Sicherheitspolitik:Wie viele Atomraketen sind nötig, um einen Atomkrieg zu verhindern?

Lesezeit: 2 min

Zeigen was man hat: Parade mit Interkontinentalraketen des Typs "Dongfeng 41" ("Ostwind") in Peking im Herbst 2019 zum 70. Gründungstag der Volksrepublik. (Foto: AP)

Russland, China, die USA, Großbritannien und Frankreich sprechen sich erstaunlicherweise gemeinsam gegen nukleare Angriffe aus. Doch tags darauf macht Peking klar, dass es in Sachen Aufrüstung intransparent bleibt.

Von Christoph Giesen, Peking

Eine gemeinsame Erklärung von Russland, China, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Frankreich, das passiert nicht alle Tage: Am Montag aber warnten die fünf Atommächte vor der Verbreitung von Nuklearwaffen und ihrem Einsatz. "Wir erklären, dass es keinen Gewinner in einem nuklearen Krieg geben kann. Er sollte nie begonnen werden", heißt es fast ein wenig feierlich in dem Schreiben der fünf Staaten, die auch ständige Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sind. Atomwaffen sollten nur Verteidigungszwecken dienen und Kriege vermeiden helfen, erklären die Vetomächte.

Einen Tag später ist es um die traute Einigkeit bereits wieder geschehen: In Peking lud der Generaldirektor der Rüstungskontrollabteilung des chinesischen Außenamtes Fu Cong zu einem Briefing und führte aus, dass die Volksrepublik ihr Atomwaffenarsenal keineswegs so rasch ausbaue, wie man es etwa im Pentagon in Washington glaube.

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums vom November könnte China bis 2030 über mehr als 1000 atomare Sprengköpfe verfügen. "In den nächsten zehn Jahren wird sich Chinas Bestand an nuklearen Sprengköpfen, der derzeit auf unter 200 geschätzt wird, voraussichtlich mindestens verdoppeln, da China seine Nuklearstreitkräfte ausbaut und modernisiert", heißt es in dem Bericht. Die Vereinigten Staaten besitzen derzeit etwa 3750 Atomwaffen.

Sicherheitspolitik
:Eine Frage von Minuten

Russland fürchtet neue Mittelstreckenwaffen der USA oder anderer Nato-Staaten. Allerdings hat nur Moskau selbst atomare Marschflugkörper angeschafft.

Von Paul-Anton Krüger

"Zu den Behauptungen von US-Beamten, China baue seine nuklearen Fähigkeiten dramatisch aus, möchte ich zunächst sagen, dass dies unwahr ist", sagte Generaldirektor Fu. Richtig sei vielmehr, dass China Schritte zur Modernisierung seiner Atomstreitkräfte unternommen habe, um die nukleare Abschreckung auf das für die Landesverteidigung erforderliche Mindestmaß zu bringen.

Satellitenfotos zeigen den Bau vieler Raketensilos in der Region Xinjiang

Deutlich schweigsamer zeigte sich Fu zu den Vorwürfen, dass China im großen Stil Silos für nukleare Sprengköpfe baue. Auswertungen von Satellitenaufnahmen hatten etwa im Juni und Juli ergeben, dass China offenbar zwei Silofelder in der Wüste in der nordwestchinesischen Region Xinjiang errichtet. Mindestens 229 dieser unterirdischen Silos hatten Forscher damals gezählt. Solche Silos beherbergen in der Regel ballistische Interkontinentalraketen oder Langstreckenwaffen und könnten Chinas nukleare Kapazität auf 845 Sprengköpfe erhöhen, rechneten Fachleute vor. Eine Zahl, die nicht allzu weit entfernt von der Pentagon-Analyse mit mehr als 1000 Sprengköpfen liegt.

Im November gingen Forscher der Federation of American Scientists, einer gemeinnützigen Denkfabrik, die von Wissenschaftlern gegründet wurde, die an der ersten Atombombe gearbeitet hatten, in einer Studie gar von 300 Silos aus, die sich derzeit im Bau befinden. "Bemerkenswert ist natürlich das Ausmaß und die Geschwindigkeit dieser Entwicklung, die so gar nicht mit dem übereinstimmt, was die Chinesen bisher an Raketensilos gebaut haben", sagte Hans Kristensen, einer der Autoren damals dem Sender CNN.

Und was sagte Generaldirektor Fu Cong dazu? Beim Briefing in Peking wollte der Leiter der chinesischen Rüstungskontrollabteilung die Existenz der Raketensilos nicht bestätigen und sagte lediglich, dass die Größe des chinesischen Atomwaffenarsenals nicht auf der Grundlage von Satellitenbildern geschätzt werden solle. Wichtig sei zu verstehen, dass die Volksrepublik sich in einem sich verändernden Sicherheitsumfeld in Asien befinde und daher ausreichend Nuklearwaffen vorhanden sein müssten. So planten etwa die Vereinigten Staaten die Stationierung nichtnuklearer Mittelstreckenraketen in der Region. Und auch Indien verfügt über Atomwaffen, ebenso wie sein Nachbar Pakistan.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungSicherheitspolitik
:Eine Lebensaufgabe

Außenministerin Baerbock will das Thema Abrüstung wieder ins Bewusstsein rufen. Das ist dringend nötig - und Arbeit für mehr als eine Amtszeit.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: