Lehrermangel:565 Stellen nicht besetzt

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Schon am ersten Schultag könnte Unterricht ausfallen, fürchtete die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg. (Foto: Imago)

Auch Baden-Württemberg startet in dieser Woche das neue Schuljahr. Weil immer noch Hunderte Lehrer fehlen, dürfte es ein schwieriges werden.

Von Max Ferstl, Stuttgart

Dass die Nerven in Baden-Württembergs Schulen angespannt sind, war vor Kurzem recht anschaulich am Stuttgarter Flughafen zu besichtigen. Da hatte das Kultusministerium ein Plakat aufgehängt, das Menschen dazu bewegen sollte, umzuschulen und Lehrer zu werden. Grundsätzlich natürlich eine richtige Idee, das Land braucht dringend jede Lehrkraft. Nicht so glücklich war allerdings der gewählte Slogan: "Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach, was dir Spaß macht und werde Lehrer*in."

Moment! Will das Kultusministerium etwa andeuten, Lehrern gehe es bei ihrem Job vor allem um die Ferien? So jedenfalls wollten es zahlreiche Lehrkräfte und Lehrerverbände verstanden haben. Große Empörung im Land. Die Vorsitzende des Realschullehrerverbandes in Baden-Württemberg schimpfte darüber, "wie viel Blödheit auf ein einziges Plakat passt".

"An den Grundschulen ist das Personaltableau einfach sehr, sehr dünn"

Die Stimmung war also schon mal besser, wenn an diesem Montag 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg in das neue Schuljahr starten. Die Plakat-Affäre wirkt nach. Als die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) kürzlich einen Ausblick auf das Schuljahr gab, beklagte sie, dass Ministeriumsmitarbeiter wegen der Kampagne heftig angegangen worden seien, teilweise "unter der Gürtellinie".

Und das war nicht Schoppers einzige schlechte Nachricht: 565 Lehrerstellen sind aktuell im Land nicht besetzt, das ist ein erheblicher Fehlstand, wenn auch nicht mehr so dramatisch wie vor einem Jahr, als 890 Stellen fehlten. Die Folgen dürften schnell spürbar werden. "Bereits am ersten Schultag müssen sich Schüler und ihre Eltern auf Unterrichtsausfall einstellen", kritisierte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg.

Den größten Bedarf haben die Grundschulen. Alleine hier sind 120 Stellen unbesetzt. Gleichzeitig sehen sich die Grundschulen mit der Herausforderung konfrontiert, dass ungewöhnlich viele Kinder eingeschult werden. Schopper geht davon aus, dass im kommenden Schuljahr 15 000 Kinder mehr unterrichtet werden müssen als noch 2022. Vor allem für geflüchtete Kinder brauche es Hunderte zusätzlicher Klassen - und damit Lehrkräfte. "An den Grundschulen ist das Personaltableau einfach sehr, sehr dünn", sagte die Kultusministerin.

In Deutschlands Süden zeigt sich nun, welche Herausforderungen dieses Schuljahr prägen dürften: Steigende Schülerzahlen treffen auf Schulen, in denen Lehrer fehlen. In Bayern zum Beispiel, wo am Dienstag das neue Schuljahr beginnt, sprach Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) von 30 000 Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine, die seit Kriegsbeginn ins bayerische Schulsystem integriert wurden - so viel wie ein kompletter Abiturjahrgang. "Das ist schon wuchtig", sagte Piazolo.

Der Mangel ist so groß, dass sogar Lehrer aus der Pension geholt werden

Entsprechend groß sind die Bemühungen der Länder, Lehrerstellen zu besetzen. Laut Piazolo wurden in Bayern 600 Quereinsteiger angeworben. Nicht so erfolgreich war hingegen der sehr offensive Versuch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Lehrkräfte aus anderen Bundesländern nach Bayern zu locken. "Es ist nicht so, dass es da einen riesengroßen Zustrom gibt", sagte Piazolo.

In Baden-Württemberg haben sie versucht, das gewaltige Problem mit kleinen Einzelmaßnahmen abzufedern. Schopper verweist auf die knapp 300 Stellen, die mit Direkteinsteigern besetzt werden, allem Ärger um die umstrittene Kampagne zum Trotz. Hinzu kommen fast 500 pensionierte Lehrkräfte, die wieder unterrichten, sowie 174 Lehrer, die später in Pension gehen.

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Den Lehrerverbänden ist das zu wenig. Die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein wirft der Landesregierung fehlenden Mut und zu wenig Tatendrang vor. Es sei für die Lehrkräfte frustrierend, "dass sie auch im nächsten Schuljahr jonglieren müssen, um den Pflichtunterricht einigermaßen sicherzustellen". Die GEW fordert unter anderem, dass Studienplätze für das Lehramt ausgebaut werden - auch über den erwarteten Bedarf, und dass Stipendien an Studierende vergeben werden, die sich für wenig begehrte Regionen bewerben.

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