Konflikt um Bergkarabach:Deutschland, Russland und EU drängen auf Ende der Kampfhandlungen

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Seit Beginn der Militäroperation Aserbaidschans am Dienstag sind in Bergkarabach Häuser zerstört werden, wie hier in Stepanakert. (Foto: Siranush Sargsyan/dpa)

Aserbaidschan greift die von Armeniern bewohnte Region Bergkarabach an. Weltweit verurteilen Diplomaten den Militäreinsatz, nur Erdoğan steht hinter dem autoritären Regime in Baku.

Die wichtigsten Diplomaten der Welt befinden sich gerade in New York auf dem UN-Gipfel - und müssen von dort auf einen neuen drohenden Krieg im Südkaukasus blicken. Das autoritär geführte Aserbaidschan hat einen Militäreinsatz zur Eroberung der Konfliktregion Bergkarabach gestartet. Baku spricht von einer "Antiterroroperation" gegen Armeniens Militär - doch es werden tote und verletzte Zivilisten gemeldet. Deutschland, Frankreich und die Europäische Union dringen auf ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen. Auch Russland zeigt sich als traditioneller Verbündeter Armeniens "tief besorgt" und fordert eine Rückkehr zur Diplomatie. Die internationalen Reaktionen auf die Eskalation in Bergkarabach.

"Armenien und Aserbaidschan sind jetzt in einer sehr kritischen Situation, und deshalb ist für uns ganz klar, dass diese Kriegshandlungen sofort beendet werden müssen", sagt Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der UN-Generaldebatte. Es gehe darum, wieder zurückzukehren zum Pfad der Diplomatie.

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:Angst in den Kellern von Bergkarabach

Aserbaidschan greift die überwiegend von Armeniern bewohnte Region an. Die Menschen dort sind wegen einer Blockade von der Außenwelt abgeschnitten, jetzt erleben sie womöglich den Beginn eines neuen Krieges.

Von Silke Bigalke

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock fordert: "Aserbaidschan muss den Beschuss sofort einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren." Sie betont den Schutz der Zivilbevölkerung, den eigentlich die dort stationierten russischen Soldaten übernehmen sollten. In den vergangenen Wochen habe sich die EU, deren Verhandlungen Deutschland unterstützt, massiv für einen humanitären Zugang zu den Menschen eingesetzt. "Hier gab es zuletzt kleine Fortschritte. Umso schlimmer ist jetzt diese Gewalteskalation."

Gerade in vergangenen Tagen habe es intensive Gespräche der EU und USA mit Armenien und Aserbaidschan zur Deeskalation gegeben. Schon vor Beginn des Militäreinsatzes war die humanitäre Lage in dem Gebiet katastrophal, weil Aserbaidschan den einzigen Zugang Armeniens in die Exklave - den Latschin-Korridor - blockierte.

Auch der Außenbeauftrage der EU, Josep Borrell, will eine Rückkehr zum Dialog und fürchtet um die Menschen, die in Bergkarabach leben. Die aufflammenden Feindseligkeiten dürften "nicht als Vorwand genutzt werden, um einen Exodus der lokalen Bevölkerung zu erzwingen", erklärte einer seiner Sprecher in Brüssel.

Frankreich strebt eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats an. Das teilt das französische Außenministerium in Paris mit. Frankreich spreche sich eng mit seinen europäischen und amerikanischen Partnern ab, um eine starke Antwort auf die inakzeptable Offensive zu geben, hieß es. Armenien hatte den UN-Sicherheitsrat bereits zu Maßnahmen aufgerufen. Auch Frankreich forderte Aserbaidschan der Mitteilung zufolge dazu auf, seine Offensive unmittelbar zu beenden.

Russland, das wegen des Kriegs in der Ukraine zuletzt weniger Präsenz im Südkaukasus zeigte, hat zur Beendigung der Kämpfe aufgerufen. "Wir sind tief besorgt wegen der scharfen Eskalation der Lage in Bergkarabach", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bei einem Pressebriefing zu der Auseinandersetzung um die Konfliktregion. Russische Grenztruppen sollen dort eigentlich einen Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Parteien überwachen. Sacharowa wies zugleich die in Armenien erhobenen Vorwürfe zurück, dass Russland in die Angriffspläne Aserbaidschans eingeweiht gewesen sei.

Lediglich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich hinter den neuen Militäreinsatz Aserbaidschans zur Eroberung der Konfliktregion Bergkarabach gestellt. Die Türkei unterstütze die Schritte zum "Schutz der regionalen Integrität Aserbaidschans", sagte Erdogan zu Beginn der Generaldebatte der UN-Vollversammlung. Der Iran hat angeboten, zwischen den beiden Nachbarländern zu vermitteln.

Das christlich-orthodoxe Armenien und das muslimische Aserbaidschan sind seit langem verfeindet. Größter Streitpunkt zwischen Eriwan und Baku ist die Enklave Bergkarabach, die auf aserbaidschanischem Gebiet liegt, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Die beiden ehemals sowjetischen Nachbarländer kämpfen schon seit Jahrzehnten um das Gebiet, das sich 1991 von Aserbaidschan losgesagt hat.

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