Lobbyismus:Die Saarland-Connection

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Wirtschaftsminister Altmaier (Archivbild) hat offenbar ein Pharmaunternehmen aus seinem Wahlkreis begünstigt. (Foto: Ahmed Deeb/dpa)
  • Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) hat sich Unterlagen zufolge massiv für den Erhalt eines umstrittenen Importzwangs für Arzneimittel eingesetzt.
  • Anfang des Jahres hatte Gesundheitsminister Spahn (CDU) geplant, die Pflicht für Apotheker, Importware abzugeben, zu streichen oder mindestens einzuschränken.
  • Einer der Profiteure der nun weiterbestehenden Zwangsregelung ist der Medizinimporteur Kohlpharma mit Sitz in Altmaiers Wahlkreis im Saarland.

Von Markus Grill, Berlin, und Kristiana Ludwig, Merzig, Merzig/Berlin

Das kleine Saarland hat man schnell durchquert, in nur einer Dreiviertelstunde braust der graue Benz von Jörg Geller von seinem Firmengelände in der Kreisstadt Merzig bis zum Flughafen Saarbrücken. Geller, Geschäftsführer der Firma Kohlpharma, hat eine Dauerkarte für das Flughafenparkhaus. Während andere beim Einstieg ihren Ausweis zeigen müssen, sagt man zu ihm: "Hallo, Herr Geller". Denn Geller fliegt fast jede Woche, meistens nach Berlin. Er arbeitet dort als Lobbyist in eigener Sache, und neuerdings hat er einen mächtigen Unterstützer gefunden: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der ebenfalls aus dem Saarland stammt.

Kohlpharma verdient sein Geld damit, im Ausland billige Medikamente zu kaufen, neu zu verpacken und als Importware an Apotheker zu verkaufen. Diese sind wiederum gezwungen, einen festen Teil ihres Umsatzes mit Importmedizin zu erwirtschaften. Die Regel war einst als Sparmaßnahme für die Krankenkassen gedacht, doch die Einsparungen für das Gesundheitswesen sind heute gering. Im vergangenen Jahr waren es nur schätzungsweise 0,3 Prozent der Arzneimittelausgaben.

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Importfirmen wie Kohlpharma verdienen dagegen gut. Wenn zum Beispiel ein Medikament in Deutschland 1000 Euro kostet und in Griechenland 600 Euro, kann es der Importeur hier für 950 Euro verkaufen. Ein glänzendes Geschäft. Dabei haben bei vielen Arzneimittelskandalen in jüngster Zeit Importe eine Rolle gespielt. Die ausländische Ware lässt sich schlecht kontrollieren. Einige Tabletten wandern über mehrere Zwischenhändler durch unterschiedliche Länder.

Gegen den Rat seiner Beamten setzte sich Altmaier für das umstrittene Geschäftsmodell ein

Der Arzneimittelexperte der Deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, forderte, den Importzwang abzuschaffen, um Patienten nicht zu gefährden. Auch Patientenverbände, Apotheker und die AOK wollten ihn beenden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Anfang des Jahres ebenfalls geplant, diese Pflicht zu streichen, das zeigt ein Gesetzentwurf. Zur selben Zeit forderten 14 von 16 Bundesländern ihr Ende. Hessen enthielt sich, einziger Gegner der Abschaffung war das Saarland.

Dass es trotz dieser Kritik den Importzwang immer noch gibt und ein kürzlich verabschiedetes Arzneimittelgesetz nur die Regel leicht verändert, das hat womöglich auch mit Kohlpharma zu tun. Wirtschaftsminister Altmaier kommt aus dem Saarland, der Firmensitz Merzig liegt in seinem Wahlkreis. Mit einem Jahresumsatz von mehr als 600 Millionen Euro bietet der Importriese dort Arbeitsplätze für etwa 800 Menschen. Interne E-Mails und Vorlagen aus dem Wirtschaftsministerium, die Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegen, zeigen, wie sich Altmaier seit November 2018 massiv für den Erhalt der Importklausel einsetzte.

Aus den Dokumenten geht indes hervor: Während Altmaiers Beamte empfahlen, einer von Spahn vorgeschlagenen Änderung der Importregel zuzustimmen, ist in einer Vorlage für Wirtschaftsstaatssekretärin Claudia Dörr-Voß vom 10. Dezember das Wort "Zustimmung" mit rotem Stift durchgestrichen und handschriftlich "Leitungsvorbehalt" hinzugefügt. Einen Tag später schreibt ihr Büro an die Fachleute: Altmaier wolle "dazu direkt mit Bundesminister Spahn sprechen".

Überhaupt war Altmaiers Ministerium offenbar verärgert über die Regelungswut im Hause Spahn. So schreibt einer von Altmaiers Abteilungsleitern im Dezember, das Spahn-Ministerium würde weder seine Zuständigkeit für Arzneimittelpreisverordnungen "respektieren", noch strebe man offenbar "kollegiale Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung" an.

Am 11. Januar meldet sich die Firma Kohlpharma per E-Mail. "Sehr geehrter Herr Altmaier", heißt es darin, "wenn eine Änderung überhaupt Sinn macht, dann wäre es am Besten, die Ergänzungen aus dem Rahmenvertrag nachzuvollziehen". Drei Tage zuvor war die Firma in einer internen Unterlage zu einer Abteilungsleitersitzung in Altmaiers Ministerium explizit erwähnt worden. Zur "Position" des Wirtschaftsministeriums heißt es dort: "Minister-Vorbehalt (Kohlpharma)".

Der von Kohlpharma erwünschte Vertrag zwischen Kassenverband und Apothekern fußt auf dem alten Importzwang und verändert die bisherige Regel nur leicht. Die geforderte Ersparnis soll unterschiedlich sein, je nachdem, ob der Preis unter 100 Euro, zwischen 100 und 300 Euro oder darüber liegt. Käme diese neue Staffelung ins Gesetz, könnte sich Kohlpharma glücklich schätzen. Die Regel sei "so komplex formuliert, dass die Apotheker verunsichert sind und sie deshalb wahrscheinlich übererfüllen", sagt Geller. "Das heißt, sie wird für die Importunternehmen wohl zu einer Umsatzausweitung führen". Gute Aussichten für die saarländische Firma.

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Wenige Stunden nach Ankunft der Mail von Kohlpharma wurde Altmaiers Abteilungsleiter für Gesundheitswirtschaft intern um eine Einschätzung ("EILT sehr") gebeten, "damit wir" dem Minister "dies noch ergänzend zur Vorlage mitgeben können". Die Antwort kam prompt: Der Kohlpharma-Vorschlag sei "nicht tragfähig". Er gehe "weiter hinter" den Gesetzentwurf des Gesundheitsministers zurück - "und hinter die Position der Bundesländer".

"Dem Saarland mache ich deshalb einen sehr deutlichen Vorwurf"

Doch nur "wenige Tage später", so heißt es von Kohlpharma, habe Geller mit Altmaier telefoniert, von Saarländer zu Saarländer. Der Minister habe sich "nach den ökonomischen Auswirkungen" erkundigt, keine Zusagen gemacht. Sechs Tage nach Kohlpharmas E-Mail findet sich eine Nachricht aus dem Gesundheitsministerium in den Akten: "Wie bereits angekündigt", hätten sich Altmaier und Spahn "zur Importregelung verständigt". Die beiden Minister haben sich auf genau den Dreischritt geeinigt, den Kohlpharma zuvor empfohlen hatte. In einer Vorlage für Altmaier heißt es am 21. Januar: Genau so habe man es mit Minister Spahn vereinbart, damit bestünden nun "keine Hindernisse mehr für einen Beschluss durch das Kabinett".

Altmaiers Sprecherin teilt dazu mit: "Zu etwaigen internen bilateralen Gesprächen nehmen wir wie üblich keine Stellung." Warum Jens Spahn nachgegeben hat, dazu teilt sein Sprecher lediglich mit, "kein Gesetzentwurf" werde "ohne Änderungen vom Parlament beschlossen". Abgeordnete berichten, vor allem ihre saarländischen Kollegen hätten sich für den Erhalt der Importe eingesetzt. Auch im Bundesrat kippte die Stimmung. Die Länder, die sich noch im März gegen den Importzwang ausgesprochen hatten, stimmten ihm Ende Juni mehrheitlich zu.

Nur vier Länder gaben zu Protokoll, dass man bedauere, versäumt zu haben, die Klausel "konsequent aufzuheben". Brandenburgs Gesundheitsstaatssekretär Andreas Büttner sieht für diesen Umschwung einen Schuldigen: "Dem Saarland mache ich deshalb einen sehr deutlichen Vorwurf", sagt er.

© SZ vom 24.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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