SPD-Mitgliedervotum:54,3 Prozent für große Koalition in Berlin

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Nach der Entscheidung der Berliner SPD-Mitglieder kann Kai Wegner (CDU) Regierender Bürgermeister werden und damit Franziska Giffey ablösen. (Foto: ANNEGRET HILSE/REUTERS)

Eine knappe Mehrheit der Genossinnen und Genossen billigt den Koalitionsvertrag mit der CDU. Der Christdemokrat Kai Wegner kann jetzt Regierender Bürgermeister werden.

Von Robert Roßmann, Berlin

Für den CDU-Politiker Kai Wegner ist der Weg an die Spitze der Bundeshauptstadt frei. Die Berliner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey teilte am Sonntag mit, dass bei einer Mitgliederbefragung die Mehrheit der Genossinnen und Genossen den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD gebilligt habe. An der Abstimmung hätten 11 886 der 18 555 SPD-Mitglieder teilgenommen. 11 379 Stimmen seien gültig gewesen. Davon seien 54,3 Prozent Ja-Stimmen.

An diesem Montag muss noch ein CDU-Parteitag den Koalitionsvertrag billigen, dort gilt eine Mehrheit aber als sicher. Dann kann sich Wegner im Abgeordnetenhaus der Wahl zum Regierenden Bürgermeister stellen. CDU und SPD verfügen dort über 86 der insgesamt 159 Sitze. Die Abstimmung soll am 27. April stattfinden.

Der erste CDU-Bürgermeister seit Diepgen

Wegner wäre der erste Regierende Bürgermeister aus den Reihen der CDU seit Eberhard Diepgen. Diepgen stand bis 2001 an der Spitze der Hauptstadt. Derzeit ist Giffey Regierende Bürgermeisterin. Sie hatte nach den großen Verlusten der SPD bei der Wiederholungswahl ihrer Partei vorgeschlagen, Juniorpartner in einer großen Koalition zu werden. Giffey will als Senatorin Teil der Regierung bleiben. Die CDU hatte bei der Wiederholungswahl mehr als zehn Prozentpunkte hinzugewonnen und rangiert jetzt bei 28,2 Prozent. Die SPD kommt nur noch auf 18,4 Prozent.

Gegen die Empfehlung für eine große Koalition hatte es in der SPD erhebliche Widerstände gegeben - auch deshalb, weil die bisherige rot-grün-rote Koalition trotz großer Verluste im Abgeordnetenhaus weiter eine rechnerische Mehrheit hat. Sie ist sogar größer als die einer großen Koalition. Außerdem gibt es in Teilen der Berliner SPD enorme Vorbehalte gegen Wegner und seine CDU. Den Christdemokraten wird zum Beispiel ihr Verhalten nach den Silvesterkrawallen vorgeworfen - sie hatten damals nach den Vornamen der mutmaßlichen Täter gefragt.

Mehrere SPD-Kreisverbände - unter ihnen der von Giffey - hatten sich deshalb gegen eine große Koalition ausgesprochen. Die Jungsozialisten kritisierten den Koalitionsvertrag als "ein schwarzes Korsett mit roten Schleifen" und forderten eine Fortsetzung des bisherigen Bündnisses mit Grünen und Linken. Dafür hatten sich in den vergangenen Tagen auch führende Politiker von Grünen und Linken ausgesprochen. Eine weitere Koalitionsoption wäre aber auch Schwarz-Grün gewesen.

Zu der Wiederholungswahl des Abgeordnetenhauses war es gekommen, weil es bei der ursprünglichen Wahl im September 2021 erhebliche Unregelmäßigkeiten gab. Im November 2022 hatte der Berliner Verfassungsgerichtshof deshalb entschieden, dass die Wahl wiederholt werden muss.

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Ein Nein der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag hätte in dem Landesverband vermutlich zu erheblichen personellen Konsequenzen geführt. Giffey und SPD-Fraktionschef Raed Saleh - er ist zusammen mit Giffey auch SPD-Landesvorsitzender - hatten sich vor dem Mitgliedervotum vehement für eine große Koalition stark gemacht. Ein Nein der Mitglieder zum Koalitionsvertrag wäre deshalb praktisch auch eine Misstrauenserklärung gegenüber Giffey und Saleh gewesen.

Die beiden hatten argumentiert, dass der Koalitionsvertrag mit der CDU eine klare sozialdemokratische Handschrift trage. Zu seinen Schwerpunkten würden zum Beispiel stärkere Anstrengungen beim Wohnungsbau oder ein Milliardenprogramm für den Klimaschutz gehören. Außerdem würde die SPD genauso viele Senatoren stellen dürfen wie die deutlich stärkere CDU. Trotzdem sind jetzt nur 54 Prozent der SPD-Mitglieder der Empfehlung ihrer Spitze gefolgt. Das ist zwar eine Mehrheit - aber das Ergebnis zeigt auch, dass es in der Berliner SPD erhebliche Vorbehalte gegen den Kurs ihrer Spitze gibt.

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