Baerbock in Südafrika:Eng, aber nicht reibungslos

Lesezeit: 3 min

Was Neutralität bedeutet, darüber haben sie verschiedene Auffassungen: Annalena Baerbock und ihre südafrikanische Kollegin Naledi Pandor in Pretoria. (Foto: Christoph Soeder/DPA)

Die Bundesaußenministerin setzt in Pretoria auf eine strategische Partnerschaft mit der südafrikanischen Regierung. Dabei bestehen vor allem in der Russlandpolitik deutliche Differenzen.

Von Paul-Anton Krüger, Pretoria

Der Empfang für Außenministerin Annalena Baerbock in Pretoria ist betont freundlich. Naledi Pandor, ihre südafrikanische Kollegin, begrüßt sie mit Küsschen links, Küsschen rechts. Sie wird später von der "sehr wichtigen strategischen Partnerschaft" reden. Und von ihrem Wunsch, dem Gast aus Berlin, Verfechterin einer feministischen Außenpolitik, Projekte zur Agenda "Frauen, Frieden, Sicherheit" vorzustellen. Viele Anknüpfungspunkte also. Die Beziehungen, formalisiert in einer bilateralen Kommission, die unter Vorsitz der beiden Ministerinnen am Dienstag im Außenministerium tagt, sind eng - aber nicht ohne Friktionen.

Erst gab es erhebliche Meinungsverschiedenheiten über das Vorgehen bei der Bekämpfung der Covid-Pandemie. Vor allem aber hatte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine Wortgefechte zwischen Vertretern westlicher Länder und Südafrikas zur Folge, wo die Regierung lange nicht von Krieg sprechen mochte, sondern nur von einem "Konflikt". Pandor beharrte auch am Dienstag auf einer Position strikter Neutralität, die es nach ihrer Ansicht ausschließt, eine der Seiten zu verurteilen.

In Pretoria hält man an der Freundschaft mit Moskau fest

Baerbock dagegen hatte jüngst in China den Anti-Apartheidkämpfer Erzbischof Desmond Tutu zitiert: "Neutralität bedeutet, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen." In Pretoria bringt ihr das in der Pressekonferenz die Frage ein, ob die Verweise auf ihn und den Freiheitshelden Nelson Mandela Südafrika moralisch erpressen sollten, sich auf eine Seite zu stellen.

"Nicht an einem Punkt" habe Südafrika Russland unterstützt, stellt Pandor mit Schärfe in der Stimme klar. Die USA haben Südafrika sogar Waffenlieferungen vorgeworfen - ein diplomatischer Eklat. Baerbock setzt darauf, das Land einzubinden, nicht auf Konfrontation, die sie ja nicht scheut, wo sie es für angemessen hält. Und sie setzt darauf, dass die Ukraine-Reise von Präsident Cyril Ramaphosa, den sie am Nachmittag in seiner Residenz trifft, Eindruck hinterlassen hat. Das Gespräch dauert jedenfalls 75 Minuten statt der angesetzten halben Stunde.

An der Spitze einer afrikanischen Delegation aus sieben Staaten hatte er den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij in Kiew getroffen und auch Butscha und Irpin besucht - Orte, die für russische Kriegsverbrechen stehen, Orte die Baerbock selbst tief erschüttert haben. Ramaphosa reiste weiter nach Sankt Petersburg, zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Sollte Putin zum Brics-Treffen kommen, würde er festgenommen?

Schon länger aber sprechen er wie die Außenministerin von einem "Krieg". Eine subtile Änderung der Position? Von einer Meuterei der Gruppe Wagner unter Söldnerführer unter Jewgenij Prigoschin will Pandor jedenfalls nicht sprechen, keine ernsthafte Herausforderung für Putin, so die Botschaft. An der Freundschaft mit Russland hält man fest. Das Außenministerium ist gepflastert mit Brics-Aufstellern. Südafrika hat in diesem Jahr den Vorsitz der Allianz der überdies Brasilien, Russland, Indien und China angehören.

Allerdings muss die Regierung noch einen Umgang finden mit der möglichen Teilnahme Putins am geplanten Gipfeltreffen im August. Als Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofes müsste Südafrika den Haftbefehl von Chefankläger Karim Khan gegen ihn vollstrecken. Man habe bislang nur eine Zusage aus China, pariert Pandor die Nachfrage. Von Putin gebe es weder eine Zu- noch eine Absage. Wenn Moskau eine Entscheidung getroffen habe, werde man der Welt Südafrikas Haltung mitteilen.

Baerbock, für die als Völkerrechtlerin die Antwort klar sein dürfte, belässt es bei Appellen. Sie werbe dafür, zu fragen, "was es bedeuten würde, wenn wir im 21. Jahrhundert Eroberungskriege wieder zur Normalität werden lassen". Was es heiße, wenn die Welt bei furchtbaren Menschenrechtsverletzungen einfach wegschaue - und verweist auf den Völkermord in Darfur im Westen Sudans. Ja, auch der Westen hat Fehler gemacht, lautet die Botschaft an den globalen Süden, als dessen Stimme Südafrika sich sieht. Baerbock spricht auch die Unterstützung des Apartheidregimes durch die Bundesrepublik an. Geschichte trifft Geschichte. Die DDR hatte die Freiheitsbewegung unterstützt, auch die Sowjetunion. Russland ist es gelungen, dieses Erbe politisch zu nutzen.

Die Gastgeber hoffen auf Investitionen, auch mit Blick auf den Klimawandel

Entgegenhalten kann Baerbock dem das Versprechen noch engerer Zusammenarbeit. Bei der Impfstoffproduktion, beim Handel, bei der Berufsbildung. Pretoria wünscht sich mehr Investitionen - und hofft vor allem auf Milliarden im Zuge der "Just Energy Transition Partnership", die der Klimakrise entgegenwirken und erneuerbare Energien fördern soll - sozialverträglich all das. 8,5 Milliarden Euro haben Deutschland, Frankreich, die EU, Großbritannien und die USA zugesagt. 1,1 Milliarden kommen aus Berlin, von denen 300 Millionen ausgezahlt sind.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Rollierende Stromabschaltungen von bis zu zwölf Stunden pro Tag sind das größte Wachstumshindernis in Südafrika. Pandor nennt die veralteten Kohlekraftwerke als Ursache, fordert aber auch, dass der Wandel in der Energieversorgung in Einklang stehen müsse mit den Entwicklungszielen. Die Minen bieten Jobs in einem Land, das unter mehr als 30 Prozent Arbeitslosigkeit zu leiden hat.

Auch in Deutschland kenne man die Herausforderungen des Kohleausstiegs, sagt Baerbock. Sie lädt Pandor zum Gegenbesuch ein. Dann könne man auch ausführlich über feministische Außenpolitik reden - den ersten Tag ihrer Reise hatte Baerbock ausfallen lassen müssen, um mit ihren EU-Außenministerkollegen über die Geschehnisse in Russland zu beraten. Dass sich das Thema bis dahin erledigt hat, dürfte auch Pandor nicht glauben. Die afrikanische Friedensinitiative sei ein "Einstieg in einen langen Prozess", sagt sie.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Korruption
:Blackout in Südafrika

Korruption und Sabotage haben die Stromversorgung des Landes zerstört. Deutschland und andere Geber wollen trotzdem Milliarden Euro an Hilfe überweisen. Wer garantiert, dass dieses Geld nicht auch veruntreut wird?

Von Bernd Dörries

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: