Linksextreme in Berlin:Brennende Rache für die Rigaer Straße

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Brandanschlag nach Räumaktion in der Rigaer Straße: Ein ausgebrannter Mercedes in Berlin-Zehlendorf. (Foto: dpa)

Nachdem die Polizei einen Szenetreff geräumt hat, zünden Linksextreme schon seit fast einer Woche Nacht für Nacht Autos an. Das wirkt nun auch in den Berliner Wahlkampf hinein.

Von Jens Schneider, Berlin

Es war die fünfte Nacht. Diesmal traf es eine Immobilienfirma in Friedrichshain in Berlin. Unbekannte warfen Scheiben ein, schmierten politische Parolen an die Wand. Ebenfalls in der Nacht gab es in Moabit es einen Farbanschlag auf ein Job-Center. Auch in diesem Fall vermutet die Berliner Polizei, dass die Tat zu einer Reihe von linksextremen Straftaten gehört, die seit einer Woche nicht abreißt.

Seit dem vergangenen Mittwoch kam es jede Nacht zu Anschlägen, Autos wurden in Brand gesetzt, Vermummte randalierten, Büros von Politikern wurden beschmiert, und immer wieder Polizisten angegriffen. Gelegentlich hinterließen Täter Zeichen, die zeigen sollten, wo der Anlass für ihre Gewalt liegt. "R94" schrieben sie an Fassaden.

"R94" steht für ein Haus in der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain, das von der linksautonomen Szene dominiert und in dem von ihr auch eine Kneipe namens "Kadterschmiede" unterhalten wird. Seit langem gibt es um das Haus immer wieder Auseinandersetzungen, massive Polizeieinsätze und Gewalttaten.

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Am vergangenen Mittwoch räumte die Polizei auf Betreiben der Hausbesitzers einige Räume, sie blieb vor dem Haus präsent. Seit diesem Einsatz hat es jede Nacht Anschläge gegeben, die die gewaltbereite linke Szene offenbar als Reaktion auf den Polizeieinsatz versteht. Betroffen ist nicht nur Friedrichshain, sondern das ganze Berliner Stadtgebiet.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) spricht von einer "Kampfansage an unsere Stadt" und willkürlichem Terror gegen die Bevölkerung. "Wir dürfen und werden uns davon als Stadt nicht einschüchtern lassen", sagte er. "Die Täter, die stets feige im Dunkeln zuschlagen, setzen offenbar darauf, dass sich solche Taten schwer verhindern lassen. Aber sie sollten sich nicht sicher fühlen." Er fordert eine breite Front gegen die Anschläge. "Wenn solche Angriffe von rechts kämen, wäre das Konsens. Das muss es aber auch jetzt sein."

An die hundert Straftaten rechnet die Polizei einem Sprecher zufolge dem linken Hintergrund zu, in knapp einer Woche. Und es soll weiter gehen, das kündigte die linke Szene an. Nach der Räumung wurde gedroht, mit Anschlägen zehn Millionen Euro Sachschaden anzurichten.

Nun hat Henkel dafür gesorgt, dass eine Sonderkommission beim Landeskriminalamt eingerichtet wird. 14 Mitarbeiter aus dem Bereich des Staatsschutzes sollen in der Ermittlungsgruppe zusammengezogen werden, sie trägt laut einem Polizeisprecher den Namen "EG Linx", eine Name, der in Anlehnung an den linksautonomen Duktus gewählt wurde.

Die Eskalation wirkt inzwischen auch in den Berliner Vorwahlkampf hinein. Am 18. September wird in Berlin gewählt. Dem CDU-Spitzenkandidaten und Innensenator Henkel ist in den letzten Monaten oft fehlende Präsenz vorgeworfen, in Umfragen steht er schlecht da.

Stulle kaufen muss möglich sein

Heftige Kritik löste ein Twitter-Kommentar der namhaften Berliner Grünen-Politikerin Canan Bayram aus. Die Friedrichshainerin hatte Verständnis dafür geäußert, dass Polizeibeamten in einer Bäckerei in der Rigaer Straße ein Hausverbot erteilt worden sei, dies könne daran liegen, "dass Polizei Anwohner schikaniert", schrieb sie. Offenbar beklagen sich Anwohner über Polizeipräsenz und Ausweiskontrollen. Bayram berichtet von Unmut und Protesten der Anwohner. Henkel nannte ihren Kommentar perfide.

"Ich teile das nicht", sagte die Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop zum Tweet ihrer Parteifreundin. "Man muss den Innensenator für seine Politik kritisieren, darf das aber nicht mit Kritik an Polizeibeamten verwechseln, die sich eine Stulle kaufen können sollen. Das ist doch keine Frage", sagte Pop.

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Angriffe auf Polizisten und auch Anschläge auf Autos oder Häuser seien "völlig inakzeptabel und kriminell". "So etwas sollte auch keiner politisch verbrämen", sagte Pop. Dem Innensenator warf sie vor, keine Strategie zu haben. Statt einer konsequenten Linie setze er auf symbolische Großeinsätze, die keine Lösung brächten.

© SZ vom 29.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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