Am Montag nach diesem Wochenende haben Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und sein Stellvertreter und Innensenator Frank Henkel von der CDU dringenden Gesprächsbedarf. Und sie haben auch das Bedürfnis, das nach außen zu zeigen. Also geben sie in der Rotunde im Roten Rathaus nach ihrem Gespräch vor den eingeladenen Journalisten jeder ein kurzes Statement ab, drei Fragen werden beantwortet.
Auch in diesen acht Minuten spürt man, wie groß die Distanz zwischen den Regierungspartnern des Berliner Senats zwei Monate vor der Wahl in der Hauptstadt ist. Sie können nicht mehr miteinander, die Chemie stimmt nicht. Beiden fällt das gemeinsame Regieren schon lange schwer, sie wollen auch nicht mehr gern miteinander. Müller hofft für die Zukunft nach der Septemberwahl auf einen anderen Koalitionspartner, die Grünen oder die Linke. Längst im Wahlkampfmodus bekriegen sich Müller und Henkel mehr, als dass sie noch Gemeinsamkeiten suchen. Aber es gibt keinen offenen Streit, wie ihn manche erwartet hatten.
Hier im Rathaus zeigen sie sich auf einer Linie, was das letzte Wochenende angeht. "Wir sind uns einig, dass unsere volle Solidarität den Polizeibeamten gilt", fasst Müller das Spitzengespräch zusammen. "Es gibt überhaupt keinen Grund der Solidarität mit irgendwelchen Gewalttätern." Er stellt sich voll hinter den von Henkel verantworteten Polizeieinsatz. Und vermutet, dass er damit auch die Stimmung in der Stadt wiederspiegelt: Müller sagt, dass die Eskalation vom Wochenende diese linke Szene in der Stadtgesellschaft eher isolieren werde.
Rund um die Rigaer Straße 94 fehlt manchen Anwohnern jedoch das Verständnis für die Polizeipräsenz dort. Die beiden Spitzen des Senats haben nun beschlossen, dass die Polizei dort ihre Kommunikation intensivieren soll. "Wir haben uns verständigt, noch stärker zu erklären, warum die Polizei vor Ort ist", sagt Henkel. Das geschehe schon seit Beginn des Einsatzes, solle aber verstärkt werden.
Weder Müller noch Henkel wollen Gespräche mit der linksautonomen Szene
Es soll also mit den Anwohnern der besetzten Häuser geredet werden. Aber weder Müller noch Henkel wollen derzeit Gespräche mit der linksautonomen Szene. Darüber herrschte bisher Uneinigkeit. Henkel war dagegen, Müller hatte noch in der letzten Woche erklärt, dass man Möglichkeiten zum Gespräch ausloten sollte. Im Roten Rathaus sagt er jetzt aber, dass nach dem Wochenende "im Moment nicht die Zeit für runde Tische ist".
Es habe zudem Gesprächsangebote an die linke Szene gegeben, vor der Eskalation am Samstag, die seien ausgeschlagen worden. Geht es nun so weiter? Wird es weitere Ausschreitungen geben?" Ich habe keine Glaskugel", antwortet Frank Henkel, er klingt nicht, als erwarte er aktuell eine Beruhigung der Lage.
Und auch viele Verlautbarungen aus der linken Szene klingen eher weniger nach Deeskalation. Folgender Tweet etwa spricht für sich: Unter der Benutzerkennung "@rigaer94" postete jemand am vergangenen Samstag ein schönes "vielen Dank an alle", die auf der Straße oder in Gedanken dabei gewesen seien. Und es folgt die Aufforderung: "Jetzt dezentral weitermachen".
Was das bedeutet kann sich jeder ausrechnen, der die Eskalationen um die Rigaer Straße in den vergangenen Monaten verfolgt hat: noch mehr abgefackelte Autos, Brandanschläge, eingeschlagene Fensterscheiben, Gewalt gegen Polizisten. Es gibt wenig, wovor die sogenannten "Autonomen" und "Linksextremisten" zurückschrecken, die das Hinterhaus in der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain besetzt halten.