Sicherheitspolitik:Eine Lebensaufgabe

Russland: Militärparade in Moskau

Der New-Start-Vertrag soll die strategischen Atom-Arsenale Russlands und der USA begrenzen.

(Foto: Alexander Zemlianichenko/AP)

Außenministerin Baerbock will das Thema Abrüstung wieder ins Bewusstsein rufen. Das ist dringend nötig - und Arbeit für mehr als eine Amtszeit.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Wäre der Kalte Krieg je in eine heiße militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die Front wäre mitten durch Deutschland verlaufen. Die Gefahr, dass Atomwaffen zum Einsatz gekommen wären, war so greifbar, dass sie in Jugendbüchern verarbeitet wurde. Das Ende der Blockkonfrontation und eine Serie von Verträgen zur Rüstungskontrolle zwischen den Supermächten drängten das Risiko so weit zurück, dass es aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock will das Thema wieder ins Bewusstsein rufen und eine abrüstungspolitische Initiative starten.

Wie notwendig das ist, zeigen das Wegbrechen zentraler Pfeiler der Sicherheitsarchitektur in Europa ebenso wie die Spannungen mit Russland. Der INF-Vertrag zum Verbot nuklearer Mittelstreckenwaffen ist gescheitert, weil Moskau heimlich solche Systeme entwickelt, getestet und inzwischen auch bei der Truppe eingeführt hat. Das Open-Skies-Abkommen, das militärische Transparenz gewährleisten sollte, hat US-Präsident Donald Trump leichtfertig gekündigt. Übrig geblieben ist nur der New-Start-Vertrag, der die strategischen Atom-Arsenale Russlands und der USA begrenzt.

China rüstet auf, Nordkorea verschafft sich Bomben, und Iran ist bald Atommacht

Auch außerhalb Europas sind die Entwicklungen besorgniserregend: China baut sein Nuklear-Arsenal drastisch aus. Nordkorea hat sich Dutzende Bomben verschafft, Iran nähert sich rasch der Schwelle zur Nuklearmacht, seit Trump aus dem Atomabkommen von 2015 ausgestiegen ist. All dies höhlt den Atomwaffensperrvertrag bedenklich aus.

Baerbock knüpft mit ihrer Reise zum Ministertreffen der Stockholm-Initiative für nukleare Abrüstung an ihren Vorgänger Heiko Maas an. Aber auch der hat schon erfahren müssen, wie viele Widerstände es gibt und dass die aufgeheizte internationale Lage schnelle Fortschritte wenig wahrscheinlich macht. Wer in der Rüstungskontrolle Erfolge erzielen will, braucht langen Atem. Die Materie ist hochkomplex, die Positionen liegen weit auseinander. Dennoch, auch zu Zeiten des Kalten Krieges war es ungeachtet aller Spannungen möglich, über technische Gespräche zu politischen Lösungen zu kommen, die allen Seiten mehr Sicherheit verhießen.

Deutschland muss bereit sein, mehr für seine Verteidigung zu tun

Immerhin haben die USA und Russland wieder einen Dialog über strategische Stabilität begonnen. US-Präsident Joe Biden will die Rolle des Atom-Arsenals in der Sicherheitsdoktrin der Vereinigten Staaten reduzieren. Darin kann und sollte die neue Bundesregierung ihn bestärken. Allerdings muss sie dann auch bereit sein, ihren Beitrag zur konventionellen Bündnisverteidigung in Europa zu verstärken. Und anerkennen, dass die noch in Deutschland stationierten Atomwaffen nur im Einklang mit den Alliierten in der Nato und im Zuge einer Vereinbarung mit dem Kreml abgezogen werden können. Diese müsste garantieren, das Russland seine taktischen Atomwaffen reduziert.

Eine Teilnahme Deutschlands als Beobachter an der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, ist in diesem Kontext vor allem Symbolpolitik für die eigene Klientel. Wichtiger ist es, im Sinne der Stockholmer Initiative alles zu tun, um den Atomwaffensperrvertrag zu stärken. Gerät der ins Rutschen, könnten etliche Staaten in den Krisenregionen des Nahen Ostens oder in Asien mit der Bombe liebäugeln. Eine neue umfassende Rüstungskontrollvereinbarung mit Russland für Europa wäre der diplomatische Jackpot. Eine Amtszeit im Auswärtigen Amt aber dürfte dafür nicht reichen.

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