Asylstreit:Kompromiss verärgert SPD

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Im Parteivorstand regt sich erheblicher Widerstand gegen von der Union geplante Transitzentren. "Geschlossene Lager werden von uns nicht akzeptiert", sagt SPD-Vize Natascha Kohnen.

Von Robert Roßmann und Mike Szymanski, Berlin

Teamgeist? Innenminister Horst Seehofer, Finanzminister Olaf Scholz und Kanzlerin Angela Merkel am Tag danach. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

In der SPD gibt es erheblichen Widerstand gegen den zwischen CDU und CSU vereinbarten Asyl-Kompromiss. Mehrere Mitglieder des Parteivorstandes sprachen sich gegen die von der Union geforderten Transitzentren aus. Natascha Kohnen, SPD-Vize und Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Bayern, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Geschlossene Lager werden von uns nicht akzeptiert, weder in Bayern noch sonstwo in Deutschland." Am Abend traf sich der Koalitionsausschuss - und vertagte sich nach gut zwei Stunden auf Donnerstag. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles sagte, man sei "noch nicht ganz zusammen".

Neben Kohnen brachten weitere führende Sozialdemokraten ihre ablehnende Haltung zum Ausdruck. Martin Dulig, SPD-Landeschef in Sachsen, nannte die von der Union geforderten Transitzentren "verfassungsrechtlich höchst bedenklich". Wer außerdem glaube, "mit Schlagbäumen und Stacheldraht an den Grenzen Probleme zu lösen", der mache den Menschen etwas vor, sagte Dulig. Dies wäre "das Ende des freiheitlichen Europas". Die Parteilinke Johanna Uekermann, ebenfalls Vorstandsmitglied, sagte: "Mit meiner Haltung ist dieser Vorschlag nicht vereinbar."

Die Unionsparteien hatten die SPD am späten Montagabend mit ihrem Einigungsvorschlag überrascht. Nahles brachte noch in der Nacht zum Dienstag ihre Skepsis zum Ausdruck: Es seien viele Fragen zu klären. In der Hochphase der Flüchtlingskrise 2015 hatte sich die SPD gegen die bereits damals diskutierten Transitzonen an der Grenze ausgesprochen und sie als "Massenlager im Niemandsland" bezeichnet. Dass die Union drei Jahre später unter veränderten Rahmenbedingungen - es kommen viel weniger Flüchtlinge - Einrichtungen mit demselben Namen vorschlägt, wird in der SPD als Provokation aufgefasst. Nahles kündigte bereits an, den Begriff "Transitzentrum" nicht akzeptieren zu wollen. Dennoch bemühte sich die SPD-Chefin, die Diskussion darüber nicht sofort mit einer Absage zu beenden.

In einem eigenen Positionspapier zur Migrationspolitik hat die SPD mehrere Vorschläge unterbreitet. Auch die Sozialdemokraten sprechen sich für Schnellverfahren für jene Flüchtlinge aus, die bereits in anderen EU-Staaten registriert wurden. Der Innenpolitiker Burkhard Lischka machte in der SPD-Fraktionssitzung den Vorschlag, im Gegenzug auch Forderungen an die Union zu stellen. Als Beispiel nannte er, dass der Bund die Zuständigkeit für Rückführungen ausreisepflichtiger Gefährder von den Bundesländern übernimmt.

Bedenken gegen den Unionskompromiss gibt es auch in Wien. Österreich wäre der hauptbetroffene Staat von Zurückweisungen an der deutschen Grenze. Am Donnerstag will sich Innenminister Horst Seehofer mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz treffen. Am Dienstag betonten Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl, dass ihr Land keinesfalls Verträge zu Lasten Österreichs abschließen werde. Zudem sei man darauf vorbereitet, "Maßnahmen" an der Südgrenze Österreichs zu ergreifen, gemeint sind verstärkte Grenzkontrollen und Zurückweisungen.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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