Die EU lässt das Waffenembargo gegen Syrien auslaufen. Einzelne EU-Staaten können nun Waffen an die Gegner des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad liefern. Zu dieser Einigung kamen die EU-Außenminister am späten Montagabend nach stundenlangem Streit bei ihrem Treffen in Brüssel ( hier die Abschlusserklärung als PDF). Alle anderen Sanktionen gegen Syrien - etwa Einreiseverbote oder Verbote von Finanztransaktionen und Öllieferungen - sollen bis zum 1. Juni neu beschlossen und damit aufrechterhalten werden.
"Das ist das Ergebnis, das wir wollten", sagte der britische Außenminister William Hague nach der Einigung. "Das war natürlich für viele Staaten schwierig und deswegen hatten wir so lange Diskussionen darüber." Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte: "Das waren sehr schwierige Beratungen. Es war wirklich Spitz auf Knopf. Es sah eine Zeit lang so aus als wäre keine Einigung mehr möglich." Umso wichtiger sei es, dass letztlich doch ein Konsens gefunden worden sei.
Über das Aus des EU-Waffenembargos hat die syrische Opposition Freude geäußert. Der Sprecher der Freien Syrischen Armee (FSA), Luai al-Mekdad, forderte am Dienstag, dass Waffen sobald wie möglich an die Rebellen geliefert werden. "Wenn die internationale Gemeinschaft noch drei Monate mit einer Entscheidung zur Bewaffnung der Rebellen wartet, hat das Regime noch mehr Zeit, Menschen zu töten", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Jede Verzögerung wird noch mehr Menschenleben kosten."
Russland, einer der letzten Verbündeten des Assad-Regimes, hat die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen Syrien scharf verurteilt. Dies schade "direkt" den Bemühungen um eine Befriedung des Konflikts in dem Land, sagte der russische Vize-Außenminister Sergej Riabkow der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Dabei warnte er insbesondere vor negativen Auswirkungen auf die geplante internationale Friedenskonferenz.
Kritik von Assad-Gegnern: Aufhebung war "lange überfällig"
Die syrische Opposition hat die Entscheidung zur Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen Syrien als lange überfällig kritisiert. "Es ist definitiv ein positiver Schritt, aber wir fürchten, dass er zu klein ist und zu spät kommt", sagte der Sprecher der oppositionellen syrischen Nationalen Koalition, Luay Safi, am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP in Istanbul. Das syrische Volk sei "enttäuscht". Die Menschen hätten erwartet, "dass Demokratien sich um diejenigen kümmern, die Demokratie anstreben", sagte Safi.
Der Sprecher betonte zudem, dass die Aufständischen im Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad den Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten müssten. "Waffen wären ein Aspekt, aber wir hätten uns auch eine ernsthaftere Haltung, eine geschlossene Entscheidung der Europäischen Union gewünscht", sagte Safi.
Menschenrechtsbeauftragter gegen Lieferungen
Nach dem Beschluss von Brüssel sind Waffenlieferungen künftig Sache der nationalen Regierungen. Diese können Waffen, die "für den Schutz der Zivilbevölkerung" bestimmt sind, an die nationale Koalition der Opposition liefern. In dem Beschluss der Außenminister heißt es aber auch, keine EU-Regierung habe "derzeit die Absicht, Waffen zu liefern". Solche Lieferungen müssten auch mit bereits 2008 beschlossenen Richtlinien eines "Gemeinsamen Standpunkts" in Einklang stehen, die eine Lieferungen von Waffen, die der Unterdrückung von Zivilisten dienen, ausdrücklich verbieten.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, sprach sich in der Neuen Osnabrücker Zeitung gegen jegliche Waffenlieferungen aus. "Waffenlieferungen nach Syrien, gleich welcher Form und an welchen Empfänger, verhindern keine weiteren Toten, sondern sorgen für viele weitere", sagte der FDP-Politiker.
Die Vorbereitungen für die in Genf geplante Syrien-Konferenz kommen derweil nur langsam voran. "Das ist keine leichte Aufgabe. Das ist ein sehr großer Auftrag, aber ich denke, wenn die Vereinigten Staaten und Russland eine solche Initiative ergreifen, sind die Chancen für einen Erfolg größer", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montagabend nach einem Treffen mit seinem US-Kollegen John Kerry in Paris. Gemeinsam wolle man alles tun, um das Blutvergießen zu stoppen und das Leiden des syrischen Volkes zu lindern.
Kämpfe gehen weiter
Moskau und Washington hatten sich Anfang Mai auf die Einberufung einer internationalen Konferenz zur Lösung des Syrien-Konflikts verständigt. Daran sollen sowohl Vertreter der syrischen Opposition als auch des Regimes von Präsident Baschar al-Assad teilnehmen. Moskau will außerdem noch Iran und Saudi-Arabien an den Tisch holen. Kerry erklärte, dass er mit Lawrow auch über die Teilnehmer der in Genf geplanten Konferenz gesprochen habe, "und das ist eine anhaltende Unterhaltung". Auch ein Zeitpunkt für das Treffen stehe noch nicht fest.
Während die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Aufständischen in Syrien auch am Montag weitergingen, kam der republikanische US-Senator John McCain nach Berichten des Senders CNN dort mit General Salim Idris und anderen Rebellen der Freien Syrischen Armee zusammen. Er ist der bislang ranghöchste US-Politiker, der seit Beginn des Bürgerkriegs nach Syrien gereist ist. McCain fordert seit Längerem eine aktivere Rolle der USA im Syrien-Konflikt.