Bayreuth:Mutmaßliche Spione mit Verbindung zu Russland verhaftet

Lesezeit: 3 min

Eine "Panzerhaubitze 2000" der Bundeswehr feuert während einer US-geführten Nato-Übung in Grafenwöhr. (Archivbild) (Foto: CHRISTOF STACHE/AFP)

Deutschland steht vor einer neuen Spionageaffäre: Zwei Männer sollen Transportwege ausgekundschaftet und Sabotageaktionen beraten haben. Der Hauptbeschuldigte soll sich sogar zu Anschlägen bereit erklärt haben. Er ist für die Ermittler kein Unbekannter.

Von Markus Balser und Georg Ismar

Die Polizei hat in Bayreuth zwei mutmaßliche Spione festgenommen, die im Auftrag Russlands Sabotageaktionen in Deutschland geplant haben sollen. Die beiden Männer mit sowohl deutscher als auch russischer Staatsangehörigkeit seien dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein, teilte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof mit.

Deutschland steht damit offenbar vor einer neuen Spionageaffäre. Die beiden Festgenommenen sollen im Auftrag Russlands Transportwege ausgekundschaftet und mögliche Sabotageaktionen beraten haben. Der 39 Jahre alte Beschuldigte Dieter S. soll sich dabei laut Generalbundesanwalt bereit erklärt haben, Sprengstoff- und Brandanschläge vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland zu begehen. Zur Vorbereitung soll der Hauptbeschuldigte Informationen über potenzielle Anschlagsziele, darunter auch Einrichtungen der US-Streitkräfte gesammelt haben. Spätestens von März an habe ihm auch der zweite Beschuldigte, Alexander J., geholfen, hieß es weiter.

Krieg in der Ukraine
:Habeck besucht die Ukraine im "Kampf um die Freiheit"

In Kiew legt der Vizekanzler Blumen an einer Gedenkmauer nieder und sichert dem Land Unterstützung zu. Kurz nach seiner Ankunft gibt es Luftalarm.

Alle Entwicklungen im Liveblog

Den Ermittlern zufolge kundschaftete der Hauptbeschuldigte einige der ins Visier genommenen Objekte selbst aus. Er soll dabei Fotos und Videos, etwa von Militärtransporten und -gütern, gemacht haben. Bei einem der ausgespähten Objekte soll es sich um eine Einrichtung der US-Armee im bayerischen Grafenwöhr gehandelt haben, heißt es in Ermittlungskreisen. Zuerst hatte darüber der Spiegel berichtet. Dort befindet sich unter anderem ein bedeutender Truppenübungsplatz, auf dem die US-Armee ukrainische Soldaten ausbildet, etwa an Abrams-Kampfpanzern.

Der Generalbundesanwalt wirft dem Hauptbeschuldigten außerdem Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und sicherheitsgefährdendes Abbilden militärischer Anlagen vor. Die Aktionen sollten insbesondere dazu dienen, die aus Deutschland geleistete militärische Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg zu unterminieren, erklärte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag.

Die Ermittlungen führte das Bundeskriminalamt. Verhaftet wurden die beiden Beschuldigten bereits am Mittwoch in Bayreuth. Zudem wurden ihre Wohnungen und Arbeitsplätze mit Unterstützung des Bayerischen Landeskriminalamts durchsucht. Der Hauptbeschuldigte Dieter S. sei dann noch am selben Tag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt worden, teilte der Generalbundesanwalt weiter mit. Alexander J. solle dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs an diesem Donnerstag vorgeführt werden, hieß es.

Wegen der Ermittlungen ließ Bundesaußenministerin Annalena Baerbock den russischen Botschafter in Berlin einbestellen. Dies verlautete aus dem Auswärtigen Amt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser fand deutliche Worte für die Dimension der vereitelten Operation. "Es ist ein besonders schwerer Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime", sagte die SPD-Politikerin. "Unsere Sicherheitsbehörden haben mögliche Sprengstoffanschläge, die unsere militärische Hilfe für die Ukraine treffen und unterminieren sollten, verhindert." Man werde solche Bedrohungspläne weiter durchkreuzen. Die Sicherheitsbehörden hätten seit dem mörderischen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine alle Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen durch das russische Regime hochgefahren. Deutschland werde sich nicht einschüchtern lassen und auch die Ukraine weiter unterstützen.

SZ PlusVerhaftungen in Bayreuth
:Russische Spione in Bayern festgenommen

Zwei Männer sollen im Auftrag Moskaus militärische und industrielle Infrastruktur als Ziele für Sprengstoffanschläge ausgespäht haben. Das Auswärtige Amt bestellt Botschafter ein.

Von Markus Balser und Christoph Koopmann

Dieter S. ist wohl kein Unbekannter

Die Spionage-Aktion hatte laut den Erkenntnissen der Ermittler offenbar schon einen längeren Vorlauf. Der Hauptbeschuldigte habe sich schon seit Oktober 2023 mit einer Person, die an einen russischen Geheimdienst angebunden sei, über mögliche Sabotageaktionen in der Bundesrepublik Deutschland ausgetauscht.

Für die deutschen Ermittler ist Dieter S. offenkundig kein Unbekannter. Er soll den Ermittlern aufgefallen sein, weil er schon vor einigen Jahren für eine bewaffnete Einheit der "Volksrepublik Donezk" (VRD) gegen die Ukraine gekämpft haben soll. Es bestehe der dringende Verdacht, dass S. zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine als Kämpfer tätig war und "in diesem Zusammenhang über eine Schusswaffe verfügte", teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Den Ermittlern zufolge geht es bei der VRD um eine prorussische Vereinigung, die ab Frühjahr 2014 die Kontrolle über den ukrainischen Verwaltungsbezirk Donezk mit dem Ziel der Loslösung von der Ukraine beanspruchte und sich intensive Auseinandersetzungen mit den ukrainischen Streitkräften lieferte. Dabei setzte sie immer wieder auch Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ein. Aus den Ermittlungen geht hervor, dass die VRD von der Bundesanwaltschaft inzwischen als ausländische Terrororganisation eingestuft wird. Deshalb gibt es inzwischen auch einen Haftbefehl gegen S., der den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat betrifft.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lobte die Arbeiter der Ermittler, zeigte sich aber nicht überrascht über die offenbar von Russland gesteuerten Sabotageoperationen. "Wir wissen, dass der russische Machtapparat auch unser Land in den Fokus nimmt", sagte Buschmann. Auf diese Bedrohung müsse Deutschland wehrhaft und entschlossen reagieren. Dem Generalbundesanwalt sei mit der Festnahme der beiden Männer ein "weiterer bedeutsamer Ermittlungserfolg" im Kampf gegen das Sabotage- und Spionagenetzwerks des russischen Präsidenten Wladimir Putin gelungen.

Der CDU-Außen- und Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter sagte der Süddeutschen Zeitung, der mutmaßliche Spionagefall in Bayern dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. "Deutschland ist ein Hauptziel russischer Einfluss- und Spionageoperationen." Dabei gehe es um die Unterminierung der Unterstützung der Ukraine durch Spionage und Sabotage beispielsweise von Transportwegen. "Andererseits soll insgesamt die Stimmung in der Bevölkerung durch Desinformation beeinflusst werden", so Kiesewetter.

Russland könne dabei nicht nur auf eigene Agenten zurückgreifen. "Immer wieder dienen sich deutsche Bürger freiwillig an oder werden gezielt für Spionage und Sabotage rekrutiert." Die Bundeswehr hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland - derzeit rund 10 000 im Jahr - eine starke Zunahme von Drohnensichtungen bei ihren Standorten registriert, laut WDR und NDR gab es 2023 insgesamt 446 gemeldete Sichtungen, nach 172 im Jahr zuvor.

© SZ/dpa/saul - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivSpionage
:Der Kreml sortiert seine Spione

Europa hat seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine fast 500 russische Diplomaten ausgewiesen, in Deutschland wurden vier Konsulate geschlossen. Doch so leicht lässt Moskau sich nicht von Informationen abschneiden: Wie der Kreml seine Kanäle neu verlegt - zum Beispiel in Bonn und Wien.

Von Manuel Bewarder, Florian Flade und Jörg Schmitt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: