Nachmittag. Der Ort selber ist dabei schon als Signal der CDU an ihre Gäste zu verstehen. Rund 150 Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen arbeiten auf dem Campus an der Zukunft der nachhaltigen Stadt, hier steht auch Deutschlands größte Solartankstelle. Der Ansatz entspricht der Programmatik der CDU: Klimaschutz ja, aber er soll nicht wehtun. Technologische Entwicklung statt Restriktionen.

Es sind sogenannte Sondierungsgespräche, es geht also darum zu schauen, ob es sich überhaupt lohnt weiterzureden. Man gehe ohne Agenda in diese Runden, sondern hoffe auf "ergebnisoffene Gespräche", heißt es aus Parteikreisen. Am Ende, so die Idee, solle ein "Berlin-Bündnis" mit einer der beiden Parteien unter Führung der CDU stehen. Die Christdemokraten haben dabei trotz ihres Wahlsiegs eine gewisse Bringschuld. Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin der Grünen, beklagte Anfang der Woche den "harten und auch aggressiven" Wahlkampf. Auch bei den Sozialdemokraten hat es einige Verletzungen gegeben.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Verhandlungsführer Kai Wegner (CDU), Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zusammenkommen. Bereits nach der Pannenwahl 2021 schien es kurz so, als könnten sich SPD und CDU ein Bündnis vorstellen. "Es waren viele Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen da", sagte Wegner damals direkt nach dem Gespräch. Doch der eher linke Landesverband der Berliner SPD stellte sich dagegen, es kam zur Regierungskoalition mit den Grünen und der Linken.

Die Chancen für eine große Koalition stehen kaum besser als 2021

Diesmal geht die CDU als Wahlsieger in die Gespräche, und glaubt man den Umfragen, wünscht sich eine große Mehrheit der Berliner ein Bündnis aus CDU und SPD. Das liegt vor allem daran, dass sich beide Parteien in zentralen Fragen wie der Wohnungs- und der Verkehrspolitik oder der Inneren Sicherheit näherstehen als CDU und Grüne. Die Chancen für eine solche große Koalition sind dennoch kaum besser als vor anderthalb Jahren.

Das liegt vor allem am Selbstverständnis von Franziska Giffey und ihrer Partei. Die Sozialdemokraten können das Rote Rathaus nur halten, wenn sie die Regierung mit den Grünen und der Linken fortsetzen. Bei der SPD herrsche immer noch das Bewusstsein, ihr gehöre die Stadt, heißt es bei den Christdemokraten. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit der SPD als Juniorpartner sei da nur schwer möglich. Schon die großen Koalitionen zwischen 2011 und 2016 seien wenig vertrauensvoll gewesen. Und da war die CDU noch der kleinere Partner.

Das ist einer der Gründe, weshalb es in der Führung der CDU auch Sympathien für ein Bündnis mit den Grünen gibt. Inhaltlich gelten sie als der schwierigere Partner, atmosphärisch aber nicht. Strittige Themen wie die Verkehrspolitik müssten in einem Bündnis sehr pragmatisch gelöst werden, heißt es bei der CDU. Zum Beispiel, indem die Grünen für den eher linksalternativen Innenstadtbereich zuständig wären, die CDU für das Berlin außerhalb des S-Bahnrings. Das Problem seien eher die unversöhnlichen Aussagen des Spitzenkandidaten Wegner, der während des Wahlkampfs eine Zusammenarbeit kategorisch ausschloss. Ein Widerspruch, der an der Basis der CDU nun schwer aufzulösen sei.

Die Riege profilierter Köpfe in der Berliner CDU ist überschaubar

Die stark polarisierenden Aussagen der CDU nach den Krawallen an Silvester, zur vermeintlichen Dysfunktionalität Berlins oder zum Autoverkehr haben sicherlich dazu geführt, dass der Protest nicht in größerem Umfang bei der AfD landete. Doch diese Zuspitzungen belasten jetzt nach der Wahl nicht nur die Sondierungsgespräche. Führende CDU-Mitglieder befürchten, dass bei den Berlinern Erwartungen geschürt worden seien, die auch ein CDU-geführter Senat nur schwer einlösen kann. Denn allen Beteiligten sei klar, dass die Stadt mit der Klimaerhitzung umgehen müsse. Oder dass es keine einfachen Lösungen für die Probleme gebe, die zu den Randalen zum Jahreswechsel führten.

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Außerdem ist die Riege profilierter Politiker in der Berliner CDU eher überschaubar. Das liegt sicherlich an der langen Zeit in der Opposition, aber auch an der Eigenart des Landesverbandes, kompetente Christdemokraten, die von außen dazugestoßen sind, regelmäßig zu verprellen. Ausnahmen sind die Schulpolitik, die Innere Sicherheit oder Justiz; auch Generalsekretär Stefan Evers wird ein Amt als Senator zugetraut. Bei einem CDU-geführten Senat sei es jedoch wichtig, dass nicht altgediente Berliner Parteifunktionäre mit Posten bedient würden, sagt ein Christdemokrat. Kompetenz müsse im Zweifelsfall auch von außen geholt werden.

Doch auch ein Scheitern der Sondierungsgespräche wird von manchen Parteigängern nicht als Katastrophe angesehen. Dann könnte der amtierende Senat aus SPD, Grünen und der Linken noch einmal gute drei Jahre regieren. Danach, bei den Wahlen 2026, würden um so mehr Berliner die CDU wählen.

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