Belgien:Umweltverbrecher sollen ins Gefängnis

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Im Sommer kam es zu einem großen Fischsterben an der Oder. Der Fluss wird noch lange mit den Folgen der Katastrophe zu kämpfen haben. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die belgische Regierung will den Ökozid ins Strafgesetzbuch aufnehmen - und dadurch Europa und der ganzen Welt ein Beispiel geben.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Die belgischen Grünen haben gerade einen scheinbar aussichtslosen Plan verkündet: Sie wollen per Gesetz Werbung für Produkte verbieten lassen, die mit fossilen Energieträgern zu tun haben. Das Ende der Werbung für Verbrennerautos - keine Chance? Abwarten. Schließlich hat die aus sieben Parteien bestehende belgische Regierungskoalition, an der die Grünen beteiligt sind, gerade erst einen Beschluss gefasst, der Europa, ja der ganzen Welt ein Beispiel geben soll: Ökozid, der Mord an der Umwelt, soll als Verbrechen geahndet werden, belegt mit Haftstrafen von zehn bis 20 Jahren. Belgien als Avantgarde.

Die Reform ist Teil einer radikalen Modernisierung des belgischen Strafrechts, die nächstes Jahr durch das Parlament gehen soll. Sie nimmt beispielsweise häusliche Gewalt schärfer in den Blick, schafft den Tatbestand der "Anstiftung zum Selbstmord", eine Antwort auf die Auswüchse der Mobbinggesellschaft des Internets. Als Prunkstück der Reform aber gilt der Ökozid. Er wird definiert als vorsätzliche Handlung, die einen schweren, weitreichenden und langfristigen Schaden für die Umwelt verursacht - begangen in dem Wissen, dass diese Handlung einen solchen Schaden verursacht. Die reichlich vage Formulierung führt unweigerlich zu der Frage: Was bringt's? Schließlich gibt es schon jede Menge Umweltgesetze.

Der belgischen Umweltministerin Zakia Khattabi von den Grünen geht es zunächst einmal darum, Bewusstsein zu schaffen für die Dimension von Umweltzerstörung und Klimakatastrophe. Sie hat das Gesetz, im Einvernehmen mit dem liberalen Justizminister Vincent Van Quickenborne, formuliert und hofft nun, Bewegung in die internationalen Debatten zu bringen. Irgendjemand müsse ja vorangehen, sagt sie.

Das Europaparlament macht sich schon seit einiger Zeit dafür stark, den Ökozid im europäischen Recht zu ahnden, findet aber bislang noch kein Gehör bei Kommission und den Mitgliedsländern. Internationale Juristen drängen darauf, den Tatbestand des Ökozids, in einer ganz ähnlichen Formulierung wie in Belgien, in das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag aufzunehmen - neben Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen des Angriffskrieges. Auch ihnen will die belgische Ministerin Khattabi helfen.

Es spricht angesichts der Klimakatastrophe einiges dafür, Verbrechen gegen die Umwelt als Verbrechen gegen die Menschheit zu werten. Kritische Völkerrechtler warnen andererseits davor, den Ökozid mit dem Genozid gleichzusetzen. Der Völkermord habe zum Ziel, eine bestimmte Gruppe von Menschen zu vernichten, Umweltverbrechen aber würden meist aus Profitgier begangen. Letztlich werde der Begriff des Völkermords dadurch entwertet.

Möglicherweise wird die belgische Justiz vorexerzieren müssen, ob sich der Ökozid trotz der vagen Kriterien tatsächlich strafrechtlich anwenden lässt. Verfolgt werden können laut dem vorliegenden Gesetzestext keine Staaten, sondern nur Einzelpersonen. Oppositionspolitiker ließen schon polemisch anklingen, auch die belgischen Grünen könnten wegen Ökozids verfolgt werden, schließlich würden sie ja in der Regierung umweltfreundliche Kernkraftwerke schließen und stattdessen Gaskraftwerke bauen lassen.

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