Nach der Pannenserie bei der Bundestagswahl in Berlin plädieren die Obleute der Ampelparteien im Wahlprüfungsausschuss des Bundestags Medienberichten zufolge für eine teilweise Wiederholung der Wahl. Dies solle in etwa 400 der rund 2300 Wahllokale geschehen, berichten der Spiegel, der Tagesspiegel und der RBB. Betroffen wären alle zwölf Berliner Bundestagswahlkreise. Die Bundestagsverwaltung solle eine entsprechende Beschlussempfehlung erarbeiten, über die der Bundestag allerdings erst in einigen Monaten abstimmen solle.
Das Wahlrecht sei die zentrale Beteiligungsmöglichkeit der Bürger, sagte der SPD-Obmann im Wahlprüfungsausschusses, Johannes Fechner, dem Spiegel. "Daher müssen Wahlfehler dieses Ausmaßes durch Neuwahlen korrigiert werden, damit alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen die Chance haben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und damit ihre Stimmen das ihnen zustehende Gewicht bekommen."
Wie Fechner dem RBB sagte, sei nun eine Grundsatzentscheidung seitens der Ampelkoalition im Bund getroffen. Die eigentliche Abstimmung im Wahlprüfungsausschuss gebe es allerdings voraussichtlich erst im Oktober. Anschließend müsse noch im Bundestag selbst darüber abgestimmt werden. Dies könne wenige Tage danach passieren. Sollte auch das Bundestagsplenum für die Wiederholung der Wahl in Berlin stimmen, hält Fechner nach eigener Aussage eine teilweise Neuwahl in Berlin im Frühjahr 2023 für realistisch.
Expertenbericht zum Wahlchaos
Die Wahlen zum Bundestag und gleichzeitig zum Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September 2021 waren in der Hauptstadt von zahlreichen Pannen und organisatorischen Problemen geprägt. Dazu zählten falsche oder fehlende Stimmzettel, die zeitweilige Schließung von Wahllokalen und lange Schlangen davor mit teils stundenlangen Wartezeiten. Zudem hatten Wahllokale teils noch weit nach 18 Uhr geöffnet.
Am Mittwoch hatte eine vom Berliner Senat eingesetzte Expertenkommission ihren Bericht zum Wahlchaos vorgelegt und zahlreiche Defizite aufgelistet. Das habe unter anderem an unklaren Verantwortlichkeiten gelegen, auch sei die Komplexität des Wahlsonntags mit gleich vier Wahlgängen in der Hauptstadt massiv unterschätzt worden. Neben den Wahlen zum Bundestag und zum Abgeordnetenhaus wurden auch die Bezirksverordnetenversammlungen neu bestimmt. Hinzu kam ein Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungskonzerne.
Union: Ampelvorschlag zu wenig
Der Vorstoß der Ampelparteien im Wahlprüfungsausschuss überrascht. Bundeswahlleiter Georg Thiel, der ein "komplettes systematisches Versagen der Wahlorganisation" in Berlin bemängelt, hat eine vollständige Wahlwiederholung in sechs der insgesamt zwölf Wahlkreise verlangt - das wären etwa 1200 Wahllokale. Nach seiner Anhörung im Mai hatte die Ausschussvorsitzende Daniela Ludwig (CSU) erklärt, man werde erst nach der Sommerpause dazu eine Empfehlung abgeben.
Auch die Union fordert eine komplette Neuwahl in sechs Wahlkreisen. Außerdem will sie in 50 ausgewählten Wahllokalen der sechs anderen Wahlkreise nochmals wählen lassen. Der Vorschlag der Ampel "ist definitiv zu wenig und wird dem Berliner Wahlchaos nicht ansatzweise gerecht", sagte der Ausschuss-Berichterstatter der CDU/CSU, Patrick Schnieder (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. "Wir halten es für unerlässlich, dass in mehr als 1200 Wahllokalen neu gewählt wird, während die Ampel sich auf 400 beschränken möchte." Die Berliner Landeswahlleitung wollte die Einigung der Obleute der Ampelkoalition auf Tagesspiegel-Anfrage nicht kommentieren.