Einer der Wortführer der Corona-Leugner-Szene, der Verschwörungsideologe Attila Hildmann, wird von der Justiz mit neuen Vorwürfen verfolgt. Nachdem das Berliner Landeskriminalamt nach Informationen von SZ und WDR nun vier Mobiltelefone ausgewertet hat, die bereits im vergangenen November bei einer Durchsuchung von Hildmanns Wohnung sichergestellt wurden, hat die Staatsanwaltschaft Berlin ihre Ermittlungen gegen Hildmann auf 80 einzelne Straftaten erhöht.
Es geht um gespeicherte Bilder und Texte, die den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen können, aber auch den Vorwurf der Beleidigung und der Bedrohung. Noch vor Kurzem postete Hildmann, der ursprünglich als Kochbuchautor bekannt wurde, bei Telegram eine Fotomontage mit Angela Merkel in KZ-Kleidung und schrieb dazu: "Sperrt diese Untermenschen Jüdin endlich nach Auschwitz wo sie hingehört bevor noch mehr Kinder Selbstmord begehen und wehrlose Alte mit Judenspritzen ermordet werden!"
Hildmann ist seit Ende des vergangenen Jahres flüchtig. In Berlin wartet ein Haftbefehl auf ihn. Doch soll er sich in der Türkei aufhalten. Von dort aus agitiert er weiter für seine mehr als 100 000 Online-Follower. Ein Grund, weshalb er sich der Justiz bislang entziehen konnte, ist die Langsamkeit, mit der gegen ihn ermittelt wurde. Man habe auch Unveröffentlichtes auf den Handys gefunden, heißt es jetzt in Ermittlerkreisen, etwa halb fertige Pamphlete. Aber: Mehrere Notebooks, die bereits vor mehr als einem halben Jahr bei Hildmann sichergestellt wurden, seien weiter nicht vollständig ausgewertet.
Zwei seiner Telegram-Kanäle sind gesperrt
Die einzigen Richter, die unterdessen auch in Abwesenheit Hildmanns ein Urteil fällen können, sitzen in der Pressekammer des Landgerichts Berlin. An sie hat sich der ehemalige Grünen-Politiker Volker Beck gewandt, um zumindest einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen Hildmann zu erstreiten. Hildmann hatte mehrmals erklärt: Wenn er "Reichskanzler" wäre, würde er für den Grünen die Todesstrafe "durch Eier-Treten" einführen. Die Pressekammer verhandelt am 4. August weiter, ob Hildmann zumindest ein Ordnungsgeld angedroht wird, wenn er solche Sätze wiederholt.
An anderer Stelle sind die Fortschritte größer. Anfang Juni sind zwei Kanäle Hildmanns bei dem Messengerdienst Telegram gesperrt worden. Beide sind über die Telegram-App nicht mehr auf iPhones und Android-Smartphones abrufbar. Der Android-Betreiber Google hat die Verantwortung hierfür von sich gewiesen. Man sperre keine einzelnen Kanäle innerhalb einer App. Der iPhone-Hersteller Apple wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern. In seinen Richtlinien für App-Betreiber heißt es aber, "Beleidigungen gegenüber einer bestimmten Person oder Gruppe" seien verboten.
Womöglich hat Telegram selbst die Kanäle von Attila Hildmann gesperrt, um nicht gegen entsprechende Richtlinien zu verstoßen. Dies wäre ungewöhnlich, denn andere Kanäle mit ähnlich hetzerischen, antisemitischen oder rassistischen Inhalten werden dort weiter geduldet. Mittlerweile kursieren in diversen Telegram-Kanälen wieder Audionachrichten von Hildmann, in denen er eine Zensur durch Tech-Konzerne beklagt.